Gesetzesänderung beschlossenFlüchtlingsrat hält neues Aufnahmegesetz für rechtswidrig

28. März 2025, 10:31 Uhr

Der Landtag hat das Aufnahmegesetz für Flüchtlinge geändert. Behörden und Sicherheitsfirmen dürfen damit künftig die Wohnräume in Gemeinschaftsunterkünften betreten, wenn Sicherheit und Ordnung dies erfordern. Aus Sicht von Flüchtlingsrat und Linken-Fraktion verstößt dies gegen das Grundgesetz.

Sachsen-Anhalt hat die Regeln für die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen angepasst. Die Landesregierung legte dem Landtag dafür am Donnerstag eine Neufassung des Aufnahmegesetzes vor. Sie wurde mit den Stimmen der Koalition aus CDU, SPD und FDP beschlossen. Linke, Grüne und AfD stimmten dagegen.

Unter anderem erhalten Behörden und private Sicherheitsfirmen mit den Änderungen das Recht, die Zimmer in Gemeinschaftsunterkünften auch gegen den Willen der Bewohnerinnen und Bewohner zu betreten. Ziel dessen sei, die Sicherheit und Ordnung in den Einrichtungen aufrechtzuerhalten. Für die Nachtzeiten gelten dabei strengere Voraussetzungen.

Wie Bildungsministerin Eva Feußner stellvertretend für Innenministerin Tamara Zieschang (beide CDU) im Plenum ausführte, geht es dabei jedoch nicht um Durchsuchungen zum Zweck von Abschiebungen, hierfür gelte weiterhin Bundesrecht.

Dass das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung durch die Änderung eingeschränkt wird, räumten die Vertreter der Landesregierung während der Debatte im Landtag ein. Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt hält genau das allerdings für rechtswidrig und appellierte im Vorfeld an die Landtagsabgeordneten, der Änderung des Aufnahmegesetzes nicht zuzustimmen.

Linke: "Wird von uns heftig kritisiert"

Die Regelungen und ebenso bereits bestehende Hausordnungen in den Unterkünften suggerierten Befugnisse für Sicherheitsdienstleister, die nicht vom Grundgesetz gedeckt seien. Dies sei auch das Ergebnis eines eigens in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens.

Genauso beurteilen das Linke und Grüne im Landtag. "Dass insbesondere private Sicherheitsdienste ermächtigt werden, die Räume einfach zu betreten, wird von uns heftig kritisiert", sagte Stefan Gebhardt (Linke). Der Staat sei verpflichtet, hoheitliche Aufgaben nicht an Dritte zu übertragen, je stärker Grundrechte davon betroffen seien. Noch dazu sei die Regelung diskriminierend, da sie ein Grundrecht nur für eine ganz bestimmte Gruppe von Menschen einschränke – nämlich Flüchtlinge.

AfD: "Dient nur Symptombehandlung"

Sebastian Striegel (Grüne) sagte, das Gesetz setze die konsequente Aushöhlung der Grundrechte von Flüchtlingen fort. "Stellen Sie sich vor, der Hausmeister käme in Ihre Wohnung, um das ordnungsgemäße Lüften zu kontrollieren", so Striegel. Das Gesetz gehe zudem nicht die Herausforderungen an, sondern verstärke sie. So sei etwa auch der Schutz vulnerabler Gruppen in Gemeinschaftsunterkünften nicht ausreichend festgeschrieben worden.

Auch die AfD lehnte das Gesetz ab, allerdings aus anderen Gründen: "Es dient nur der Symptombehandlung, es verhandelt die Zuwanderung, aber beschränkt sie nicht", begründete Christian Hecht. Das einfachere Betreten der Zimmer begrüßte er hingegen.

Koalition verteidigt Regelung

Guido Kosmehl (FDP), erinnerte Hecht daran, dass ein Aufnahmegesetz nicht das Ziel verfolge, Migration zu beschränken. "Wenn Sie nicht das Asylrecht streichen, braucht es Regeln, wie man mit den Menschen umgeht, die gekommen sind. Dafür braucht es ein Aufnahmegesetz." Die Kritikpunkte von Linken und Grünen wies Kosmehl zurück. Es sei möglich, Grundrechte auch einzuschränken, zudem bestehe ein Unterschied zwischen einer Wohnung und einem Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft.

Tobias Krull (CDU) bekräftigte, dass es notwendig sei, die Zimmer betreten zu dürfen, um Sicherheit und Ordnung in den Unterkünften aufrecht zu erhalten sowie zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner selbst. Die SPD-Fraktion griff inhaltlich nicht in die Debatte ein, sondern bat den Landtag nur um Zustimmung.

Klagen gegen Gesetz angekündigt

Der Flüchtlingsrat hatte bereits vorab angekündigt, Betroffene bei Klagen gegen das neue Betretungsrecht zu unterstützen, sollte dieses beschlossen werden. Die Linken-Fraktion schloss darüber hinaus eine Beschwerde beim Landesverfassungsgericht nicht aus.

Anpassung an Bundes- und Europarecht

Grundlegendes Ziel der Gesetzesänderung ist laut Landesregierung, das bestehende Aufnahmegesetz an Änderungen des Bundesrechts sowie Vorgaben des Europarechts anzupassen und Regelungslücken im Gesetz zu schließen. Unter anderem werden bestimmte Gruppen von Geflüchteten mit unterschiedlichem Schutzstatus künftig ins Gesetz aufgenommen und explizit genannt.

Hinzu kommt die Neuregelung, dass auch Integrationsgesichtspunkte bei der Zuweisung bleibeberechtigter Ausländer in die Landkreise und kreisfreien Städte berücksichtigt werden müssen. Per Gesetz haben künftig Wohlfahrtsverbände, Flüchtlingshilfeorganisationen und –vereine sowie Familienangehörige Zugang zu den Gemeinschaftsunterkünften.

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MDR (Daniel Salpius)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 27. März 2025 | 08:00 Uhr

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