Sommerinterview Wollen die Grünen wirklich Fleischprodukte rationieren? Faktencheck zu Kemmerich-Aussagen
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02. August 2023, 06:00 Uhr
Künftig dürfen wir nur noch zehn Gramm Fleisch pro Tag essen. Weil die Grünen das angeblich so wollen. Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich hat im Sommerinterview bei MDR THÜRINGEN dieses Narrativ benutzt. Aber stimmt das überhaupt? Der Faktencheck.
Bei den Grünen läuft so einiges falsch, sagte FDP-Chef Thomas Kemmerich im Sommerinterview. Statt sich auf die wesentlichen Aufgaben zu konzentrieren, wie etwa die Bekämpfung der Inflation, würden andere Themen aufgemacht. "Wenn die Grünen uns zehn Gramm Essen vorschreiben, dann wählen sie Themen, die nicht wichtig sind", so Kemmerich.
Tatsache ist aber: Die Debatte um die Wurstrationierung geht nicht auf die Forderung eines grünen Bundespolitikers zurück. Vielmehr wurde sie durch die unabhängige Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) angestoßen. Die DGE überarbeitet zurzeit ihre Ernährungsempfehlungen. Und eine These, die die DGE-Experten auch diskutieren, ist, künftig einen Konsum von nur noch zehn Gramm Fleisch am Tag zu empfehlen.
Fleischproduktion führt zu erheblichen Treibhausgas-Emissionen
Laut DGE-Präsident Bernhard Watzl ist mit den überarbeiteten Ernährungsempfehlungen frühestens Anfang 2024 zu rechnen. Und auch dann will die DGE für eine Ernährung werben, die weder Fleisch, Fisch und Meeresprodukte noch Obst oder Gemüse ausschließt. Insgesamt biete der Verzehr tierischer Lebensmittel viele Vorteile, stellt die DGE fest.
Aber DGE-Präsident Watzl macht auch klar: Die Erzeugung von Nahrungsmitteln - wie etwa von Fleisch - führt zu erheblichen Treibhausgas-Emissionen. Auch darüber müssten sich die Ernährungswissenschaftler Gedanken machen.
DGE weist Grünen-Vorwurf zurück
Thüringens FDP-Chef Kemmerich räumt zwar ein, dass die "Zehn-Gramm-Fleisch-Debatte" von der DGE angestoßen wurde. "Aber hinter diesem Gedankengut stehen oftmals Organisationen, die von den Grünen sehr hofiert werden", so Kemmerich. "Die Menschen fragen, woher kommen denn diese Einschränkungen für mein Leben her? Und dann kommt das meist aus einem grünen Politikverständnis."
Den Vorwurf, von grünen Politikern beeinflusst zu werden, weist die DGE allerdings zurück. Präsident Watzl erinnert hier daran, dass der Auftrag, neue Ernährungsempfehlungen zu erarbeiten, bereits 2018 von der damaligen CDU-Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner erteilt wurde. Laut Watzl hat die Arbeit der DGE nichts mit der jeweiligen politischen Konstellation im Bund zu tun.
MDR (jn)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 01. August 2023 | 19:00 Uhr
MDR-Team am 02.08.2023
Tatsächlich wurde die evolutionäre Anpassung des Menschen von früheren Forschenden mit dem vermehrten Auftreten von Fleischkonsum in Verbindung gebracht. Mittlerweile stellen Forschende diese Theorie jedoch in Frage, da auch vor der Anpassung von Anatomie und Verhalten des Homo erectus der Verzehr tierischer Gewebe nachgewiesen werden konnte. Hierzu wird angeführt, dass zwar eine deutliche Zunahme archäologischer Beweise für den Fleischverzehr nach Auftreten von Homo erectus besteht, die Forschenden diese Zunahme jedoch durch die größere Aufmerksamkeit der Forschung für diesen Zeitraum erklären. Sie gehen davon aus, dass es neben dem Fleischkonsum andere Faktoren für die evolutionäre Entwicklung des Menschen geben muss.
Weitere Informationen hierzu finden Sie in diesem Artikel: https://www.mdr.de/wissen/fleisch-war-nicht-die-ursache-fuer-das-auftreten-von-homo-erectus-100.html
Atze71 am 02.08.2023
Mag ja sein das die Grünen das selbst so nicht empfohlen haben. Ein Tipp:
Mal die Richtlinien der DGE und ihre Finanzierung anschauen. Die DGE erteilt auch Zertifikate an die Gastronomie. Wer nicht nach den Empfehlungen des DGE arbeitet, wird sie wohl nicht mehr bekommen. Eine andere Frage wäre: Wie weit wäre der Mensch, wenn er in der Evolutionsgeschichte nicht auf Fleisch gesetzt hätte? Im Internet gibt es da genug "Literatur". Jeder soll das essen was er mag. Fertig!
Ludwig58 am 02.08.2023
Es ist zu vermuten, dass die FDP dem nächsten Thüringer Landtag nicht mehr angehören wird. Daran hat Kemmerich einen großen Anteil. Nicht nur, dass er die Wahl zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD angenommen hat. Auch die inhaltliche Leere, die diesen Zusammenschluss von Hütern wirtschaftsliberaler Interessen kennzeichnet, wird nicht ausreichen, bei den Wählern über 5 Prozent der Stimmen zu erhalten. Nur ein ganz geringer Teil der Bürger fühlt sich von Kemmerich und Co. vertreten. Groß ist der verbliebene Rest der einstigen Fraktion eh nicht mehr.
Die einstigen Wahrer der liberalen Bürgerrechte sind in der FDP längst nicht mehr zu finden. Und deshalb ist es nur logisch, dass Kemmerich in seinem Interview die Grünen angreifen wollte, auch wenn er es dabei mit Wahrheit nicht so ganz ernst nahm. Das spielt aber in der Politik nicht mehr die allergrößte Rolle. Es geht ja vor allem darum, das eigene politische Überleben zu ermöglichen.