Von Metal zu "Morgenrot" Wie ein Heavy-Metal-Fan den ältesten Chor in Salzwedel aufmischt
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15. April 2025, 15:23 Uhr
Als der 45-jährige Marcel Rivinius gefragt wird, ob er den ältesten Salzwedeler Chor leiten möchte, hält er erst einmal inne. Er, der Metal-Fan, soll einen 175 Jahre alten Chor leiten und Volkslieder singen? Marcel Rivinius sagt Ja. Mittlerweile fühlt er sich pudelwohl. Sein gestecktes Ziel: Vielfalt wagen, ohne die Wurzeln zu vergessen.
Der gemischte Chor Concordia stand vor dem Aus. Denn: Es gab keinen Leiter mehr. Doch dann trafen sie ihn: Marcel Rivinius. Der Salzwedeler ist seit etwa einem halben Jahr der neue Mann am Taktstock – und dazu noch Heavy-Metal-Fan. Wie passt das zusammen?
Wie ein schräger Zufall zur Erfolgsstory wurde
"Ach herrje, wie komme ich aus der Nummer wieder raus?" – Das war der erste Gedanke des 45-Jährigen, als der Concordia-Chor ihn fragte, ob er nicht ihr neuer Leiter werden wolle. Eigentlich sollte er nur beim Siedlerfest in Salzwedel für eine Kollegin einspringen, um ein paar Kids aus dem Kindergarten zu dirigieren, in dem er arbeitet. Doch die Sache nahm Fahrt auf: Der Chor war begeistert – und Marcel Rivinius stand plötzlich vor einer Entscheidung. Er, der Metal-Fan mit Gitarrenerfahrung und wenig Bezug zu Volksliedern. Und ein Chor, der auf eine 175-jährige Geschichte zurückblickt und "Die Gedanken sind frei" genauso ernst meint, wie er es singt.
Ein Neuanfang mit Anlauf und Rückhalt
"Ich wollte eigentlich absagen", erinnert sich Rivinius. "Aber meine Partnerin meinte: 'Mach das!' Und ich bin ihr heute sehr dankbar dafür." Denn mittlerweile fühlt er sich bei seinen Oldies, wie er die Mitglieder liebevoll nennt, pudelwohl.
Ich hatte richtig Bammel vor der ersten Probe.
Der Einstieg war allerdings alles andere als leicht: "Ich hatte richtig Bammel vor der ersten Probe." Das war allerdings unbegründet. Denn die Sänger – im Schnitt rund 60 Jahre alt – nahmen ihn herzlich auf. Mittlerweile ist er fester Bestandteil der Chorgemeinschaft und bringt eine ganz neue Dynamik mit.
Von "Zauber der Nacht" bis "1.000 Träume weit"
Alte Klassiker stehen nach wie vor im Programm: "Abschied vom Walde", "O kam das Morgenrot herauf". Aber jetzt auch: Anna-Maria Zimmermann und "Sound of Silence" (gesungen auf Deutsch). Außerdem plant Rivinius, auch Lieder von Peter Maffay mit aufzunehmen.
Das alte Liedgut soll bestehen bleiben. Aber es muss sich auch weiterentwickeln.
Die Richtung ist klar: Vielfalt wagen, ohne die Wurzeln zu vergessen. "Das alte Liedgut soll bestehen bleiben. Aber es muss sich auch weiterentwickeln." Es soll ein Mix aus Alt und Neu werden.
Neue Klänge, neue Technik, neue Motivation
Nicht nur das Repertoire hat sich erweitert – auch die Ausstattung. Zum alten Klavier gesellten sich Keyboard und Gitarre. Mikrofone, Mischpult und Boxen sind in Planung. "Wir müssen mit der Zeit gehen", ist der 45-Jährige überzeugt. Dabei überstürzt er aber nichts – Stück für Stück. Wandel braucht seine Zeit. Und sein Vorgehen kommt an.
Marianne Krümmel, seit Jahren dabei, sagt: "Ich war erst skeptisch, aber er ist eine Perle. Und was er sich ausdenkt, ist gar nicht so verrückt – man kennt die Lieder ja wenigstens!" Auch Christiane Hame, langjährige Vorsitzende, sieht im Wandel eine Chance: "Wir müssen auch im Alter neugierig bleiben. Nur so kann der Chor bestehen."
175 Jahre Gesangstradition in Salzwedel Der gemischte Chor Concordia ist einer der ältesten Chöre in Salzwedel. Gegründet wurde er 1850, als 35 Männer dem verstorbenen Friedrich Wilhelm August Daniel Kuhl musikalisch die letzte Ehre erwiesen. Damals noch unter dem Namen "Liederkranz", entwickelte sich der Chor stetig weiter, der Name wurde oft gewechselt. Über "Männer-Gesang-Verein Perver" bis hin zu "Männerchor Concordia". 1972 wagte der Chor den Schritt vom Männer- zum gemischten Chor, als erstmals fünf Frauen beitraten.
Das soll auch Nachwuchs anziehen. Ihr jüngstes Mitglied, Michel Schwarz, jedenfalls ist begeistert: "Ich finde das tatsächlich persönlich gut, dass so ein Chor, der ja sehr lange besteht, auch neuere Lieder singt." Sein Highlight: "Sound of Silence".
Nächstes großes Ziel: das Jubiläum
Am 6. September wird dann gefeiert: 175 Jahre Concordia – mit Auftritten anderer Chöre, Kaffee, Kuchen und natürlich einem Konzert des Vereins selbst. Und bis dahin? Proben, lachen, weiterentwickeln. Und vielleicht doch schon mal mit dem Gedanken spielen: Wie klingt eigentlich "Engel" im Chorsatz?
MDR (Lydia Zahn, Sebastian Gall)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 14. April 2025 | 14:40 Uhr