Eisenach Industriegebiet Kindel: Mehr Mitarbeiter dank neuer Busverbindung

16. Januar 2024, 07:00 Uhr

Es ist eines der Vorzeige-Industriegebiete in Thüringen: der Kindel, 10 Kilometer nördlich von Eisenach, ein ehemaliges Militärgelände. Heute arbeiten dort rund 1.500 Menschen, direkt an der B84, nur einen Katzensprung von der A4 entfernt. Nur einen Haken gab es bisher: Die Beschäftigten mussten mobil sein. In Zeiten von Fachkräftemangel ein echter Standort-Nachteil. Den haben Betriebe, Busunternehmen und Behörden im vergangenen Jahr gemeinsam behoben. Eine Bilanz.

Der Logistik-Dienstleister Bcube hatte im vergangenen Jahr ein Problem. Für den neuen Standort im Industriegebiet Kindel im Wartburgkreis suchte das Unternehmen Mitarbeiter. Es habe zwar Arbeitswillige aus der Ukraine gegeben, sagt Standortleiter Sebastian Ritter. Die aber hatten entweder keinen Führerschein oder kein Auto.

Und mit dem Bus war das Industriegebiet zu den üblichen Schichtzeiten nicht zu erreichen. Ein echter Standortnachteil, sagt auch Katharina Hasert, die beim Industrieunternehmen Emitec für Personal zuständig ist. Der trifft Unternehmen, die neue Mitarbeiter brauchen – aber natürlich auch Arbeitssuchende ohne Auto.

Gemeinsam Lösung gesucht

Schon vor gut fünf Jahren hatte sich Jens Müller vom Betriebsrat des Automobilzulieferers Emitec deshalb an das regionale Busunternehmen gewandt, um Abhilfe zu schaffen. Dann kam Corona, und viele Unternehmen mussten zeitweise schließen oder die Produktion drosseln. Der neue Standort von Bcube brachte wieder Schwung in die Sache. Daraufhin vernetzte der Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur und Jobcenter alle Beteiligten.

"Wenn jeder allein kämpft, wird es nichts", sagt Rüdiger Stahl von der Arbeitsagentur. Gemeinsam aber haben sie es im vergangenen Jahr geschafft. Seit August ist das Industriegebiet von Eisenach aus mit der Buslinie 150 rechtzeitig zu den klassischen Schichtzeiten um 6, 14 und 22 Uhr erreichbar – und wer dann seine Arbeit beendet hat, wird vom Bus aus der Gegenrichtung wieder gen Eisenach gefahren.

Schichtzeiten mit Busverbindung abgestimmt

Dazu mussten sich die Firmen auf dem Kindel zusammensetzen und ihre Schichtzeiten abstimmen. Für einige wie Emitec passte es ohnehin, Bcube hat leichte Veränderungen vorgenommen. Es sei noch nicht alles rund, sagt Andreas Döring, Geschäftsführer der Verkehrsgemeinschaft Werra-Hainich. "Einzelne Firmen bräuchten noch fünf, sechs Minuten mehr, die sich im Busfahrplan noch verändern müssten."

Ganz einfach ist das nicht. Denn die Linie 150 zwischen Eisenach und Bad Langensalza muss viele Aufgaben erfüllen: Neben Schülern und Einkäufern nutzen auch Touristen diesen Bus zwischen den Welterbestätten Wartburg und Hainich. Außerdem sind die Fahrpläne mit den Zeiten der ICE-Züge in Eisenach und der Züge nach Göttingen oder Erfurt in Bad Langensalza verknüpft. Deshalb müssen die Busse pünktlich sein.

Außerdem sind die Haltestellen auf dem Kindel bisher ungenügend ausgebaut. Es fehlen Wartehäuschen und auch eine zusätzliche Buswendemöglichkeit. Letztere soll möglichst bald geschaffen werden. Das Unternehmen Emitec will der Gemeinde Hörselberg-Hainich das notwendige Gelände preiswert verpachten.

Weiterer Ausbau geplant

Mit der bisherigen Auslastung der Busse ist Andreas Döring zufrieden: Rund 100 Fahrgäste nutzen täglich zu den Schichtzeiten die Verbindung zum oder vom Kindel. "Das ist für einen Anfang außerordentlich super", sagt er. Erfahrungsgemäß brauche es mehrere Jahre, bis sich Neues beim ÖPNV etabliert hat. Das Angebot soll deshalb auch weiter ausgebaut werden.

Zufrieden ist auch Sebastian Ritter von Bcube: "Ohne die Busanbindung wäre es nicht möglich gewesen, die Stellen, die wir benötigen, voll zu besetzen." Ähnlich sieht es das Logistikunternehmen Rhenus, das im Weihnachtsgeschäft die Belegschaft von 350 auf 500 Mitarbeiter aufstocken muss. Für viele Leiharbeiter sei es früher unmöglich gewesen, den Betrieb zu erreichen, heißt es. Nicht jede Leiharbeitsfirma stelle einen Fahrdienst.

Ohne die Busanbindung wäre es nicht möglich gewesen, die Stellen, die wir benötigen, voll zu besetzen.

Sebastian Ritter

Mobilität als Schlüssel für Wirtschaftswachstum

Und nicht zuletzt zieht auch die Arbeitsagentur ein positives Fazit. Ein Gewerbegebiet gerade mal zehn Kilometer nördlich von Eisenach – da fehlte einfach die U-Bahn, sagt Rüdiger Stahl scherzhaft. Aber er weiß, wie schwer Arbeitssuchende ohne Auto oder Führerschein zu vermitteln sind – und wie wichtig es war, bei der Mobilität auf dem Kindel "nachzusteuern". Das befeuere die Region, sagt er.

Die Busse können aber auch eine Alternative für Menschen mit Auto sein. Darauf weisen alle Beteiligten gern hin. Das Deutschlandticket macht es möglich, auch mal das Auto stehen zu lassen und umweltfreundlich zum Arbeitsplatz zu fahren – wenn man denn nicht allzu weit entfernt von einer Bushaltestelle wohnt.

MDR (Ruth Breer, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGENJOURNAL | 15. Januar 2024 | 19:00 Uhr

1 Kommentar

kleinerfrontkaempfer am 16.01.2024

Alles schon mal da gewesen.
"Arbeiterberufsverkehr" nannte sich das mal. Betriebsbusse pendelten für die sogenannten "Werktätigen". Halt alles zentralistisch verordnet.
Inzwischen leben wir in einer freien, demokratischen Gesellschaft. Das Individuum bestimmt wie und wohin seine Fahrt geht. Mit welcher Mobilität.
Da heißt es sich kümmer. Der Führerschein ist Pflicht! Und auch das Fahrzeug will dem Status gemäß daher rollen.
P.S. Wenn es sich gut organisieren läßt => Fahrgemeinschaften bilden.
Im Ukrainischen Awtopoisdka.

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