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"Lotte Ulbricht - Zwischen Parteidisziplin und Mutterrolle" in Bildern
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Vor knapp einem Jahr sind Lotte Kühn und Walter Ulbricht aus dem sowjetischen Exil zurückgekehrt. Im deutschen Osten nimmt die Vision vom Arbeiter- und Bauernstaat Gestalt an, nun arbeiten beide auch privat am perfekten Glück: Sie erwarten ein Kind!
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Anno 1946 im Jugendamt Dresden: Ein zweijähriges Mädchen namens Maria Pestunowa, eine Kriegswaise, wird Lotte Kühn und Walter Ulbricht übergeben. Ulbricht hat seine Beziehungen zu einer alten Kampfgefährtin spielen lassen, die in Adoptionsfragen in Dresden das Sagen hat. Es spielt offenbar keine Rolle, dass das Mädchen bereits in einer Pflegefamilie lebte. So wird aus Maria Pestunowa bald Beate. 1950 heiraten Lotte Kühn und Walter Ulbricht, wohl auch um die Adoptionsauflagen zu erfüllen.
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45 Jahre später - die DDR ist längst zusammengebrochen - lässt Beate im Gespräch mit der jungen Boulevard-Journalistin Anna Meissner kein gutes Haar an der "bösen Lotte". Eine nach der Wende hochgejazzte Geschichte oder ein echtes Mutter-Tochter-Drama hinter der Fassade von der heilen Familie?
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Unter dem Namen Beate Matteoli lebt sie damals in Ostberlin - 47 Jahre alt, arbeitslos, mittellos und alkoholabhängig. Anna Meissner führt über Wochen Gespräche mit ihr: Die Aufnahmen sind bis heute erhalten. "Es war ganz offensichtlich, dass sie ihren Vater, Walter Ulbricht, sehr geschätzt und geliebt hat, aber zu der Mutter gar keine Beziehung hatte." Wer aber war die "böse Lotte", die Frau, von der viele dachten, sie sei die graue Eminenz der DDR, die ihren Ehemann Walter lenkte und in Wahrheit den Takt vorgab?
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Die filmische Spurensuche geht weit zurück in die frühe Biografie der Lotte Kühn. Als junge Kommunistin reist sie bereits in den 1920er-Jahren in die Sowjetunion. Ein Schlüsselerlebnis. Mit Erich Wendt, der 1931 "wegen literarischen Hochverrats" aus Deutschland emigrieren muss, lebt sie im Moskauer "Hotel Lux". Mit ihren Freunden Luise und Fritz Schälike arbeitet sie für die Komintern, den Weltverband der kommunistischen Parteien.
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"Das war ein Freundeskreis von Arbeiterkindern, die Marx studierten. Und Marx war für sie die Entdeckung, dass es eine andere Welt geben kann, in der die Arbeiter die Macht haben. Und das haben sie in ihre Seelen eingenommen. Die Welt wollten sie so umgestalten, dass sie gerechter wird.“ Sie wollen die Revolution auch nach Deutschland tragen. Für Waltraut Schälike, Jahrgang 1927, war die Freundin ihrer Eltern einfach "Tante Lotte" und "ein starker Mensch" mit hohen Zielen.
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Lotte Kühn lebt und kämpft für ihre Partei, die KPD - und das seitdem sie 16 ist. Damals ist die Novemberrevolution gerade gescheitert. Auf den Straßen herrschen Terror und Angst. Das Berliner Arbeiterkind aus ärmsten Verhältnissen muss sich allein durchschlagen. Die KPD wird zu ihrer Heimat. Hier findet sie Freunde, bekommt Bildung und die Chance auf eine Karriere. Die Partei formt ihre Weltanschauung und lehrt sie vor allem eins: absolute Disziplin.
Und damit bringt sie es weit: Im Juli 1935 kommt es zu einem großen Kongress der Kommunistischen Internationale in Moskau. Lotte Kühn darf dabei sein als Leiterin des Protokollbüros. Sie ist gerade Anfang 30. Für die Komintern ist die Sowjetunion nach dem Machtantritt der Nazis in Deutschland 1933 die letzte große Bastion, das "Vaterland aller Werktätigen". Frenetisch wird auf dem VII. Weltkongress der Komintern Stalin gefeiert. Der Diktator setzt darauf, die Sowjetunion aus ihrer Isolation zu befreien. Mit Hilfe von Volksfront-Regierungen wie in Frankreich und Spanien. Die Kommunisten sollen allen freiheitsliebenden Kräften die Hand reichen, das setzt Toleranz voraus, die es in der Sowjetunion bald nicht mehr gibt. Die geringste Abweichung von der Parteilinie wird bald im Terror der sogenannten "Säuberungen" erstickt.
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Viele, die auf dem Weltkongress noch begeistert die "Internationale" singen, stehen bald als "Parteischädlinge und Volksfeinde" am Pranger. So geht es auch Erich Wendt, der inszwischen nicht mehr Lotte Kühn liiert ist. Als Trotzkist entlarvt, schließt man ihn 1936 aus der Partei aus und steckt ihn in ein Lager. Bald beginnen auch Ermittlungen gegen Lotte Kühn selbst, weil sie noch bis kurz vor seiner Verhaftung im Briefwechsel mit stand. Sie kommt mit einer Parteirüge davon und wird später nie über die Jahre des Terrors sprechen.
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Dafür erinnert sie sich später umso besser, wie sie den KPD-Funktionär Walter Ulbricht kennen- und lieben lernt. Zwar ist er zehn Jahre älter als Lotte Kühn, noch anderweitig verheiratet und als Typ etwas spröde. Trotzdem funkt es zwischen den beiden - am 30. Januar 1935 auf der Eisbahn im Moskauer Gorki-Park. Den VII. Weltkongress der Komintern erlebt das frischverliebte Paar bereits gemeinsam. Zwar steht damals noch Wilhelm Pieck an der Spitze der KPD, aber Walter Ulbricht hat einen guten Draht zu Josef Stalin, was sie möglicherweise durch die Jahre des Terrors bringt. Zweifel am kommunistischen Weg kommen damals nicht auf.
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Nach dem Einzug der Roten Armee in Berlin kann Lotte Kühn Ende Mai 1945 endlich in ihre Heimat zurückkehren - genau ein Flugzeug nach Walter Ulbricht. Die Historikerin Gunilla Budde meint, dass sie sich durchaus als Siegerin betrachtet haben könnte, denn "in dem Bewusstsein, dass sie an den Verbrechen des Nationalsozialismus keinen Anteil hatte, sah sie sich womöglich legitimiert, "eine gewisse Respektsperson sein zu können in diesem neuen Staat.“
Den Wiederaufbau des öffentlichen Lebens organisiert im Auftrag der Sowjets die "Gruppe Ulbricht". Inzwischen erhebt Lottes Lebensgefährte klar den Führungsanspruch in der Partei. Walter Ulbricht erhebt den Anspruch auf die Führung der KPD und seine Lebensgefährtin hilft ihm dabei tatkräftig. Da sie exzellent Russisch spricht, dolmetscht sie Gespräche mit den Sowjetfunktionären. Eine Chance, Ulbricht ständig mit Informationen zu versorgen und ihm so einen Wissensvorsprung zu verschaffen. Sie verfasst ihm Redetexte, organisiert Termine und begleitet ihn fast überall hin.
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Privat bezieht das Paar ein Haus in Berlin-Pankow. Im so genannten Städtchen, einer extra für Funktionäre freigeräumten Siedlung. Nach dem unsteten Leben des Exils ihr erstes trautes Heim. Das einzige, was den beiden noch fehlt, ist ein Kind. Doch für ein eigenes ist es zu spät.
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Der Entschluss zur Adoption führt sie im Januar 1946 zum Jugendamt nach Dresden. Eine Kampfgefährtin Walter Ulbrichts ist in Dresden für Waisenkinder zuständig und damit auch für die Tochter einer sowjetischen Zwangsarbeiterin, die bei einem Bombenangriff ums Leben kam.
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Dass Kind bereits eine Pflegefamilie hatte, belegt eine Akte im Archiv des Dresdner Jugendamts (Bild). Darin heißt es auch: "Frau F. weiß nicht wohin das Kind gekommen ist. Sie ist sehr unglücklich, dass es ihr weggenommen wurde.“
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Was also bewegt das vielbeschäftigte Funktionärspaar, das Mädchen in ihr Leben zu holen? 1946 schickt die Partei Lotte Kühn nach Sachsen, wo Nazi- und Kriegsverbrecher enteignet werden. Den Volksentscheid bereitet sie als Instrukteurin der KPD mit vor. Natürlich gehört sie als Pressereferentin ihrer Partei auch zu den Delegierten im Berliner Admiralspalast, wo aus KPD und SPD die SED wird.
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Während ihre Mutter Geschichte schreibt, ist Tochter Beate meist in Betreuung. Zweisame Momente sind rar. Trotzdem ist Lotte Kühn stolz auf ihre Kleine, wie sie dem Jugendamt berichtet: "Beate ist ein außerordentlich liebenswertes Kind. Wir versuchen alle guten Eigenschaften sorgfältig zu pflegen und alle Ansätze von Rücksichtslosigkeit, Selbstsucht und Eigensinn, zu dämmen. So bin ich überzeugt, dass wir ein Menschlein heranziehen, das ein wertvolles Glied unseres neuen Deutschlands sein wird.“
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Zu einer Muster-Familie gehört der Trauschein. So legitimieren Lotte Kühn und Walter Ulbricht im Januar 1950 auf dem Standesamt Berlin-Pankow ihre Ehe vor dem Gesetz. Wohl auch, um die Adoptionsauflagen zu erfüllen.
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Der Erwartungsdruck an Beate ist hoch. Sie geht auf eine Russisch-Spezialschule in Pankow, die viele Kinder hoher SED-Funktionäre besuchen. Doch selbst dort fühlt sie sich durch ihren Namen isoliert und gemobbt, wie sie später im Gespräch mit Anna Meissner sagen wird.
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An das strenge Regime im Hause Ulbricht erinnert sich Beates Schulkamerad Andrej Florin so: "Sie musste, das wurde früh schon so eingeführt, um 7 war das, oder um 8 zu Hause sein. Und das spielte keine Rolle, wie alt sie war und welche Interessen sie hatte. Das musste eben so sein und Schluss. Es wurde eben irgendwas festgelegt, und dann musste sich alle gefällig daran halten.“
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"Da kann man eigentlich nur leiden", meint Historiker Stefan Wolle, "Ulbricht war in dieser Zeit, also in den 1950er- und beginnenden 1960er-Jahren wirklich verhasst bei der Bevölkerung, speziell in Berlin."
Offenbar fürchtete man seitens des Politbüros, jetzt unter Erich Honecker, dass die Lotte Ulbricht, die ja ein sehr großes Energiebündel war, sehr energisch, sehr durchsetzungsfähig, auch sicherlich Kontakte nach Moskau hatte, dass die sich gegen diese Entmachtung von Ulbricht und dieses öffentliche Beiseiteschieben, noch stärker sträuben würde. Dem stand allerdings eins entgegen: Und das war die Parteidisziplin. Ich glaube letztendlich, die Parteidisziplin, egal ob Walter oder Lotte oder Erich Honecker oder wer auch immer, das hatten diese Leute das so übernommen, dass daraus kein Weg mehr führte.“
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Es könnte alles schön sein, gäbe es da nicht ernste Probleme mit Beate: Die studiert inzwischen in Leningrad. Doch die 19jährige schwänzt die Uni, legt sich mit ihren Dozenten an und verliebt sich in den Sohn eines italienischen KP-Funktionärs, Ivano Matteoli.
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Als Lotte Ulbricht davon erfährt, nimmt sie den nächsten Flug an die Newa und steigt im Hotel "Astoria“ ab, um Tochter samt Geliebten zu treffen. Von einem Tag auf den anderen muss Beate ihr Studium abbrechen und zurück in die DDR.
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Anna Meissner, die sich nicht nur in die Lebensgeschichte von Beate, sondern auch in die der Lotte Ulbricht hineinversetzt hat, meint: "Wenn ich die Frau des Staatsoberhauptes bin, und kriege mit, meine Tochter, oder vermeintliche Tochter, verliebt sich in einen Italiener, der zwar Kommunist ist, aber der doch auch aus einem westlichen Ausland kommt, das ist doch eine unglaubliche Gefahr auch. Kann gut sein, kann aber auch nicht gut sein. Und das muss doch erstmal ausgelotet werden. Und das ist selbstverständlich, dass die dahin musste! Aber ich glaube nicht als Mutter. Und das ist eben eine ganz große Krux. Diese Mutter zu sein in einem politischen Gefüge oder als Staatrepräsentantin, das ist verdammt schwierig. Also ich glaube nicht, dass das irgendjemand richtig geil hinkriegt. Auch heute nicht."
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Im Oktober 1963 dürfen Beate und Ivano doch heiraten, unter der Bedingung, dass sie in der DDR zusammen leben. Der Versuch scheitert. Als Ivano Matteoli in die Sowjetunion zurückkehrt und Beate ihm mit ihrer kleinen Tochter folgen will, erhält sie kein Visum und bleibt in der DDR zurück.
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Fakt ist, dass sich Beate nach drei Jahren Ehe von Ivano scheiden lässt und wieder zum Studium nach Leningrad geht. Dort heiratet sie zum zweiten Mal - diesmal einen alten Schulkameraden, der sie schlägt und Alkoholiker ist. Auch wenn ihre Mutter sie ab und zu in der SU besucht, hat sie kaum noch Einfluss auf ihre Tochter.
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Zuhause steht die "First Lady" weiter fest an der Seite ihres Mannes. Doch hinter ihrem Rücken braut sich Unheil zusammen. Im Politbüro kommt es zu Streitigkeiten über die weitere Außen- und Wirtschaftspolitik. Indirekt wird Ulbricht auf einer Tagung des SED-Zentralkomitees 1970 für Versorgungsengpässe verantwortlich gemacht, sein Führungsstil und seine Alleingänge in der Deutschlandpolitik - unabgestimmt mit dem großen Bruder - werden kritisiert. Sein Ziehsohn Erich Honecker steht bereit. In Moskau fällt die Entscheidung, Ulbricht zu entmachten. Gesundheitlich geht es ihm immer schlechter. Im Sommer 1973 liegt er im Sterben - und will ein letztes Mal seine Tochter sehen.
Doch das Band zwischen Tochter und Mutter ist zerschnitten. Der letzte Auftritt von Mutter und Tochter vor laufender Kamera findet am 7. August 1973 statt - beim Staatsakt zum Ableben von Walter Ulbricht. Beate nimmt nach der Scheidung von ihrem zweiten Mann wieder den Nachnamen Matteoli an und bleibt in Berlin. Ihre Mutter, inzwischen 70 Jahre alt, verschwindet aus der Öffentlichkeit.
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