Meinung von Alexander Laboda zu den Asylplänen von Friedrich Merz
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KommentarAbstimmung zur Migration: Merz undurchdacht, Scholz heuchlerisch

30. Januar 2025, 22:49 Uhr

Verlierer der gemeinsamen Abstimmung von Union und AfD im Bundestag ist die Demokratie. CDU-Chef Merz sendet ein Signal mit fatalen Folgen insbesondere in Ostdeutschland. Doch auch Kanzler und SPD tragen schwere Schuld, kommentiert MDR-AKTUELL-Autor Alexander Laboda.

Zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg ist im Deutschen Bundestag ein Entschluss nur mit Hilfe der Stimmen von Rechtsradikalen zustande gekommen. Verlierer des Trauerspiels, das am Mittwoch im Plenarsaal gegeben wurde, sind alle Demokraten. Einziger Sieger sind die Extremisten, allen voran die hierzulande als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD.

Präzedenzfall für Landes- und Kommunalpolitik

Dass er selbst nicht zu den Gewinnern des Tages gehörte, verstand am Ende auch CDU-Chef Friedrich Merz. Als das Ergebnis verkündet wurde, jubelten er und seine Fraktion nicht. Nur die AfD feixte. Merz hat ein schreckliches Fanal gesetzt. Nicht umsonst rief die AfD eine neue Zeit aus. Wenn eine gemeinsame Mehrheit von Konservativen und Rechtsnationalen einmal möglich ist, kann es wieder passieren. Die sogenannte Brandmauer hat jetzt ein riesiges Loch.

Es geht ja nicht nur um die Bundespolitik. Die Botschaft strahlt ins ganze Land, in jeden Stadtrat und Kreistag, in die Länderparlamente. Gerade bei uns in Ostdeutschland, wo sich Konservative und Rechtspopulisten näher stehen als anderswo im Land, wird dies als Präzedenzfall angeführt werden. In Zukunft werden öfter Anträge zu Abstimmung stehen, für die sich auch ohne offizielle Absprache oder Zusammenarbeit eine schwarz-blaue Mehrheit findet.

Merz hat nicht zu Ende gedacht

Die CDU fügte der Demokratie diesen Schaden sehenden Auges zu. Spitzenkandidat Merz musste wissen, dass SPD und Grüne seinen "Friss oder Stirb"-Anträgen schon aus Prinzip nicht zustimmen werden, von den schwerwiegenden europa- und verfassungsrechtlichen Bedenken einmal abgesehen. Merz handelte zudem ohne jede Not. In wenigen Wochen ist Wahl, vor dem Tabubruch führte er die Umfragen haushoch an. Seine Forderungen hätte er zunächst mal bei den Wählerinnen und Wählern zur Abstimmung stellen können. Das einzige, was er politisch gewonnen hat, ist ein wirkungsloser Entschließungsantrag.

Merz' Intimfeindin Angela Merkel war dafür bekannt, die Dinge bis zum Ende zu durchdenken. Das geht dem aktuellen CDU-Frontmann offenbar vollkommen ab. Sein Wahlkampfmanöver könnte ihm in den kommenden Wochen massiv schaden. Liberale Konservative werden nun womöglich lieber ihr Kreuz bei SPD oder Grünen machen. Auf der anderen Seite wird er kaum Wähler von der AfD zur Union ziehen. Alle Analysen und wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen es seit Jahren: Wer die Themen der Rechtspopulisten bespielt – noch dazu in dieser theatralischen, hochemotionalen Weise – stärkt die Rechtspopulisten. Übrigens: Die sonst so zurückhaltende Merkel kritisierte Merz für sein Vorgehen am Donnerstagmorgen in einer schriftlichen Erklärung.

Pose von Scholz heuchlerisch

Olaf Scholz und die SPD haben ihre Chance sofort erkannt. Der amtierende Kanzler stellte sich als Verteidiger von Anstand und Moral dar, als Bollwerk der politischen Mitte. Diese Rolle wird er nun bis zum Wahltag weiter spielen. Schon gestern plakatierte die SPD "Mitte statt Merz". Doch diese Pose ist unsäglich. SPD und auch Grüne sind keineswegs so moralisch überlegen, wie sie sich inszenieren. Es ist heuchlerisch, die Debatte nun auf Merz' Fehlleistungen zu verengen und darüber von den eigentlichen Problemen abzulenken.

Die SPD steht seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen in der bundespolitischen Verantwortung. In dieser Zeit ist es nie gelungen, die Asyl- und Zuwanderungspolitik befriedigend zu ordnen. Ebenso wenig stellten die verschiedenen Bundesregierungen nachhaltig innere Sicherheit im Land her. Niemand möchte heute noch hören, wieso diese Abschiebung nicht durchgeführt wurde (Aschaffenburg) oder jener Täter den Sicherheitsbehören durchs Raster fiel (Magdeburg). Er sei es leid, sagte der Kanzler. Wir alle sind es.

Zeit läuft ab

Die Bevölkerung erwartet von den demokratischen Parteien, dass die Probleme gelöst werden. Wenn es um Fragen der beschriebenen Tragweite geht, müssen die staatstragenden Volksparteien CDU und SPD zusammen wirksame Kompromisse erzielen. Sonst werden sie den Staat bald nicht mehr tragen. Es ist noch nicht zu spät, damit anzufangen. Freitag steht die nächste Abstimmung zum Thema an.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL Fernsehen | 30. Januar 2025 | 19:30 Uhr

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