Abendstimmung in Venedig mit Santa Maria della Salute von dem Maler Friedrich Nerly - ein Gemälde in leuchtenden Orange-Tönen, der ganze Himmel strahlt
Der Erfurter Maler Friedrich Nerly lebte 40 Jahre in Venedig. Seine Leidenschaft für Himmel-Szenen brachte ihm den Spitznamen "Mondschein-Nerly" ein. Bildrechte: Angermuseum Erfurt

Kulturelle Ausflugsziele Wohin am Wochenende? Tipps für Erfurt, Leipzig und Salzwedel

20. Februar 2025, 15:30 Uhr

Hier sind unsere Tipps für Ihr Wochenende: Ein Besuch im Johann-Friedrich-Danneil-Museum in Salzwedel ist ein Ausflug in vergangene Jahrhunderte. In Leipzig gibt es ein Konzert mit Tim Adieu und Das Beat – Musik zwischen Schlager und Pop voller Melancholie und mit großem Gefühl. Wir stillen Ihre Italiensehnsucht: Im Angermuseum Erfurt schwelgen die Bilder von Friedrich Nerly in der Anbetung von Venedigs Himmel. Und der neue Comic von Liv Strömquist pfeift auf alle Ratgeber.

Im Winter versorge ich die Meisen im Hinterhof mit Körnern. Seitdem prangen die kleinen Vogelbälle dort wie gefiederte Weihnachtskugeln in den Ästen eines Baumes, starren zu mir herüber und harren auf Nachschlag. Man könnte auch sagen, sie warten auf bessere Zeiten. Lohnt das Warten? Kommen nochmal bessere Zeiten als die jetzigen, in denen man beinahe täglich Ungeheuerliches aus der Welt erfährt? Zweifeln ist erlaubt, aber suhlen in Mutlosigkeit geht nicht. An diesem Wochenende zum Beispiel können wir wählen. Und das Thermometer macht einen Schritt Richtung Frühling. Ansonsten gibt es in diesem Newsletter Kunst und Kultur mit Trost-Appeal.

Salzwedel: Geschichte(n) im Danneil-Museum 

Warten auf bessere Zeiten – manchmal hilft ein Besuch im Museum, um einen Schritt zurückzutreten. Mit dem Abstand von Jahrhunderten wird klar: Auch früher waren die Menschen mit großen Herausforderungen konfrontiert. Deswegen geht es auf nach Salzwedel ins Johann-Friedrich-Danneil-Museum, das sieht schon von außen richtig gut aus.

Das Danneil-Museum in Salzwedel: ein schönes Gebäude mit einem Türmchen und großen Fenstern
Das Johann-Friedrich-Danneil-Museum in Salzwedel zeigt die Geschichte der Altmark von der Ur- und Frühgeschichte bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Bildrechte: picture alliance/ZB/Jens Wolf

Exponate und Inszenierungen in 16 Ausstellungsbereichen zeigen die Geschichte der Altmark, von der Urzeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Und siehe: überall Umbrüche! Reformation, Krieg, Industrialisierung oder auch einfach die Geschichte des Salzwedeler Baumkuchens. Man kann sich vorstellen, dass es – egal wann – immer Menschen gab, die dachten: Jetzt ist alles aus! Und andere dachten: Jetzt fängt es erst richtig an! Also, Ärmel hochkrempeln!

In der Sonderausstellung: "Die Grenze in der Feldmark – Lebenslinien zwischen dem Wendland und der Altmark" erzählen Zeitzeug*innen aus der Altmark und dem Wendland aus der Zeit der innerdeutschen Grenze. Ihre Geschichten handeln von grenzüberschreitender Freundschaft, von Ängsten, Hoffnung und Freude.

Leipzig: Ganz großes Gefühl mit Tim Adieu

"Die Zwanziger haben gerade erst begonnen und sind jetzt schon übelst scheiße." Das behauptet Tim Adieu und singt deswegen am liebsten nur über die Liebe. Es heißt, dass er auf der Bühne zuweilen von Gefühlen überwältigt wird und kurz weinen muss. Vielleicht sollte man einfach mitweinen, danach geht’s dann wieder besser. Passend heißt seine aktuelle EP: "Weine nur, mein Herz".

Der Musiker Tim Adieu sitzt im Fensterbrett bei zugezogenen Gardinen und hat ein Bein aufgestellt. Mit schräg gestelltem Kopf schaut er in die Kamera. Eine Bierflasche steht neben ihm, im anderen Fensterbrett zwei Blumensträuße in Glasvasen.
Der Musiker Tim Adieu bewegt sich zwischen Chanson, Pop, Schlager, Disco und Singersongwriting. Bildrechte: Tim Adieu

Adieus Musik vereint Chanson, Pop, Schlager, Disco, Singersongwriting und dabei ist "Melancholie eine Kernkompetenz", steht auf der Website der naTo Leipzig, wo der Leipziger Musiker am Freitag auftritt. Wer also mal loslassen und sich knietief den großen Emotionen stellen will, weiß wo. Und Tim Adieu kommt nicht allein, sondern wird an diesem Abend unterstützt von Das Beat. Das Duo aus Berlin verbindet New Wave, Dark Wave, Indie und Dance mit lustig-englischen Texten. Es gibt also auch noch Musik zum Mitwippen.

Erfurt: Italien-Sehnsucht mit "Mondschein-Nerly"

Ich gestehe: Gerade in den letzten knitterkalten Tagen sehne ich mich nach der Luft, dem Licht, den Straßen und Plätzen irgendwo in Italien. Sie auch? Ganz viel Venedig kriegen Sie momentan in Erfurt, das ist auch näher. Das Angermuseum präsentiert die größte Schau in der Geschichte des Hauses: "Friedrich Nerly – von Erfurt in die Welt". Der Maler, ein Zeitgenosse Caspar David Friedrichs, war lange Zeit ein vergessener Sohn der Stadt, dabei ermöglichte sein Nachlass einst die Gründung des Museums.

Das Gemälde Piazza San Marco bei Mondschein des Malers Friedrich Nerly: Hinter dem venezianischen Gebäude versinkt die leuchtende Sonne in der Lagune - sehr romantisch anzusehen
Der Maler Friedrich Nerly war ein Zeitgenosse von Caspar David Friedrich und gehört wie er zur Epoche der Romantik. Bildrechte: Stadtverwaltung Erfurt/Dirk Urban

Nerly lebte 40 Jahre in Venedig. Die Vorliebe des Romantikers für venezianische Himmelszenen brachte ihm den Spitznamen "Mondschein-Nerly" ein. Beim Anblick seiner leuchtenden Bilder schmelzen die Kälte- und nachrichtenverkrusteten Areale im Gehirn wie Stracciatella-Bröckchen auf der Zunge. Also, am besten ein bisschen Cappuccino-Schaum hinter die Ohren tupfen und eintauchen in die schauerromantische Welt von Herrn Nerly.

Der persönliche Tipp: Liv Strömquists Klugheit 

So viele Influencer und Auskenner geben uns in Büchern, Videos und auf Social-Media-Kanälen jede Menge gut gemeinte Ratschläge zur Selbstoptimierung. Wir sollen zum Beispiel immer hübsch sein (ganz wichtig)! Und wir sollen Spaß haben (noch wichtiger, weil, wer keinen Spaß hat, ist nicht cool). Man soll dankbar sein und täglich aufschreiben, was besonders schön ist – wie eine Hausaufgabe. Man soll Misserfolge sofort in Stärken umwandeln. Man muss Ziele haben. Man darf keine Schwäche zeigen und so weiter.

Pfff, dachte sich da die großartige Comiczeichnerin Liv Strömquist. In "Das Orakel spricht" dröselt sie die ganze Geschichte der Glücksindustrie auf, mit verrückten Zeichnungen und ihrem berühmt-witzigen Ton. Sie prangert an, erklärt, lässt Wissenschaftler zu Wort kommen. Auch der Soziologe Hartmut Rosa taucht mit seiner Resonanz-Theorie auf. So seine schöne Erklärung unseres Strebens nach der Verfügbarkeit der Welt am Beispiel Schnee. Denn ursprünglich war das mit dem Spaß als Kontrollverlust gedacht, etwas, das unvorhergesehen ins Leben platzt, und das man glücklicherweise nicht planen kann: wie Schnee eben.

Eine Seite aus dem Comic "Das Orakel spricht" von Liv Strömquist. Die Illustration zeigt einen Mann, umgeben von lauter Sprechblasen
Ein Blick in den Comic von Liv Strömquist: Das Leben genießen bedeutet heute: viele Verbote und Einschränkungen - wenn man den Ratgebern glaubt. Bildrechte: Liv Strömquist/avant-verlag

Statt die Zeit zu vergeuden und mit sich zu hadern á la "Hoffentlich bin ich hinreichend hübsch und froh" sagt Liv Strömquist: "Geh raus!". Ein ganz tolles Buch, erschienen im Avant-Verlag.

Buchcover mit der Aufschrift "Liv Strömquist Das Orakel spricht". Auf dem Bild versinkt eine antike Statue im Wasser.
Der neue Comic von Liv Strömquist heißt "Das Orakel spricht". Darin geht es um Sinn und Unsinn von Ratschlägen. Bildrechte: Liv Strömquist/avant-verlag

Im Programm: MDR KULTUR – Das Radio: am 7. Februar 2025, 13:15 Uhr | MDR KULTUR – Das Radio: am 15. November 2024 14:30 Uhr

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