Tierschutz-Debatte Bärengraben Schloss Torgau: Mittelalter oder gutes Leben für Bea und Benno?
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10. November 2023, 04:00 Uhr
Die Bärenhaltung in Torgau ist älter als das Schloss Hartenfels. Generationen sind mit den Bären aufgewachsen. Die Tiere gehören zur Identität der Stadt. Doch Tierschützer kritisieren die Haltung in dem kleinen Schlossgraben und sprechen von mittelalterlichen Zuständen.
- Der Landkreis Nordsachsen stellt die Bärenhaltung auf Schloss Hartenfels nicht infrage.
- Die Tiere dienen Tierparks nur als Zoo-Maskottchen, sagt die Stiftung für Bären und nennt ein Positivbeispiel.
- Die Tierschutzorganisation Peta spricht von Tierquälerei und Stress für die Braunbären.
Kalter Herbstwind wirbelt Blätter auf der Brücke vor Schloss Hartenfels in Torgau auf. Eine Familie mit zwei Kindern schaut von der Brücke hinunter zu den Bären Bea und Benno im Schlossgraben. Viele Blumen liegen vor einer Gedenktafel am Brückengeländer, auf der eine Braunbärin abgebildet ist. Jette war Ende Oktober im für einen Braunbären hohen Alter von 35 Jahren gestorben. Schloss Hartenfels ist für die Torgauerinnen und Torgauer eng mit den Bären verbunden. Seit mehr als 500 Jahren gibt es hier Bärenhaltung - länger, als es das heutige Schloss gibt.
Und das soll auch in Zukunft so bleiben, sagt der stellvertretende Landrat des Landkreises Nordsachsen, Jens Kabisch (SPD). Er ist für die Bärenpflege oberster Verantwortlicher.
Wir stellen die Bärenhaltung in Torgau nicht infrage, weil wir hierfür keinen Grund sehen.
Besonders häufig spricht Kabisch von Tradition in Zusammenhang mit den Bären. Zur Tradition gehört auch das jährliche Frühlingserwachen, bei dem Kinder die Braunbären aus ihrem Winterschlaf rufen. Doch muss die Tradition um ihrer selbst willen erhalten werden? Für Kabisch steht fest: "Wir stellen die Bärenhaltung in Torgau nicht infrage, weil wir hierfür keinen Grund sehen."
Artgerechte Tierhaltung nicht möglich
Ein Junge steht auf der Schlossbrücke. Er schaut in den Bärengraben und lacht, als sich Bär Benno hinsetzt, Männchen macht und nach oben schaut. Die Braunbären Benno und Bea sind zehn Jahre alt und stammten aus einem überfüllten Bärengehege in Nordrhein-Westfalen, sagt der ehrenamtliche Geschäftsführer der Stiftung für Bären, Rüdiger Schmiedel. Er hatte Bea und Benno 2015 nach Torgau vermittelt. Schmiedel habe damit verhindern wollen, dass die Bärenzucht in Torgau wieder aufgenommen wird, sagt er.
Auch wenn man versuche, es den Bären in Torgau so angenehm wie möglich zu machen, halte er das Bärengehege alles andere als optimal. Schmiedel lebt aktuell in Baden-Württemberg, kenne aber den Torgauer Bärengraben. Er habe vor 20 Jahren in Torgau Vorschläge für eine artgerechtere Umgestaltung des Geheges gemacht, die aber von den Verantwortlichen abgelehnt worden seien.
Solche Gehege seien ohnehin nur begrenzt tiergerecht umgestaltbar, sagt Schmiedel. "Eine artgerechte Wildtier- und Bärenhaltung kann und wird es nie geben", betont er. Artgerechte Haltung gebe es nur in freier Natur. Ein Tier in Gefangenschaft könne höchstens verhaltensgerecht gehalten werden. Das heißt: Die Gehege nach Bedarf und der natürlichen Umwelt der Tiere auszurichten und vor allem den Bären mehr Platz einzuräumen.
Zoo-Maskottchen: Stiftung hält Bärenhaltung für Mittelalter
Überhaupt hält es Schmiedel für unnötig, Bären in Gefangenschaft zu halten, um ihre Art zu erhalten. "Diese Tiere sind nicht vom Aussterben bedroht." Für Zoos und Tierparks erfüllten die Tiere nur einen Zweck: als Publikumslieblinge herzuhalten. Dafür findet Schmiedel deutliche Worte: "Keine Bärenhaltung in Zoos, Tierparks oder Bärengräben ist zeitgemäß. Das ist Mittelalter." Für Schmiedel sei vor allem die Situation der Bären in Torgau wichtig. Er ist dafür zum Austausch bereit.
Keine Bärenhaltung in Zoos, Tierparks oder Bärengräben ist zeitgemäß. Das ist Mittelalter.
Schmiedel nennt als Positivbeispiel den Bärenpark in Worbis in Thüringen. Er hatte den Park in den 1990er-Jahren mitbegründet. In dem Park leben acht Bären in einer natürlichen Umgebung mit Wäldern, Bergen und Bächen. Dort haben acht Bären Schmiedel zufolge 15 Hektar Platz, was 150.000 Quadratmetern entspricht. Im Torgauer Bärengraben sind es für die zwei Bären laut Bärenverantwortlichen Jens Kabisch insgesamt etwa 1.500 Quadratmeter.
Bärenpflegerin: Tieren geht es gut, sie sind gesund
Doch die Fläche sei nicht entscheidend, meint Kabisch. "Den Tieren geht es gut. Sie zeigen keine Verhaltensauffälligkeiten", sagt er. Für ihn ist ausreichend, dass der Bärengraben Torgau Zoostandards erfülle. Zudem werde das Gelände aus seiner Sicht mit Stämmen und Spielgeräten jährlich bärenfreundlich ausgestattet.
Auch Heide Grieser sieht Bea und Benno gut versorgt. "Den Bären geht es gut und sie sind gesund," sagt die 55-Jährige, die sich seit 2018 um die Braunbären kümmert. Den Tieren werde nicht langweilig, da die sie etwa täglich verstecktes Futter suchen müssten. Es sei auch normal, wenn sich die Bären nicht ständig bewegten: "Auch ein Tier in der Wildbahn liegt viel herum." Mehr Platz sei für die beiden Bären nicht das Entscheidende, meint Grieser. Wichtiger sei ausreichende Beschäftigung.
Peta: Quälerei und Stress für Tiere
Dem widerspricht Yvonne Würz von der Tierschutzorganisation Peta. "Derartige Bärenhaltungen in Gräben oder Zwingern sind niemals artgemäß", sagt die Biologin. Die Bären könnten sich in solchen Gehegen nicht ausreichend bewegen und ihrem natürlichen Verhalten nachgehen. Um Bären eine ansatzweise artgemäße Haltung zu ermöglichen, bräuchte es mehrere tausende Quadratmeter pro Bär in naturnaher Umgebung.
Wir appellieren an die Verantwortlichen, dass sie diese Tierquälerei aus vermeintlicher Tradition beenden.
Kritisch sieht Würz auch, dass die Bären in der Grube nichts anderes als Mauern um sich sehen könnten. Der Blick der Schlossbesucher von der Brücke sei problematisch: "Das kann die Tiere enorm stressen." Zum Wohle der Tiere wäre es besser, wenn sie in einem Bärenpark wie Worbis leben könnten, sagt Peta-Sprecherin Würz: "Wir appellieren an die Verantwortlichen, dass sie diese Tierquälerei aus vermeintlicher Tradition beenden."
(phb/bbr)