In den frühen Morgenstunden des 19.02.2025 erhellt ein Lichtschweif den Nachthimmel für einige Sekunden. Verglühende Raketenteile sind in der Nacht auf Mittwoch über Deutschland zu sehen gewesen.
Bildrechte: picture alliance/dpa/Nord-West-Media TV | Thomas Lindemann

Fragen und Antworten Wie gefährlich ist Weltraumschrott?

20. Februar 2025, 11:23 Uhr

Am Mittwochmorgen (19.02.2025) sorgten verglühende Raketenteile für Aufsehen über Mitteldeutschland. Eine Falcon 9 von SpaceX war abgestürzt. Ist Weltraumschrott eine Gefahr für die Menschen? Wer haftet für die Schäden? Fragen und Antworten.

Ein heller Streifen über dem Himmel hat in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen für Fragezeichen gesorgt. Eine Raketenstufe einer Falcon-9 sorgte für ungewöhnliche Lichterscheinungen in der Nacht auf Mittwoch (19. Februar). Gelandet ist der Schrott des Unternehmens SpaceX jedoch laut deren Angaben nicht, sondern über Großbritannien verglüht. Derzeit wird noch geklärt, ob in Polen gefundene Teile zu den Überresten der Rakete gehören. Doch das Ereignis wirft auch abseits davon Fragen auf, zumal die Zahl der Raketenstarts weiter steigt. Allein in der Nacht zu heute hat SpaceX zwei Falcon 9-Raketen gestartet.

Wie gefährlich ist Weltraumschrott für uns?

Vorneweg: Das Risiko, dass Ihnen Weltraumschrott durch die heimische Decke stürzt, ist gering. Nach dem Spektakel über Europa sagte ein Sprecher des Weltraumkommandos der Bundeswehr: "Es ist sehr, sehr selten, dass etwas den Wiedereintritt und das Verglühen übersteht." Deswegen komme es auch so gut wie nie vor, dass solche Raketenteile auf der Erde einschlügen. Es sei nun auch nicht zu erwarten, dass alle paar Tage so ein Schauspiel am Himmel über Deutschland auftrete, denn meistens kämen die Raketenteile eben woanders runter. Zuletzt etwa in der Karibik, als das Starship von SpaceX verglühte.

In einer aktuellen Studie aus dem Januar heißt es: "Einer Schätzung zufolge ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Raketenkörper über den Breitengraden von Jakarta, Dhaka, Mexiko-Stadt, Bogotá und Lagos wiedereintritt, mindestens dreimal so hoch wie über Washington, D.C., New York, Peking und Moskau." Doch umso weiter weg sich Menschen und ihre Gerätschaften vom Erdboden entfernt befinden, umso mehr wird der Schrott zum Problem.

Position aller bekannten Objekte, die es derzeit im Erdorbit gibt. Orange sind aktive Satelliten, hellblau inaktive Satelliten, violett Raketenteile, grau Trümmer/Schrott, magenta unklare Herkunft
Position aller bekannten Objekte, die es derzeit im Erdorbit gibt. Orange sind aktive Satelliten, hellblau inaktive Satelliten, violett Raketenteile, grau Trümmer/Schrott, magenta unklare Herkunft Bildrechte: AstriaGraph / University of Texas

Im All kann er Satelliten beschädigen und zur Gefahr für Astronauten werden und potenziert sich durch Kettenreaktionen bei Kollisionen. Diese Vermehrung des Schrotts wird als Kessler-Syndrom bezeichnet und gefährdet den Zugang zum Weltraum. Bereits 2006 zeigten Forscher der Nasa, dass der Müll im All sich ausbreiten werde, auch ganz ohne neue Starts. Die bleiben allerdings nicht aus. So löste eine Raketenstufe von SpaceX die Leuchtspuren über dem Himmel aus. Das Starlink-Projekt von Elon Musk umfasst bereits beinahe 8.000 Einheiten, 12.000 sollen es am Ende werden. Und neben Musk greift mit Jeff Bezos ein weiterer Milliardär in den Weltraum und plant ein Netz von Satelliten im Orbit, eine sogenannte Megakonstellation. 50 Missionen des Blue Origin genannten Projekts sind dieses Jahr geplant.

Wer haftet für Schäden?

Für Weltraumunfälle haftet laut dem Weltraumvertrag von 1967 der Staat, der die verantwortliche Mission gestartet hat und der, von dessen Gebiet aus es losging. Von privater Raumfahrt war damals nicht die Rede und inwiefern Musk, Bezos und Co für Schäden aufkommen müssen, steht in den Sternen. Zumal in den USA etwa seit 2023 ein Gesetz existiert, was Unternehmen wie SpaceX und Blue Origin vor rechtlicher Haftung im Falle von Verletzungen oder Todesfällen bei Raumfahrtaktivitäten schützt – allerdings mit Hinblick auf Weltraumtourismus. Bei Schrott ihrer Produkte, der zurück auf die Erde kommt, könnte das anders aussehen. Dabei wäre dieser Wiedereintritt etwa auf bewohntes Gebiet technisch zu verhindern. So könnten Triebwerke für eine kontrollierte Landung etwa im Meer sorgen, doch die Kosten für Extratreibstoff und Verluste durch den nicht für neue Ausrüstung genutzten Raum stehen dem im Wege.

Was wird gegen Weltraumschrott getan?

Im angesprochenen Vertrag von 1967, den etwa die BRD, USA und Russland ratifiziert haben, steht: "Die Vertragsstaaten führen die Untersuchung und Erforschung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper so durch, daß deren Kontamination vermieden und in der irdischen Umwelt jede ungünstige Veränderung infolge des Einbringens außerirdischen Stoffe verhindert wird; zu diesem Zweck treffen sie, soweit erforderlich, geeignete Maßnahmen." De facto ist unser Orbit jedoch massiv kontaminiert und Forscher warnen schon länger davor, diesen Zustand nicht zu verschärfen. So mahnten schon 2006 NASA-Wissenschaftler: "Ohne Umweltsanierung und die umfassende Umsetzung bestehender Strategien und Leitlinien zur Eindämmung von Weltraummüll werden die Risiken für den Betrieb von Raumfahrtsystemen in erdnahen Umlaufbahnen weiter zunehmen." Projekte zur Säuberung des Orbits laufen, werden etwa in Dresden entwickelt. Doch ohne eine Regulierung des Schrotts von staatlicher Seite könnten diese zu einer Sisyphusarbeit verkommen.

Das Inter-Agency Space Debris Coordination Committee (IADC), der Koordinierungsausschuss für Weltraummüll, dem alle großen Raumfahrtagenturen inklusive Nasa, Esa, CNSA und Roskosmos angehören, hat 2002 Leitlinien zur Vermeidung von Weltraummüll veröffentlicht – eine freiwillige Regelung. Die Esa hat sich mit dem Projekt "Zero Debris" (Null Abfall) zum Ziel gesetzt, "die Produktion von Weltraummüll in Erd- und Mondumlaufbahnen bis 2030 bei allen zukünftigen Missionen, Programmen und Aktivitäten deutlich zu reduzieren". Was "deutlich" bedeutet, lässt die Agentur jedoch offen.

Wo wird Weltraumschrott entsorgt?

Der Abfall der Raumfahrt rieselt natürlich nicht nur einfach so auf uns hernieder. Gleich zwei Entsorgungsorte für den Schrott gibt es. Der eine liegt im Südpazifik mitten im Wasser. Am sogenannten "Point Nemo", dem Ort, der am weitesten von Land entfernt ist, haben diverse Staaten bereits über 250 Objekte aus dem All aus niedrigerem Orbit (low earth orbit, LEO) im Meer versenkt. Hier hat etwa die russische Raumstation Saljut ihre letzte Ruhestätte, auch die ISS wird hier ihr Ende finden. Die kontrollierten Abstürze möglichst weit entfernt von Land sollen Schäden für Menschen vermeiden.

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Ein zweiter Schrottplatz befindet sich im All. Im Friedhofsorbit werden Objekte endgelagert, die in einem höheren Abstand, dem geosynchronen Orbit (GEO), um die Erde gekreist sind und ihre Funktionsfähigkeit verloren haben. Diese Umlaufbahn liegt weiter von der Erde entfernt als der reguläre Orbit. Nähern sich die Treibstoffreserven eines Objekts dem Ende und der GEO kann nicht mehr gehalten werden, werden die Geräte in eine höhere Sphäre befördert.

Gab es schon Kollisionen im All?

Im sogenannten "erdnahen Bereich" bis 2.000 Kilometer Höhe habe es schon Kollisionen gegeben, teils sogar mit Satelliten, sagt der Esa-Programmleiter für Weltraumsicherheit beim Raumflug-Kontrollzentrum Esoc in Darmstadt, Holger Krag gegenüber dem ZDF. "Dort sind zwei Drittel aller Raumfahrtobjekte."

Die erste zufällige Kollision zweier Satelliten im Orbit ereignete sich laut der Europäischen Weltarumorganisation Esa am 10. Februar 2009 um 16:56 UTC in 776 km Höhe über Sibirien. "Der private amerikanische Kommunikationssatellit Iridium-33 und der russische Militärsatellit Kosmos2251 kollidierten mit einer Geschwindigkeit von 11,7 km/s.

Beide wurden zerstört und es entstanden mehr als 2.300 verfolgbare Fragmente, von denen einige inzwischen wieder eingetreten sind (d. h., sie zerfielen und traten erneut in die Atmosphäre ein, wo sie verglühten)."

jar/gp/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 19. Februar 2025 | 10:00 Uhr

1 Kommentar

Pattel vor 4 Wochen

Überhaupt nicht.......

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