Eure Geschichte Von der mitteldeutschen Industrie zu "blühenden Landschaften"

06. Oktober 2023, 21:39 Uhr

Die DDR war ein Gebiet, dass von deiner industriellen Wirtschaft geprägt war - mit einer enormen Umweltverschmutzung als Schattenseite. Die Wende brachte jedoch allmählich Veränderung: Wie aus Mondlandschaften und Kloaken Naherholungsgebiete und fischreiche Flüsse wurden.

Wenn in den frühen 1990er-Jahren die Rede auf Mitteldeutschland kam, fielen häufig Begriffe wie „Mondlandschaft“ (für die Tagebaureviere südlich von Bitterfeld, Halle und Leipzig) und "Kloake" (für die Flüsse Elbe, Saale und Elster).

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Die Unermesslichkeit der Aufgabe, eine solche Region zu sanieren, war wohl allen Beteiligten bewusst. Verantwortliche rechneten damals mit einem Zeitraum von 70 Jahren und länger. Doch bereits dreißig Jahre später waren laut LMVG (Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft GmbH) mehr als 80 Prozent der Bodenfläche und des Wasserhaushaltes der von ihr betreuten Gebiete rekultiviert (Ausgangspunkt 1991).

Die Deindustralisierung des Ostens

Die Sanierung der Altlasten des ostdeutschen Braunkohlebergbaus war und ist ein Gemeinschaftswerk des Bundes, der mitteldeutschen Länder und des Landes Brandenburg. Unmittelbar nach dem Ende der DDR begann dort eine Deindustrialisierung ohne Beispiel.

Förderband im Tagebau Goitzsche
Förderband im Tagebau Goitzsche Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Von den bestehenden 39 Tagebauen überlebten acht die Privatisierung durch die Treuhandanstalt, gut 130 Betriebe der braunkohlenverarbeitenden Industrie wurden in den Folgejahren abgebrochen oder demontiert. Dazu zählten Kokereien, Brikettfabriken, aber auch Kraftwerke und Zulieferfirmen.

Über "Auffanggesellschaften" und die ABM (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen) waren die Menschen oft genug mit der Beseitigung ihrer alten Betriebe auf Jahre beschäftigt. Für viele stellte dies nicht nur eine physische Belastung dar.

Die Braunkohlesanierung

Der Beginn der Braunkohlesanierung mit ABM zielte einerseits auf die zügige Beseitigung besonders eklatanter Umweltbelastungen und die Revitalisierung industriell-gewerblich vorgenutzter Flächen, andererseits auf möglichst große Beschäftigungswirkungen. Damit sollte der schnell um sich greifende Verlust vieler Industriearbeitsplätze zumindest teilweise und temporär ausgeglichen werden.

Aus den Schloten des Braunkohleveredlungswerkes Espenhain ziehen ätzende Staubwolken und Gasgerüche über das angrenzende Dorf Mölbis, aufgenommen im Sommer 1990
Aus den Schloten des Braunkohleveredlungswerkes Espenhain ziehen ätzende Staubwolken und Gasgerüche über das angrenzende Dorf Mölbis. Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Waltraud Grubitzsch

Finanzielle Grundlagen der ABM waren vor allem Lohnkostenzuschüsse der Bundesanstalt für Arbeit, Eigenmittel der Bergbauunternehmen und Sachkostenzuschüsse bzw. Darlehen aus dem Gemeinschaftswerk "Aufschwung Ost" der Bundesländer. Diese Form der Finanzierung wurde ab 1993 durch die insgesamt sieben Verwaltungsabkommen Altlastensanierung (VA) abgelöst. Das VA VI führt die bisherigen Strukturen der Braunkohlesanierung fort und sichert den finanziellen Rahmen der Braunkohlesanierung im Zeitraum von 2018 bis 2022 ab.

Erster Schritt getan – Zukunftswirtschaft soll folgen

Der Bund, die Länder und Kommunen haben in den letzten Jahrzehnten intensiv an der Sanierung und Nachnutzung der Folgelandschaften des Braunkohlebergbaus gearbeitet. Die entscheidenden Impulse zur Etablierung zukunftsfähiger wirtschaftlicher Entwicklung sollten nun aber aus der Privatwirtschaft kommen.

Die Vorstellung, durch wenige große und spektakuläre Investitionen schnelle Erfolge zu erzielen, hat sich als Illusion erwiesen. Hier sei nur auf die gescheiterte Hoffnung Leipzigs, Austragungsort olympischer Wettkämpfe zu werden, verwiesen. In der praktischen Umsetzung setzte sich zunehmend die Erkenntnis durch, die Entwicklung besser schrittweise voranzutreiben und gezielt Einzelvorhaben zu fördern.

Im Laufe der Zeit konnte so eine Reihe privater Investitionsvorhaben abgeschlossen werden. Hervorzuheben sind an dieser Stelle der Kanu-Park in Markleeberg, die beiden Marinas am Geiseltalsee und der Hafen "Kap Zwenkau".

Blick auf des Kap Zwenkau am Zwenkauer See.
Blick auf des Kap Zwenkau am Zwenkauer See Bildrechte: Günther Bigalke GmbH

Immobilien-Gesellschaften als Motor

Neben der Vielzahl klein- und mittelständischer Unternehmen der Gastronomie und weiterer Gewerbetreibender sind es vor allem Immobilien-Gesellschaften, die mit lukrativen Wohnhäusern am Wasser, Campingplätzen und Feriendomizilen zur Aufwertung der Landschaft beitragen, die sich so auch als idealer Standort für die Ansiedlung von Zukunftstechnologien empfiehlt.

Obwohl zum Gesamtumfang der bisherigen Investitionen der privaten Wirtschaft nur unzureichende Erkenntnisse vorliegen, ist von wesentlichen Impulsen für die künftige wirtschaftliche Entwicklung auszugehen. Die Schaffung und Sicherung neuer Arbeitsplätze wird in erheblichem Umfang von der Stärkung und Forcierung nicht nur dieser privatwirtschaftlichen Initiativen abhängen.

Einzigartig in Art und Dimension

Die Sanierung und Umgestaltung dieser Regionen gilt als einzigartig in Art und Dimension. Sie ist eines der größten Umweltprojekte weltweit. Das "Leipziger Neuseenland" sowie die Gebiete um Halle (Geiseltal) und Bitterfeld (Goitzsche) sind dafür beeindruckende Beispiele, für die die Bundesrepublik bisher einen zweistelligen Milliardenbetrag zur Verfügung gestellt hat.

Kirche auf einem See 3 min
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Die ehemaligen Tagebaulöcher im Leipziger Süden wurden nach 1989 geflutet und zu einer attraktiven Seenplatte umgestaltet.

Fr 06.10.2023 15:18Uhr 02:38 min

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Das Wasser der Saale wurde 1989 in den Umweltlaboren von Greenpeace getestet. Die Wasserqualität lässt sich als Vergleich wie folgt zusammenfassen: Abwasser einer Waschmaschine, mit Schwermetallen versetzt und sauerstoffzersetzenden und toxischen Stoffen angereichert.

Verschmutze Flüsse

Die Hauptverschmutzer der Saale waren insbesondere die großen Betriebe der Chemieindustrie wie die Leuna- und Buna-Werke, die Zellstoff- und Papierfabrik Merseburg und ferner die Kombinate der Braunkohlenindustrie in Böhlen und Espenhain. Letztere leiteten ihre Abwässer zwar nicht direkt in die Saale, sondern in die Weiße Elster, doch mündet diese südlich von Halle in die Saale.

Einer der Schadstoffe machte dem Fluss besonders zu schaffen: Quecksilber. In den Sedimenten des Flusses abgelagert, gelangt es bis heute über Pflanzen und Kleinstlebewesen in die Nahrungskette und lagert sich, in angereicherter Form, in den Mägen der Fische an. Für Menschen sind die erreichten Konzentrationen unbedenklich, für Seeadler, Fischotter und andere Tiere, die sich ausschließlich von Fischen ernähren, können sie aber lebensgefährlich werden.

Dieser Schadstoff bewegte sich seit Jahren langsam flussabwärts und ist inzwischen, über die Elbe, bis zum Hamburger Hafen nachweisbar. Der ausgebaggerte Schlamm des Hafens muss als Sondermüll entsorgt werden.

Dow Chemical, Standort Böhlen
Die einzige verbliebende Chemie-Industrie in Ostdeutschland ist DOW-Chemical. Hier am Standort Böhlen. Bildrechte: Dow Chemical

Durch die drastische Verringerung der Anzahl von Betrieben der chemischen Industrie (einzige verbliebene Firma ist DOW-Chemical bzw. deren Nachfolger) und die Einstellung der Kohleproduktion, verbunden mit den hohen Umweltschutzauflagen, hat sich der Fluss, der auch für die Trinkwassergewinnung der Region eine große Rolle spielt, in den letzten Jahren soweit erholt, dass er wieder zum Baden einlädt.