Zwei Männer reichen sich im Landtag die Hand.
Rechtsanwalt Bernd Falk Wittig im Gespräch mit dem AfD-Alterspräsidenten im Thüringer Landtag, Jürgen Treutler (rechts). Wittig ist nach Vorschlag der AfD als stellvertretendes Mitglied an den Thüringer Verfassungsgerichtshof gewählt worden. Bildrechte: AfD-Fraktion im Thüringer Landtag

Thüringer Landtag Verfassungsgericht: AfD-Kandidat erhält erstmals Mehrheit

03. April 2025, 09:45 Uhr

Erstmals hat ein von der AfD nominierter Kandidat für ein hohes Amt eine Mehrheit im Thüringer Landtag erhalten. Es ging um die Besetzung eines stellvertretenden Richters am Verfassungsgericht. Die Mehrheit war deutlich. Die SPD kritisiert das. Der Kandidat gilt als Vertrauter des AfD-Alterspräsidenten.

Der Thüringer Landtag hat am Mittwoch mit deutlicher Mehrheit den von der AfD vorgeschlagenen Rechtsanwalt Bernd Falk Wittig zum stellvertretenden Mitglied am Thüringer Verfassungsgericht gewählt. Wittig bekam 64 Ja-Stimmen. 20 Abgeordnete stimmten gegen ihn, außerdem gab es eine Enthaltung.

Erstmals Mehrheit für AfD-Kandidaten

Nach Angaben mehrerer Abgeordneter verschiedener Fraktionen ist es in Thüringen das erste Mal, dass ein stellvertretendes Mitglied des obersten Gerichts im Freistaat auf Vorschlag der AfD gewählt wurde. Laut der AfD-Abgeordneten Wiebke Muhsal ist Wittig "ein geeigneter Kandidat, der dieses Amt verantwortungsbewusst ausführen wird."

Der Sitz des Thüringer Verfassungsgerichtshofes in Weimar
Der Thüringer Verfassungsgerichtshofes in Weimar. Bildrechte: picture alliance / Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa | Martin Schutt

Zuvor hatte das Landesparlament bereits den CDU-Kandidaten Michael Obhues mit der nötigen Zweidrittelmehrheit gewählt. Er ist Präsident des Verwaltungsgerichtes Gera. Die Mitglieder des Thüringer Verfassungsgerichtshofes sind ehrenamtlich tätig.

Der neue gewählte Wittig gilt als Vertrauter von Jürgen Treutler (AfD), der im September 2024 als Alterspräsident den neugewählten Thüringer Landtag eröffnet und dessen Sitzung zunächst geleitet hatte. Wittig hatte die Partei laut dem AfD-Abgeordneten Jens Cotta in verfassungsrechtlichen Fragen beraten - unter anderem bei der Rechtsauffassung der AfD während der turbulenten konstituierenden Landtagssitzung im September 2024, die unterbrochen werden musste.

"Erschließt sich mir nicht": Kritik von der SPD

Die SPD-Fraktion hat nach Angaben ihres Vorsitzenden Lutz Liebscher geschlossen gegen den Kandidaten der AfD gestimmt. "Wir erleben jeden Tag, wie die AfD unseren Rechtsstaat verächtlich macht und eine funktionierende Justiz blockiert, siehe Richterwahlausschuss", sagte Liebscher. "Wie ein Kandidat dieser Partei eine Mehrheit erhalten kann, erschließt sich mir nicht." Die SPD ist mit sechs Abgeordneten im Landtag vertreten und Teil der Regierungskoalition mit CDU und BSW.

Zusammensetzung des Thüringer Verfassungsgerichts Dem Thüringer Verfassungsgerichtshof gehören neun Mitglieder an. Sie werden alle vom Landtag gewählt.

Präsident, Vizepräsident und ein weiterer Richter müssen aus dem Kreis der Berufsrichter kommen. Mindestens drei weitere Mitglieder des Gerichts müssen die Befähigung zum Richteramt haben.

Für jedes Mitglied des Verfassungsgerichts wählt der Landtag einen Stellvertreter.

Anmerkung: Wir verwenden hier die im Gesetz gebrauchte männliche Form. Quelle: Gesetz über den Thüringer Verfassungsgerichtshof

Landtagspräsident König weist AfD-Forderung zurück

Ebenfalls am Mittwoch hatte Landtagspräsident Thadäus König (CDU) mitgeteilt, er werde einer Forderung der AfD-Fraktion nicht nachkommen, wonach er die Abberufung des Gerichtspräsidenten Klaus von der Weiden und des Richters Jörg Geibert beantragen solle. Die vom AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke erhobenen Vorwürfe gegen die beiden Verfassungsrichter entbehrten jeder rechtlichen Grundlage, erklärte König. Sie ließen außerdem den nötigen Respekt vor dem Gericht als eigenständigem Verfassungsorgan vermissen.

Thadäus König (CDU) als neuer Landtagspräsident mit Glocke
Landtagspräsident Thadäus König (CDU) Bildrechte: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Abberufung von Richtern des Verfassungsgerichts Gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 2 Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz kann der Thüringer Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Präsidenten des Landtags hin ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs aus seinem Amt abberufen, wenn dieses sich innerhalb oder außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit einer so groben Pflichtverletzung schuldig gemacht hat, dass sein Verbleiben im Amt ausgeschlossen erscheint. Quelle: Thüringer Landtag

Hintergrund ist ein Vorgang bei der konstituierenden Sitzung des Thüringer Landtags. Dabei hatte Alterspräsident Jürgen Treutler (AfD) eine Abstimmung zur Änderung der Tagesordnung zu Beginn der Sitzung abgelehnt. Dabei ging es um eine Neufassung der Landtags-Geschäftsordnung zur Wahl des Landtagspräsidenten. Die CDU-Fraktion erwirkte daraufhin eine Eilentscheidung des Verfassungsgerichts, in der ihr größtenteils Recht gegeben wurde.

Die AfD warf daraufhin dem Verfassungsrichter Jörg Geibert Befangenheit vor, weil dessen Sohn Mitglied der CDU-Fraktion ist. Dem Gerichtspräsidenten von der Weiden warf die AfD vor, die angebliche Befangenheit Geiberts nicht geprüft zu haben. Ein von der AfD ebenfalls angestrengtes Ermittlungsverfahren gegen die beiden Richter wegen Rechtsbeugung lehnte die Staatsanwaltschaft Erfurt mangels Anfangsverdachts ab.

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MDR (dr), dpa

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 02. April 2025 | 19:00 Uhr

119 Kommentare

Elb Florenz vor 4 Tagen

Hätte März vor der Wahl gesagt, was er jetzt sagt, hätte die CDU vielleicht die Wahl verloren.

Zumindest ist dabei jetzt deutlich zu sehen, dass die Brandmauer steht, so hätten sich die anderen Demokraten schon lange dagegen aufgelegt.

Die Demokraten müssen zusammenhalten nicht zuletzt, weil die AfD jetzt auf 2 % Punkte an die CDU heran gerückt ist.

Elb Florenz vor 4 Tagen

Das ist schon ein düsteres Bild, was sie zeichnen, aber wegen einem Stellvertreter wird es wohl nicht dazu kommen.
Nichts, desto trotz muss die Brandmauer stehen.

Hans 2 vor 4 Tagen

Na ja auch Deutschland hat sich verändert , es gibt Meldestellen (Denuzieren nennt man das) gegen sog Hate Speech unterhalb der Strafbarkeitsgrenze sowas nennt man dehnen. Eine Partei die immerhin 10 Millionen Wähler hinter sich hat grenzt man aus oder man lügt die Wähler ins Gesicht wie Baron Münchhausen Merz
Das ist gelebte Demokratie, alles halb so schlimm "Nichts ist für die Ewigkeit"

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