Lokomotove
Der DDR-Schnellzug VT 18.16 soll wieder durch Europa fahren. Im August sind erste Probefahrten geplant. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Meilenstein "Hochzeit" geschafft Nach 20 Jahren Abstellgleis: DDR-Schnellzug VT 18.16 wird in Halberstadt wiederbelebt

05. März 2024, 09:32 Uhr

Er ist ein Stück ostdeutscher Zeitgeschichte – jetzt soll der DDR-Schnellzug VT 18.16 wieder fahren. Der Zug, der vor 20 Jahren auf das Abstellgleis rollte, wird derzeit in Halberstadt restauriert. Für seine Wiederbelebung in der Werkstatt ist nun ein Meilenstein ins Rollen gekommen: die "Hochzeit".

Swen Wudtke
Bildrechte: MDR/Swen Wudtke

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Etwa drei Meter über dem Boden schwebt einer der Triebköpfe in der riesigen Montagehalle. Millimeterweise und unter peniblen Blicken der Bahntechniker geben die Hebebühnen nach. Wie im Automobilbau, wenn sich Karosserie und Motor vereinigen, wird der erste frisch lackierte Triebwagen auf seine Drehgestelle herabgelassen. Die Drehgestelle sind quasi das Chassis mit Achsen, das einen Zwölf-Zylinder-V-Motor trägt.

Die Prozedur dauert etwa zehn Minuten. Dann steht der VT 18.16 auf eigenen Rädern. Der 1.000 PS starke Dieselmotor ist im Bauch des Triebkopfes verschwunden. Die Hochzeit der Großkomponenten sei ein ganz bewegender Moment, sagt Mario Lieb, Chef der gemeinnützigen GmbH SVT Görlitz, die das Projekt seit Jahren akribisch vorantreibt.

"Wirklich überwältigend, wie sich das Oberteil ganz langsam abgesenkt hat und nun die Drehgestelle wieder mit 36 Tonnen Stahl belastet", sagt Lieb. Die große Freude gelte der jahrelangen Arbeit, die nun Schritt für Schritt zu einem großen Erfolg führe.

Wirklich überwältigend.

Mario Lieb, Chef der gemeinnützigen GmbH SVT Görlitz, über die "Hochzeit"

DDR-Schnellzug wird nach 20 Jahren auf dem Abstellgleis restauriert

Ein Stück ostdeutscher Zeitgeschichte wird so Schritt für Schritt in Halberstadt zu neuem Leben erweckt. Der prestigeträchtige VT 18.16, ein elfenbeinfarbener und purpurrot flankierter DDR-Schnellzug mit bullig spitzer Schnauze, wurde in den 1960er-Jahren gebaut.

Vor 20 Jahren rollte er schließlich auf das Abstellgleis. Mit seiner Restaurierung in Halberstadt kam es nun bei der Verkehrs Industrie Systeme GmbH (VIS), ehemals Reichsbahnausbesserungswerk, zu einem Meilenstein: der sogenannten "Hochzeit", das Herablassen des Triebkopfes auf die Drehgestelle.

"Alles originale Zeitzeugen": Ein Zug voller DDR-Flair

Während der zweite Triebkopf in der Lackiererei gerade seine Grundierung bekommt, steht einer der insgesamt vier Mittelwaggons schon fertig parat. Außen zeigt er sein Gesicht in Originalfarben, innen versprüht er den Charme der 1970er- und 1980er-Jahre. Die Abteile sind ausgelegt mit neuem Teppich, die braunen Wandvertäfelungen wurden aufgemöbelt, selbst Details wie die eiförmigen Scharnieraschenbecher erinnern an Zeiten der Deutschen Reichsbahn in der DDR.

"Es sitzt sich hervorragend", sagt Marco Schumann. Der VIS-Marketingchef hat es sich gemütlich gemacht und streicht mit seiner Hand über die roten Polsterbezüge. "Die sind natürlich neu. Aber schauen Sie, die Fensterkurbel, die Sitznummern, der gravierte DR-Spiegel – alles originale Zeitzeugen."

Erste Probefahrten des DDR-Zuges im August geplant

In einem anderen Mittelwagen herrscht dagegen blanke Baustelle. "Hier kommt, wie früher, das Bordrestaurant rein", sagen Harald Bohm und Werner Hieke. Für die SVT Görlitz gGmbH engagieren sich beide in ihrer Freizeit ehrenamtlich für den VT 18.16.

"Mensch, früher habe ich den Schnellzug fahren sehen. So etwas muss doch erhalten bleiben", erinnert sich Hieke und schraubt zugleich an der Fensterverkleidung. Und sein Kumpel Bohm ergänzt: "Andere spielen mit einer Modelleisenbahn, wir spielen hier mit einer richtigen Eisenbahn."

Und es bleibt bei dem "Spielzeug" noch jede Menge zu tun. Es müssen Türen, Elektrik, Toiletten oder die Bordküche auf Vordermann gebracht werden – genauso natürlich die Lok-Aggregate. "Wenn alles klappt", sagt Mario Lieb, "könnten die ersten Probefahrten vielleicht im August starten." Die seien dann zwar nicht öffentlich, aber mit ein bisschen Glück lasse sich zwischen Halberstadt und Ilsenburg bestimmt ein Blick auf den restaurierten Zug erhaschen.

Andere spielen mit einer Modelleisenbahn, wir spielen hier mit einer richtigen Eisenbahn.

Harald Bohm, ehrenamtlicher Helfer bei der Wiederbelebung des DDR-Schnellzuges

Große Pläne für Sonderfahrten: DDR-Schnellzug soll durch Europa rollen

Danach soll der VT 18.16 keineswegs ins Museum rollen. "Wir planen bis zu 50 Nostalgie-Sonderfahrten jährlich", malt der SVT-Görlitz-Geschäftsführer ein Bild der Zukunft für den VT 18.16. Ein Zug für Mitteldeutschland – Botschafter der Region in Deutschland und Europa: So wirbt die gemeinnützige Gesellschaft dafür, das Projekt langfristig wirtschaftlich betreiben zu können.

Mario Lieb zufolge gibt es aktuell Zulassungen für Deutschland und die Tschechische Republik. "Wir arbeiten aber auch daran, in die Slowakei und nach Österreich fahren zu können. Und perspektivisch könnte es vielleicht auch wieder nach Skandinavien gehen", sagt Lieb.

Für den VT 18.16 wäre all das kein Neuland. Wien, Kopenhagen und Malmö waren schon zu DDR-Zeiten Ziele des Prestige-Schnellzuges. Nach seiner Wiederbelebung soll der jedenfalls in Dresden stationiert werden und von dort aus zu seinen Sonderfahrten starten.

Berlin: Reisende schauen sich am 08.03.2002 des Dieseltriebzug VT 18.16, Typ Görlitz, im Rahmen einer Präsentationsveranstaltung der Deutschen Bahn AG für Nostalgiereisen beim Halt auf dem Berliner Ostbahnhof an. Der 1963 in der ehemaligen DDR gebaute, 140 Kilometer pro Stunde schnelle sechsteilige Zug wird vor allem für Sonderfahrten genutzt, kann aber auch für private oder geschäftliche Zwecke gechartert werden. Der Expresszug fuhr in den 60er Jahren als "Vindobona" zwischen den Metropolen Berlin, Prag und Wien.
Präsentation des VT 18.16 in Berlin (2002) Bildrechte: picture-alliance / ZB | Karlheinz Schindler

Geschichte der Schnellverbrennungstriebwagen (SVT) Die Triebwagen der Baureihe VT 18.16 "Görlitz" wurden zwischen 1963 und 1968 beim VEB Waggonbau in Görlitz montiert. Insgesamt waren bis zu acht Züge im Einsatz. Alle waren in Berlin stationiert. Sie erreichten Höchstgeschwindigkeiten bis 160 Kilometer pro Stunde. Eingesetzt wurden die Triebzüge mit bis zu vier Mittelwagen - mit den beiden Triebköpfen sechsteilig - entsprechend der Nachfrage. Züge mit Fährpassage nach Skandinavien waren stets vierteilig unterwegs, damit sie auf die Fährschiffe passten. Bei der Deutschen Reichsbahn hieß die Baureihe später 175, bei der DB AG im historischen Betrieb 675.

MDR (Swen Wudtke, Daniel George, Lars Müller) | Erstmals veröffentlicht am 02.03.2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 03. März 2024 | 19:00 Uhr

18 Kommentare

Dermbacher am 04.03.2024

Die Restaurierung des Zuges wird von einer gemeinnützigen GmbH durchgeführt und von ehrenamtlichen Mitarbeitern, Fahrpreise wie sie jetzt auf der Internetseite der gemeinnützigen GmbH zu finden von ca 1000 € für vier Tage, dies finde ich doch sehr übertrieben!

Dermbacher am 04.03.2024

Auf den Seiten der gemeinnützigen GmbH die den Zug restauriert, gibt es schon Reiseangebote für den Zug mit ca 1000 € sind Sie dabei! Und wie viel kostet jetzt noch einmal eine Fernreise in Deutschland?

Dermbacher am 04.03.2024

Ich habe auf den Seiten der gemeinnützigen GmbH von denen der Zug restauriert wird, Reiseangebote gefunden und bei ca 1000 € für vier Tage sind Sie dabei!

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