Der Redakteur | 07.04.2025 Wie wurden zu DDR-Zeiten die Westkünstler bezahlt?
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Aus der Rubrik "Der Redakteur" vom 26.03.2025
07. April 2025, 15:10 Uhr
Für ihre Gastspiele in der DDR mussten West-Künstler angemessen bezahlt werden. Doch wie machte die DDR das, die nie genug Devisen hatte? Also wurden beide Seiten kreativ, um Ost-Gagen zu Westgeld zu machen.
Die Konzerttournee von Louis Armstrong durch die sozialistischen Länder 1965 sollte eigentlich ein Geschenk sein. Doch die DDR hatte ihren Stolz: Keine Geschenke von den Amis. Also lief die Angelegenheit über eine Schweizer Agentur, erzählte Karlheinz Drechsel, der "Dr. Jazz" der DDR 2011 im MDR-Interview.
Er begleitete Louis Armstrong auf dessen Konzert-Tournee durch die DDR und bekam so einiges mit, nicht alles. Die Gage zahlten die Schweizer in Dollar aus und erhielten dafür optische Geräte - die Rede ist von einem Planetarium und Antiquitäten aus der DDR. Das hörte Drechsel damals bei einem Gespräch in der DDR-Künstleragentur.
Im Mittelpunkt stand ein kleines Planetarium von Zeiss Jena für ein Privathaus.
Waffen aus Suhl und Meissner Porzellan als Bezahlung
Auch andere "Währungen" lassen sich nur episodenhaft zusammentragen, sie fügen sich aber zu einem Gesamtbild. Für die zweifelhafte westliche Unterhaltungskultur (Sie wissen schon, dieses "Yeah, yeah, yeah") - wurden auch Teile der Hochkultur des Ostens verhöckert. Hinzu kamen u.a. auch Meissner Porzellan, Waffen aus Suhl oder Musikinstrumente in allen Größen und Altersklassen.
Insoweit Dinge neu produziert worden waren, konnte man die Angelegenheit als besondere Pfiffigkeit von DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski abheften, doch das war eben leider nicht alles. Denn zu den Beschaffungsmethoden gehörte auch, Antiquitätenhändler oder Sammler gemeinsam mit den DDR-Steuerbehörden durch fingierte Verfahren um ihre Sammlungen zu bringen, um diese in den Westen zu verkaufen.
So liest es sich in einer Mitteilung des Bundesarchivs vom 21.6.2017 unter Bezugnahme auf rund 74 laufende Meter an Dokumenten von Schalck-Golodkowskis Kunst und Antiquitäten GmbH (KuA), bestehend aus Kaufverträge und Lieferpapieren und Listen eingezogener Kunstgegenstände.
Im Klartext: Man erließ so hohe Steuerbescheide, dass diese nur in Form der Gegenstände selbst beglichen werden konnten. Zur Ehrenrettung der westlichen Künstler sei angemerkt, dass sie nur einen verschwindend kleinen Teil der wie auch immer in den Besitz der KuA gekommenen Gegenstände erworben haben können. Denn die Mengen müssen gigantisch gewesen sein.
Die Einführung einer neuen Lagerordnung der KuA 1986 führte zu einer heftigen Betriebsamkeit im Zentrallager Mühlenbeck und den Außenlagern in Neufahrland (I und II), Fahrland, Satzkorn, Krohne (I und II) Schocksdorf, Schildow usw. Alleine die "Kleinware" in den Außenlagern ab 1978 umfasste demnach den Inhalt von 7.950 Faltkartons, wie aus einem Dokument im Bundesarchiv hervorgeht.
So groß wie die Münchner Olympiahalle.
Skandal im Sperrbezirk?
Wir schreiben das Jahr 1983, in der DDR ist die Rosi los. Die Spider Murphy Gang tourt im Schlepptau von Bernd Martin durch die Lande. Der spätere MDR THÜRINGEN-Moderator war damals für die DDR-Künstleragentur tätig und quasi das Mädchen für alles. Dass seine Schützlinge letztlich in Naturalien bezahlt wurden, das hatte er damals schon mitbekommen, für die Details waren aber andere zuständig.
Im offiziellen Buch der Band "Skandal" berichten die Bandmitglieder noch bereitwillig, wie ihr Band-Manager nach der Tour "rüber zu Schalck-Golodkowski gefahren" war und in riesigen Hallen, so groß wie die Münchner Olympiahalle "billigst wertvolle Antiquitäten" eingekauft hat. Konzertflügel und andere Wertgegenstände. Die ausgezahlte Gage in DDR-Mark wurde zwischendurch in Plastetüten aufbewahrt.
Der "Stern" schrieb - von der Stasi sauber abgeheftet - von "gebrauchten Pianos, zwei Flügeln und kostbaren Goethe- und Schillerausgaben". Heute redet man nicht mehr gern darüber. Echte Berührungspunkte mit diesen Zahlungsmitteln hatte Bernd Martin nur bei seiner Tourbegleitung von Nana Mouskouri, der Schlager-Diva war der angebotene Blütner-Flügel nicht neu genug und Bernd Martin hatte große Schwierigkeiten, sie dennoch zum Auftritt zu bewegen.
Sie wollte den Flügel nicht, weil es ein restaurierter Flügel war, der eigentlich viel mehr wert war als ein neuer.
Wer hat die denn reingelassen?
Nun war Strippenzieher Alexander Schalck-Golodkowski bekanntlich Oberst im Ministerium für Staatssicherheit (MfS), das hieß aber nicht, dass in "seiner" Firma alle eingeweiht waren. Offensichtlich hatten die Zuträger der Hauptabteilung VII von etwas Wind bekommen. Die Abteilung war die Schnittstelle zwischen dem Ministerium für Staatssicherheit und dem Ministerium des Innern.
Der Abteilung 13 unter Oberstleutnant Strauch war 1984 - also im Jahr nach der Tour - bekannt geworden, dass rund um die Spider Murphy Gang "spekulative Transaktionen mit Antiquitäten und Musikinstrumenten" geplant seien. Man möge doch bitte überprüfen, wer Anstrengungen unternommen hat, diese "Rockgruppe vertraglich in der DDR zu binden". Skandal im Sperrbezirk!
MDR (ifl)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 07. April 2025 | 16:40 Uhr
Untertan vor 2 Wochen
Ein Beweis mehr, das die DDR unorthodoxe Wege gegangen ist, um ihre Bevölkerung auch an internationaler Kultur teilhaben zu lassen. Mich persönlich hat Spider Murphy Gang oder Herr Lindenberg nie interessiert.
Pattel vor 2 Wochen
Das ist reale Geschichte. So handeln die großen Genossen was viele kleine ermöglichten.
Sozialistische Marktwirtschaft oder Seelenverkäufer.