
Der Redakteur | 17.03.2025 Die Bauernkriege vor 500 Jahren: Zwischen direkter Demokratie, Gotteszeichen und dem Massaker von Bad Frankenhausen
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17. März 2025, 15:40 Uhr
Wir schreiben das Jahr 1525 und es war unruhig in der Reichsstadt Mühlhausen. Die Bürger fühlten sich benachteiligt, forderten mehr Mitbestimmung, weniger Steuern und es solle bitte alles so sein wie früher. Der Rest ist Geschichte, die aber nicht immer richtig erzählt wird.
Es waren unruhige Zeiten vor 500 Jahren in Mühlhausen und darüber hinaus. Bereits 1523 hatte es in Mühlhausen erste Aufstände gegeben gegen den herrschenden oligarchischen Rat, der ausschließlich aus den wohlhabendsten und einflussreichsten Bürgern der Stadt bestand.
Unmut der Bevölkerung wuchs
Die Mehrheit der Bevölkerung, darunter Handwerker und kleinere Kaufleute, war von jeglicher politischen Teilhabe ausgeschlossen. Während diese Oligarchie ihre eigenen Mitglieder wählte und die Macht unter sich hielt, wuchs der Unmut in der Bevölkerung.
Ein entscheidender Punkt war die wachsende Steuerlast. Der Stadtrat erhob immer höhere Abgaben, die vor allem die unteren Schichten trafen. Hinzu kamen soziale Spannungen, die durch ungerechte Gerichtsurteile und die einseitige Gesetzgebung verstärkt wurden. Auch die Einführung des römischen Rechts, das lokale Gewohnheitsrechte ersetzte, wurde von vielen als Bedrohung empfunden. Man wollte alles so "wie früher".
Der "Ewige Rat" - Basisdemokratie in Mühlhausen
Die Lage eskaliert im Frühjahr 1525, als die Bürger Mühlhausens einen neuen, sogenannten "Ewigen Rat" einsetzen wollten, bei dem sie auch dabei sind. Am 16. März wurden die Bürger in die Marienkirche gerufen, um abzustimmen. Dieses Ereignis ist deshalb so bemerkenswert, weil es eine frühe Form demokratischer Mitbestimmung darstellte.
Es war keine Revolution, sondern eine geordnete Machtübergabe.
Die Abstimmung ergab eine klare Mehrheit für die Ablösung des alten Rates: 660 Bürger stimmten für den neuen Rat, während nur 204 den bisherigen Rat unterstützten.
Frauen waren zu dieser Zeit nicht stimmberechtigt. Die Entscheidung wurde in einem Dokument festgehalten, das bis heute im Stadtarchiv von Mühlhausen erhalten geblieben ist. Die neue Stadtführung übernahm schon am nächsten Tag, also am 17. März 1525, die Verwaltung der Stadt.
Jedes Mitglied des alten Rates musste sein Amt an eine zuvor eingesetzte Kommission übergeben. Interessanterweise wurden vier Mitglieder des alten Rates in den neuen Rat übernommen, vermutlich um Kontinuität zu wahren und sich etwas Erfahrung einzukaufen.
Im Namen Gottes - Müntzer vs. Luther
Wir sind in der Zeit von Luthers Reformation, viele Bürger forderten eine Reform des Glaubens und eine größere Unabhängigkeit von kirchlichen Autoritäten. Der Zwist zwischen Luther und Müntzer ist mit einem Satz beschrieben: Luther sah nur die Bibel als Quelle der göttlichen Botschaft, Müntzer meinte, Gott könne auch direkt zu den Menschen sprechen. Diese Überzeugung führte zu einem tiefen Konflikt mit Luther, der Müntzer schließlich als "Satan zu Mühlhausen" bezeichnete, während Müntzer Luther als "Gottloses Fleisch zu Wittenberg" titulierte.
Müntzer glaubte daran, dass Gott im Traum Menschen seinen Willen mitteilt.
Dass jemand nachts Träume hat und göttliche Aufträge bekommt und diese verbreitet, das war damals auch nicht so absurd, wie es heute erscheint. Wer sich wie Müntzer den ganzen Tag mit Gott beschäftigt, der träumt auch nachts davon. Und die Empfängnis für Übersinnliches hatten die Menschen früher mehr als heute.
War Müntzer ein Revolutionär und Bauern-Anführer?
Thomas Müntzer war einer der bekanntesten Theologen der Reformationszeit und wird oft als treibende Kraft hinter den Aufständen in Mühlhausen dargestellt. Tatsächlich war seine Rolle weniger politisch als theologisch motiviert. Müntzer selbst wollte sich aber gar nicht zum politischen Herrscher oder gar Bürgermeister aufschwingen, wie oft behauptet wird, , so betont der Thomas T. Müller. Der Thomas-Müntzer-Experte forscht an den Luther-Gedenkstätten in Sachsen-Anhalt.
Das ist tatsächlich ziemlicher Quatsch. Das lässt sich in den Quellen überhaupt nicht belegen.
Seine zentrale Forderung war eine "gottgefällige" Regierungsführung, die sich auf soziale Gerechtigkeit stützte.
Müntzers Vision einer neuen, gerechten Gesellschaft fand besonders unter den aufständischen Bauern Anklang, die genauso wie die Bürger Mühlhausens mehr Mitbestimmung einforderten. Überall in Deutschland formierten sich Aufstände gegen Feudalherren und Fürsten.
Neben sozialen Ungleichheiten waren es steigende Abgaben, die die Bauern erzürnten, verschärfte Jagd- und Fischereiverbote sowie die erwähnte Einführung des römischen Rechts, quasi ein einheitliches "BGB" statt örtlicher Regelungen.
Der Irrtum von der "Schlacht von Bad Frankenhausen"
Müntzer-Experte Müller würde die Ereignisse im Mai 1525 weniger als Schlacht im Sinne einer militärischen Auseinandersetzung bezeichnen, sondern eher als Massaker.
Die Aufständischen, viele von ihnen einfache Bauern, trugen Regenbogenfahnen als Zeichen der göttlichen Verbindung. Schließlich war der Regenbogen die direkte Verbindung zu Gott, von der Müntzer predigte.
Während die adligen Truppen ihre Kanonen luden, erschien ein sogenannter Halo, ein kreisförmiger Regenbogen um die Sonne. Dieses Himmelsphänomen wurde als göttliches Zeichen gedeutet: Alles ist gut, euch kann nichts passieren, entsprechend "vorbereitet" waren die Bauern.
In dem Moment fangen die Fürsten an zu bombardieren. Die Reiterei fällt ein, und die Leute werden einfach nur noch massakriert.
Massaker statt Feldschlacht: 6.000 Bauern sterben
Die Schlacht endete in einem Massaker: Sechs tote Soldaten auf Seiten der Fürsten standen Berichten zufolge etwa 6.000 getöteten Bauern gegenüber. Müntzer wurde gefangen genommen, gefoltert und am 27. Mai 1525 in Mühlhausen hingerichtet.
Sein abgeschlagener Kopf wurde zur Abschreckung auf einen Pfahl gespießt. Das weiß man so genau, weil der Pfahl zwar zunächst nicht stehenblieb, aber die Rechnung für das Nacharbeiten und Neuaufrichten heute als beweiskräftiges Dokument dient.
Die Lehren aus der Geschichte der Bauernkriege
Die Geschichte des ewigen Rates von Mühlhausen und der Bauernkriege zeigt, dass soziale Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch immer wieder zu Rebellion führen. Trotzdem bleibt Thomas Müntzer eine umstrittene Figur: War er ein visionärer Theologe, ein Kämpfer für soziale Gerechtigkeit oder nur ein gescheiterter Prophet?
Dass heute Gummistiefel an den Wegrändern hängen, geht auf diese Zeit zurück und auf den Bundschuh. Dieser einfache Schnürschuh, den vor allem Bauern trugen, wurde im 15. und frühen 16. Jahrhundert als Erkennungszeichen verschiedener Aufstandsbewegungen verwendet, auf Fahnen dargestellt oder an Stangen befestigt, während die Regenbogenfahne später eigene Wege ging.
Damals wie heute im Mittelpunkt: Wer hat Macht, und wie wird sie gerecht verteilt? Die Ereignisse von 1525 zeigen, dass Veränderungen oft von unten kommen und dass der Wunsch nach Gerechtigkeit zeitlos ist.
Anlässlich des Jahrestages der Bauernkriege wird es in Bad Frankenhausen, aber vor allem in Mühlhausen mehrere große Veranstaltungen geben. Mehr Infos gibt es hier.
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 17. März 2025 | 15:20 Uhr