MDR INFO | Hörer machen Programm | 18.09.2013 Es wird Nacht, aber nicht dunkel

09. Dezember 2014, 14:39 Uhr

Hobbyastronomen wissen: In Städten ist eine Sternenbeobachtung kaum möglich. In der Nacht ist es viel zu hell, weil das Licht angestrahlter Kirchen und Hochhäuser, die Straßenbeleuchtung oder Suchscheinwerfer der Diskotheken den sonst dunklen Himmel überstrahlen. Ein Umstand, den auch Hörer Uwe Asmus aus Chemnitz stört. Er fragt nach den Auswirkungen für die nicht vorhandene Dunkelheit und was die Behörden unternehmen, um ein zuviel an Licht in der Nacht zu vermeiden?

Eine Septembernacht in Chemnitz. Die Bahnhofstraße ist hell erleuchtet, Oper und Petrikirche baden in künstlichem Licht. Chemnitz ist kein Einzelfall. In allen großen Städten wird die Nacht zum Tage gemacht. Doch wie zuträglich so viel künstliches Licht für Mensch und Natur ist, lässt sich nicht eindeutig beantworten. 

Stadtplaner, Biologen und Ökologen gefragt

Die Biologin Anja Ruß untersucht am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig die Auswirkungen städtischer Beleuchtung auf Singvögel. Sie weiß, dass Amseln in der Stadt bis zu einem Monat früher brüten als gewöhnlich. "Das kann unterschiedliche Auswirkungen haben. Zum einen können sie dadurch mehrere Bruten im Jahr großziehen, wenn sie damit durchkommen. Zum anderen kann es passieren, dass Tiere, die so zeitig anfangen, von plötzlichen Schlechtwetterereignissen überrascht werden und diese erste Brut einfach kaputt geht.“ Weltweit steigt die Menge an künstlichem Licht um sechs Prozent pro Jahr an. Wissenschaftler sprechen von einer zunehmenden Lichtverschmutzung. Die Politik hat das Problem im Kern erkannt. So unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit vier Jahren das Projekt "Verlust der Nacht". Stadtplaner, Biologen und Ökologen untersuchen hier, welchen Einfluss die nächtliche Strahlenbelastung auf Natur, Mensch und Gesellschaft hat. 

Langfristiger Anstieg von Krankheiten

Für ein abschließendes Urteil sei es noch zu früh, aber aus der Forschung zur Schichtarbeit wisse man, dass sich künstliches Licht negativ auf die Gesundheit auswirkt, erklärt Projektleiter Franz Hölker. Es bringe die biologische Uhr des Menschen durcheinander. "Es gibt erste Untersuchungen, dass der Hormonhaushalt beeinträchtigt ist, dann kann das langfristig zur Störung des Herz-Kreislauf-Systems kommen, das Magen-Darm-Trakts, Schlafstörungen, langfristig auch eine Beeinträchtigung des Arbeitspotentials, der Konzentrationsfähigkeit bis hin eben auch zum Krebswachstum." Auch Depressionen können durch zuviel künstliches Licht hervorgerufen werden.  

Ab wann spricht man von Lichtbelastung?

Ungeklärt bleibt bisher die Frage, ab welchem Schwellenwert künstliches Licht zur Lichtbelastung wird. Der aber sei wichtig, betont Wissenschaftler Franz Hölker denn bisher arbeite der Gesetzgeber nur mit Mindestwerten für die Beleuchtung, um etwa die Verkehrssicherheit in einer Stadt zu gewährleisten. "Wir würden aber auch dafür plädieren, Obergrenzen zu entwickeln für entsprechende urbane Szenarien. Wie eine Wohngegend, wo der Schlaf des Menschen geschützt werden soll, wie eine Parkanlage oder ein Gewässer, wo lichtempfindliche Organismen geschützt werden sollen." 

Einige Lichtblicke für mehr Dunkelheit

Einige europäische Länder sind bereits aktiv geworden: Belgien schaltet seine Autobahnbeleuchtung nach Mitternacht ab, Slowenien hat ein Gesetz gegen Lichtverschmutzung verabschiedet. Aber auch die Mitteldeutschen Städte haben reagiert: Chemnitz etwa schaltet in der Nacht am Südring jeder zweite Leuchte ab, auf einem Teil der Forststraße bleibt es sogar komplett dunkel. In Leipzig werden ab 22 Uhr zwei Drittel aller Leuchten um die Hälfte gedimmt, erläutert Michael Mahler, Leiter der Leipziger Stadtbeleuchtung. Dennoch - die Stadt dürfe aus Sicherheitsgründen auf eine Grundhelligkeit nicht verzichten, weil "es nicht bloß 25-jährige Normalsichtige gibt, die keine körperlichen Beschwerden haben, sondern auch ältere Bürger und das die natürlich ordentliches Licht auf der Straße benötigen." Keine rosigen Aussichten für städtische Hobbyastronomen wie unseren Hörer. Sie werden weiterhin in einen zu hellen Sternenhimmel blicken.