Traumjob Schauspieler? Der harte Weg auf die Theaterbühne
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24. Februar 2024, 12:00 Uhr
Auf der Bühne in verschiedene Rollen schlüpfen und die Menschen begeistern: Schauspieler ist für viele Menschen ein Traumjob. Doch die Ausbildung ist fordernd und die Chancen auf eine feste Stelle gering. Wir haben zwei Schauspielschüler der Hochschule für Musik und Theater Leipzig bei einer Probe und ihrem Auftritt begleitet.
Luca-Noél klappert vor dem Spiegel mit seiner Requisite, einer Art Klatsche. Ein letzter Blick aufs Handy, raus auf die Bühne. Acht Schauspielstudenten der Hochschule für Musik und Theater Leipzig umarmen sich, drehen sich im Kreis und brüllen ihr Motto: "Rock on, Namasté!" Dann Dunkelheit – und rund 107 erwartungsvolle Augenpaare im Publikum.
An diesem Dienstagabend um 20 Uhr spielen jeweils zwei Nachwuchsdarsteller in der "Diskothek"-Bühne des Schauspiels Leipzig klassische Dialog-Szenen. Auch Luca-Noél Bock (28) und Bruno Akkan (23) treten auf, als Gott Merkur und Sosias in Heinrich von Kleists Version von "Amphitryon".
Warum Schauspieler werden?
Ihre Szene dreht sich um Fragen zu Rolle und Identität – quasi ein Abbild des Berufes. Denn einer der großen Reize des Schauspiels ist es, in verschiedene Charaktere einzutauchen. "Auf der Bühne kann ich Sachen machen, die ich sonst nicht kann: Alles zusammenschreien und mich anschreien lassen – wie heute zum Beispiel", erklärt Bruno seine Faszination für den Traumjob. Denn er bekommt heute die Wut seines Spielpartners ab.
Die Bühne ist – bis auf ein kleines Feld Backsteinmauer – schwarz. Von der Decke hängen Ketten wie Stalaktiten herunter, in der linken Ecke zeigen gleich zwei Hinweisschilder dicht nebeneinander den Notausgang. Die beiden Mimen tragen bei ihrem Auftritt lockere Poloshirts, Tennissocken, Blondhaarperücken, dazu gelbe Stirn- und weiße Schweißbänder.
Letztere brauchen sie auch, denn ihre Szene ist ein Kraftakt: Mal belauern, mal provozieren sie sich, dann fuchteln sie dicht gedrängt aneinander mit den Armen wie ein mythologisches doppelköpfiges Ungeheuer. Die Stimmen schwanken zwischen gewaltig bis süffisant, die Gesichtsausdrücke pendeln zwischen verbissen bis erlöst. Stille, dann peitschen wieder Sätze durch den Raum, die symbolisch auch für den Beruf stehen können: "Von welchem Stand bist du?" – "Bin ich Herr oder Diener?"
Ausbildung fürs Theater: Viele Proben, kaum Privatleben
Die auf der Bühne sichtbare Anstrengung des Darstellerdaseins zeigt sich auch schon in der Ausbildung am Schauspielinstitut "Hans Otto". Bruno erzählt: “Das kann manchmal sehr existenziell sein. Die ersten zwei Jahre sind extrem geballt, wo du teilweise von neun Uhr morgens bis zehn Uhr abends jeden Tag in der Uni bist, plus Proben am Wochenende. Da ist für Privatleben eigentlich nicht viel Zeit." Luca ergänzt lachend: "Ich denke manchmal, wie soll ich echte Menschen darstellen? Ich sehe nur andere Studis und Dozenten – das sind ja keine 'echten Menschen'."
Tom Wlaschiha, Albrecht Schuch, Eric Stehfest: Stars der HMT Leipzig
Beide Studenten sind im dritten Jahr und haben sich zuvor mit 14 anderen gegen insgesamt 1.243 BewerberInnen an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater (HMT) durchgesetzt. Ab dem dritten Jahr treten die Studenten für zwei Spielzeiten am Schauspiel Leipzig oder der Partnerbühne in Düsseldorf auf. Das langfristige Ziel: die großen Theater in Berlin oder auch Kino und Fernsehen – wie andere berühmte Absolventen der HMT etwa Eric Stehfest ("GZSZ"), Tom Wlaschiha ("Game of Thrones") oder Albrecht Schuch ("Im Westen nichts Neues").
Auch eine der derzeit erfolgreichsten deutschen Schauspielerinnen begutachtet das Vorspielen: Die gerade für den Oscar nominierte Sandra Hüller ("Toni Erdmann") ist in diesem Studienjahr erstmals Dozentin an der HMT. Für sie ist die Schauspielerei gar nicht zwingend ein Traumjob: “Ich glaube, man kann immer von etwas anderem träumen oder dass der Lebensweg anders gegangen wäre. Mich würde auch etwas anderes glücklich machen.”
Chancen als Darsteller: Schwieriger Arbeitsmarkt
Doch die Chancen stehen zumindest für Bruno, Luca und die anderen Studenten gar nicht schlecht, wie Studioleiter Matthias Döpke berichtet. Aus dem vergangenen Jahrgang hätten alle HMT-Absolventen ein festes Engagement an einem Theater angeboten bekommen. Insgesamt sei der Arbeitsmarkt jedoch schwierig. "Es wird zu viel ausgebildet. Die Theater haben für feste Stellen im Ensemble auf keinen Fall genug Bedarf, das geht rechnerisch einfach nicht auf", so der Dramaturg.
Im Oktober 2024 folgt für Luca und Bruno das Absolventenvorspiel, ein Teil der Abschlussprüfung. Beide sind aufgrund der guten Ausbildung optimistisch, danach ein festes Engagement an einem Theater zu bekommen. Auch Rollen in Film und Fernsehen wären okay. Ein Star zu werden wie Sandra Hüller und Co. ist eher nebensächlich, wie Luca erzählt: "Anfangs hat mich das in das Studium und in diesem Beruf reingetrieben, dass ich dachte, ich möchte sehr sehr berühmt sein und dass mich sehr viele Leute sehr sehr toll finden. Das wird jetzt so langsam weniger."
MDR (cnj)