Alternative Schulen Warum kirchliche Schulen immer beliebter werden
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24. August 2024, 04:00 Uhr
Es ist für die meisten Eltern eine wichtige Entscheidung, die richtige Schule für das eigene Kind auszusuchen. Dabei werden christliche Schulen immer beliebter. So zählen evangelische Schulen in Mitteldeutschland rund 30.000 Schüler - ein Drittel mehr als im Schuljahr 2018/19. Ähnlich sieht es bei katholischen Schulen aus. Und das obwohl die Mitgliederzahlen beider Kirchen schrumpfen. Aber warum sind konfessionelle Schulen so beliebt?
In der neuen Turnhalle der evangelischen Gemeinschaftsschule in Erfurt wuseln hunderte Kinder herum. Ihr neues Grundschulgebäude samt Sporthalle wird eingeweiht - mit einem Gottesdienst zwischen Kletterstange, Fußballtor und Basketballkorb.
Beim Gebet falten nur wenige die Hände. Auch Katharina Vogt und ihr Lebensgefährte Nicky Ruhe haben mit Kirche gar nicht so viel am Hut. Dennoch haben sie genau diese und keine andere Schule für Tochter Teresa ausgesucht. Eine staatliche Schule kam für sie nicht in Frage.
"Mich hat beispielsweise im Deutschunterricht extrem gestört, dass man in vielen Schulen erst ab der 3. Klasse auf die Rechtschreibung achtet. Das ist hier anders. Hier fängt man in der 1. Klasse an", sagt Katharina Vogt.
Auch, dass hier Werte vermittelt werden, dass auf das Miteinander zwischen Schule und Kindern, aber auch der Kinder untereinander Wert gelegt wird", erklärt Nicky Ruhe ihre Schulwahl.
Wer sein Kind auf eine christliche Schule schicken will, muss eine Bewerbung schreiben, sich einem Auswahlverfahren unterziehen und, wenn es klappen sollte, Schulgeld bezahlen. Das beträgt zwischen 100 und 200 Euro im Monat. Schon die bewusste Auswahl der Schule mache den Unterschied, meint Katharina Vogt.
Die Kinder, die hierherkommen, deren Elternhäuser legen Wert auf Bildung. Sie treffen eine Entscheidung, dass man das Kind nicht irgendwo hinschickt. Das ist schon ein Unterschied, das merkt man auch in der Elternschaft.
Gründe für das Wachstum
Die christlichen Schulen wachsen stärker als jede andere Schule in privater Trägerschaft. Gründe gibt es viele. An staatlichen Schulen fehlen Lehrer. 2022 fiel in Thüringen jede zehnte Unterrichtsstunde aus. An der katholischen Edith-Stein-Schule in Erfurt gibt es hingegen keine freien Lehrerstellen. Deshalb klafft beispielsweise im Stundenplan von Leona Del Barba auch keine Lücke. Die 17-Jährige wird in diesem Schuljahr dort ihr Abitur machen:
"Ich bin sehr glücklich an der Schule hier. Abgesehen von der Gemeinschaft glaube ich, dass es nicht nur um Bildung im Unterricht geht, sondern auch um Bildung drum herum. Wir haben so viele Angebote in der außerschulischen Zeit, das ist unfassbar", so die Schülerin.
749 Mädchen und Jungen sind momentan an der Edith-Stein-Schule. In diesem Jahr gab es so viele Bewerbungen wie noch nie. Auf 101 Schulplätze 251 Bewerbungen. Für Schulleiter Sven Voigt ist das ein Zeichen, auf dem richtigen Weg zu sein.
Die Kehrseite der Medaille: In diesem Jahr musste er 150 Absagebriefe schreiben - für ihn die schlimmsten Briefe des ganzen Schuljahres. Er weiß, dass für viele Eltern Bildung mehr ist als die Vermittlung exzellenter Fachkenntnisse.
Die Eltern kommen dann in Anmeldegespräche und sagen: Herr Voigt, ich weiß gar nicht, wie ich es ausdrücken soll: Es sind wohl diese christlichen Werte.
Auf der Suche nach Alternativen zum staatlichen Schulwesen
Die Krise des staatlichen Schulwesens führe dazu, dass Eltern sich Alternativen suchten, meint der Vorsitzende der evangelischen Schulstiftung in Mitteldeutschland, Marco Eberl. 42 Schulen betreibt die Stiftung in Mitteldeutschland. Da alle erst nach der Wende entstanden, seien sie jung, böten viele kreative Angebote und auf ihrem Unterrichtsplan stehe - so Eberl - ein "Geheimfach": Menschsein.
"Wenn man das christliche Menschenbild sieht, dass jedes Kind mit all seinen Stärken und Fehlern geliebt und angenommen wird, dann entwickelt sich daraus eine andere Pädagogik, als wenn ich ein Kind möglicherweise als fehlerbehaftetes Wesen ansehe, das erst durch Bildung zum Menschen wird. Manchmal hört man, wenn Kinder sich wohlfühlen, dann ist das nur eine Spaß-Schule. Die interessante Beobachtung aus der Wissenschaft ist, dass dort, wo sich Kinder wohl fühlen, die Lernergebnisse besser sind“, erklärt Marco Eberl.
Die nächste evangelische Schule in Thüringen wird bereits geplant - sie soll in Eisenach entstehen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 25. August 2024 | 09:15 Uhr