HollywoodWie die Filmindustrie den Klimawandel ignoriert
(Eher nicht so) Preisverdächtig? Klimawandel ist aus Sicht von Drehbuchautoren und Regisseuren ein offenbar so unattraktives Thema, dass kaum ein Film die drohende Katastrophe thematisiert. Warum ist das so?
"Armageddon", "Independence Day", "2012" – Weltuntergangsszenarien haben mit dem Genre Katastrophenfilm einen festen Platz vor allem in Hollywood. Es ist rund 20 Jahre her, da war der Klimawandel tatsächlich mit zwei US-amerikanischen Filmen präsent: "Eine unbequeme Wahrheit", ein Dokumentarfilm von Davis Guggenheim und dem ehemaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Al Gore, der fast schon schulischen, aufklärerischen Charakter hatte und der 2007 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde.
Drei Jahre zuvor kam mit "The Day After Tomorrow" ein Katastrophenfilm des deutschen Regisseurs Roland Emmerich in die Kinos. Mit vielen Spezialeffekten, Actionszenen und Spannung wurde beim Klimawandel der Turbo eingelegt: Durch das Schmelzen der Polkappen bricht eine zweite Eiszeit auf der Nordhalbkugel aus, so die Story.
The Day After Tomorrow: Klimawandel im "trojanischen Pferd"
Zugegeben: Oscar-verdächtig war Emmerichs Werk nicht. Aber er habe "bei einigen Besuchern die Wahrnehmung für den Klimawandel geschärft", sagt Stefanie Plappert. Die Kuratorin beim Deutschen Filmmuseum in Frankfurt/Main hat für die Ausstellung "Katastrophe – Was kommt nach Ende" Katastrophenfilme analysiert.
Im Gegensatz zu dem sehr ernsten Dokumentarfilm von Al Gore habe Emmerich ein großes Publikum erreicht und dort fast unterschwellig seine Botschaft über die Risiken des Klimawandels unterbringen können, "wie ein trojanisches Pferd". Befragungen der Kinogänger nach zwei Wochen und zwei Monaten zeigten aber: Eine Sensibilisierung für den Klimawandel hat der Film langfristig aber kaum erreicht. Den Befragten fehlte der Bezug zum Alltag: "Das Heldentum der wenigen ist einfach keine besonders hilfreiche Anleitung für die Mehrheit."
Plappert sagt, dass "The Day After Tomorrow" einer der wenigen Filme sei, der sich überhaupt mit dem Klimawandel auseinandergesetzt habe. Für die Vorbereitung auf die Ausstellung im Jahr 2022 habe sie rund 400 Filme gesichtet und kaum einer habe Klimawandel zentral oder als Nebenaspekt behandelt. Nicht nur sie kommt zu diesem Schluss.
Realitycheck fürs Klima – wird der Klimawandel erzählt?
Mit dem "Climate Reality Check" lässt die die Organisation Green Energy Stories in den USA ausrechnen, ob der Klimawandel Teil der cineastischen Erzählwelt ist. Der Check besteht aus zwei einfachen Fragen: Wissen die Charaktere, dass es den Klimawandel gibt und kommt er erzählerisch in irgendeiner Form vor? Dazu haben der Forscher Matthew Schneider-Mayerson und seine Studierenden 250 Filme der letzten zehn Jahre untersucht – ausgenommen waren dabei aber beispielsweise Fantasyfilme, die nichts mit unserer Welt zu tun haben und Filme, die weit in der Vergangenheit oder Zukunft spielten.
Schneider-Mayerson und Team kommen zu dem Ergebnis, dass das in weniger als zehn Prozent der überprüften Filme der Fall ist. In weniger als vier Prozent wurde der Klimawandel in zwei oder mehr Szenen erwähnt. Die Probe auf Exempel machten die Forscherinnen und Forscher auch bei den diesjährigen Oscarnominierten. Nur 10 Filme passten überhaupt in die Kategorie – und nur in einem einzigen Film wurde der Klimawandel am Rande erwähnt, dem Animationsfilm "The Wild Robot". In dem Film sind Hinweise auf eine Klimakatastrophe sichtbar, Wale schwimmen da beispielsweise ÜBER die im Wasser versunkene Golden Gate Bridge, es gibt Hinweise, dass sich die Menschen in höher gelegene Städte geflüchtet haben.
Unbequeme Wahrheit Klimawandel: Medienunternehmen fürchten Druck von Konservativen
Dass die Erderwärmung unerwähnt bleibt – zumindest in der Filmfabrik –, das fällt durchaus auf. Es gab beispielsweise viel Kritik am Actionfilm "Twisters", in dem es um – nun ja – die "Jagd" auf Wirbelstürme in Oklahoma geht. Ein Remake des fast gleichnamigen Films aus dem Jahr 1996. Dass selbst im Jahr 2024 gerade in den USA beim Zeigen von Naturkatastrophen der Klimawandel im Film nicht mal ansatzweise erwähnt wird, sorgt für allerlei Fragezeichen bei Kritikern. Regisseur Lee Isaac Chung erwiderte, "er wolle mit dem Film keine Botschaft vermitteln".
Kuratorin Stefanie Plappert sagt, es sei zudem herausfordernd, in so einem zeitlich knapp bemessenen Medium den eher langsamen Prozess des Klimawandels darzustellen. "Das ist schwierig, um nicht zu sagen unsexy."
Studios und Produktionsfirmen zu vermitteln, dass Klimawandel ein drängendes und wichtiges Thema ist, scheint zudem in den USA unter der neuen Regierung noch schwieriger zu werden. Auch wenn Hollywood als liberales Zentrum gilt: Auch die Medienhäuser stehen unter Druck und Beobachtung der konservativen Regierung.
Wissenschaftler streichen bereits jetzt schon das Wort Klima aus ihren Texten, um Konflikte zu vermeiden und Gelder nicht zu verlieren, da die Trump-Regierung den Kampf gegen die Klimakrise quasi aus dem eigenen Wortschatz gestrichen hat.
Bloß nicht nach oben schauen! (Lieber nach Europa.)
Klingt alles deprimierend? Ja! Autor und Regisseur Adam McKay brachte das Ignorieren der Klimakrise derart auf die Palme, dass er den Film "Don't Look Up" machte. In der Satire rast ein Komet auf die Menschheit zu; Wissenschaftler (Leonardo di Caprio und Jennifer Lawrence) warnen, Politiker raten: "Nicht nach oben schauen!" Ähnlichkeiten mit der Realität gewollt – und vorhanden!
Eine Analogie zur Klimakrise, die offenbar bei Klimawissenschaftlern gut ankam. Klimaforscher Peter Kalmus schrieb in einem Beitrag für den britischen "Guardian", der Film stelle "die entsetzliche Nichtreaktion der Gesellschaft auf den Klimakollaps präziser dar, als jeder andere, den ich je gesehen habe."
Möglicherweise müssen wir als Zuschauer auch den Kopf in eine andere Richtung drehen – weg von Hollywood und nach Europa. Denn auch hier werden schließlich Filme und Serien gemacht, die sich möglicherweise in Zukunft mehr trauen als die Traumfabrik.
Dieses Thema im Programm:Das Erste | Brisant | 09. Januar 2025 | 17:15 Uhr
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