Für komplexe KI-AnwendungenTU Dresden nimmt Supercomputer mit 35.000 Chips in Betrieb

15. April 2025, 20:38 Uhr

Er ist einem menschlichen Gehirn nachempfunden und trägt über fünf Millionen Prozessorkerne in sich. Der neue Supercomputer der TU Dresden heißt SpiNNcloud und soll Daten energieeffizient nutzen.

Neun "Schränke" mit Kabeln und Rechnern – der neue Supercomputer der TU Dresden (TUD) mutet ein wenig wie ein Mix aus einem Automatenladen und Raumschiff Enterprise an. In Wahrheit ist der Riesencomputer so etwas wie State-of-the-Art im neuromorphen Computing. "Die TU Dresden erreicht mit 'SpiNNcloud' einen wichtigen Meilenstein in der Entwicklung neuromorpher Computersysteme", erklärt Christian Mayr, Professor für Hochparallele VLSI-Systeme und Neuromikroelektronik an der TU. Er hat den Supercomputer mit entwickelt. Das System basiere auf dem innovativen SpiNNaker2-Chip und umfasse in der aktuellen Ausbaustufe 35.000 Chips und über fünf Millionen Prozessorkerne. Er sei ein wichtiger Schritt für die Entwicklung energieeffizienter KI-Systeme.

Inspiriert vom menschlichen Gehirn: Der Supercomputer SpiNNcloud
Er ist inspiriert vom menschlichen Gehirn: Der Supercomputer SpiNNcloud passt sich an komplexe, sich verändernde 'Denkumgebugen' an. Bildrechte: Tobias Ritz / SpiNNcloud

Computer nach gehirnähnlichen Prinzipien

Sogenannte "Neuromorphe Computersysteme" orientieren sich am leistungsfähigsten Computer der Natur – dem menschlichen Gehirn. Damit eröffnen sie völlig neue Perspektiven für die Rechenzentrumsarchitektur: Anstatt ausschließlich auf Verbesserungen bestehender Technologien zu setzen, erweitert dieser Ansatz das Design von Computerarchitekturen um gehirnähnliche Prinzipien wie verteilten Speicher und ereignisgesteuerte Verarbeitung. Das Ergebnis: deutlich reduzierter Energieverbrauch bei gleichzeitig hoher Leistungsfähigkeit und Flexibilität.

Neue Möglichkeiten für KI-Anwendungen

Der dem Supercomputer zugrunde liegenden "SpiNNaker2"-Superchips wurde im Rahmen des EU Flagship-Projekts "Human Brain Project" entwickelt. "'SpiNNaker2' vereint eine hohe Effizienz mit Echtzeitverarbeitung bei Latenzen unter einer Millisekunde", erklärt Mayr. Er sei inspiriert von biologischen Prinzipien wie Plastizität und dynamischer Rekonfigurierbarkeit und passe sich automatisch an komplexe, sich verändernde Umgebungen an.

Diese Kombination aus biologisch inspirierter Architektur und technologischer Innovation eröffnet neue Möglichkeiten für KI-Anwendungen in Smart Cities, beim Autonomen Fahren und dem taktilen Internet.

Christian Mayr | Professor für Hochparallele VLSI-Systeme und Neuromikroelektronik an der TU.

Forschende aus ganz Deutschland können Systeme nutzen

Dieser Supercomputer ist Teil des KI-Kompetenzzentrums ScaDS.AI Dresden/Leipzig. Dieses will regionale Big-Data-Kompetenzen ausbauen und bündeln und damit die Lücke zwischen der effizienten Nutzung von Massendaten, Wissensmanagement und sehr fortgeschrittener KI schließen. Als eines von neun Zentren des Nationalen Hochleistungsrechnens (NHR) bietet das Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (ZIH) an der TUD darüber hinaus spezielle HPC-Ressourcen sowie eine gezielte Unterstützung und Beratung an. Die Systeme stehen laut Uni Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus ganz Deutschland zur Verfügung. "'SpiNNaker2' schafft eine außergewöhnliche technologische Basis, um die Grenzen der Wissenschaft weiter zu verschieben", beschreibt es Wolfgang Nagel, Direktor des KI-Kompetenzzentrums "ScaDS.AI".

Fünffache Anzahl von Neutronen

"SpiNNaker2"-Chips sind die Nachfolger britischer Vorgängermodelle. "Mit mehr als der fünffachen Anzahl von Neuronen im Vergleich zur ersten SpiNNaker-Generation in Manchester markiert die SpiNNcloud an der TU Dresden einen echten Durchbruch im neuromorphen Computing. Zum ersten Mal können wir diese energieeffiziente, vom Gehirn inspirierte Architektur in einem wirklich großen Maßstab nutzen", erklärt Professor Steve Furber, Pionier der ursprünglichen SpiNNaker-Architektur an der Universität Manchester.

Meilenstein für KI

Hintergrund der Entwicklung: Komplexe KI-Anwendungen brauchen komplexe Algorithmen und mit ihnen viel Rechnerleistung und Strom. Der neue Dresdner Supercomputer arbeitet nach Angaben der Uni sehr schlank, effizient und energiefreundlich. Es werden ähnlich wie im menschlichen Gehirn die Nervenzellen, nur die Chips genutzt, die wirklich für die jeweilige Aufgabe gebraucht werden. Das drückt den Stromverbrauch erheblich. Die Algorithmen müssen also nicht in abgespeckter Sparvariation laufen, sondern können ausgefeilter daherkommen und somit noch bessere KI-Leistungen zu bringen: "Unsere Vision ist es, die Zukunft der künstlichen Intelligenz durch vom Gehirn inspirierte Systeme neu zu definieren. Großflächige Implementierungen wie diese stellen einen wichtigen Meilenstein für die KI dar und ermöglichen neue Wege für den Einsatz extrem effizienter State-of-the-Art-Modelle, insbesondere in der heutigen Zeit, in der Mainstream-KI zunehmend auf dynamische, spärliche Algorithmen setzt, um globale Energieengpässe zu bewältigen", erklärte Hector Gonzalez. Er ist Mitbegründer und CEO des Deep-Tech-Spins und der TUD-Ausgründung SpiNNcloud, das den Supercomputer mit entwickelt hat.

Großflächige Implementierungen wie diese stellen einen wichtigen Meilenstein für die KI dar und ermöglichen neue Wege für den Einsatz extrem effizienter State-of-the-Art-Modelle.

ector Gonzalez | itbegründer und CEO des Deep-Tech-Spins und der TUD-Ausgründung SpiNNcloud

Als eines der fünf KI-Zentren in Deutschland wird ScaDS.AI im Rahmen der KI-Strategie der Bundesregierung sowie vom Freistaat Sachsen gefördert. ScaDS.AI bündelt die Expertise der TU Dresden, der Uni Leipzig sowie von zwölf Partnerinstitutionen in einem internationalen Team mit mehr als 60 leitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und über 200 Mitarbeitenden.

SpiNNcloud ist ein sogenanntes Deep-Tech-Spin-off der TUD. Damit werden Unternehmen bezeichnet, die neue bahnbrechende Technologien aus der wissenschaftlichen Forschung umsetzen. Das Unternehmen bietet laut TUD die weltweit erste kommerzielle, gehirn-inspirierte HPC-Plattform an (HPC heißt High Performance Computing), die durch energieeffiziente Parallelverarbeitung und Echtzeitfähigkeiten traditionelle Rechnerarchitekturen neu definiert. Die innovative Technologie ermöglicht Kunden die Entwicklung energie-effizienter und robuster KI-Modelle sowie die Verarbeitung generischer Computer-Workloads.

Die Realisierung des Projekts wurde durch die finanzielle Unterstützung des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Freistaats Sachsen im Projekt "SpiNNcloud" ermöglicht. Der Software-Stack, der in einem solchen Großsystem zum Einsatz kommt, wurde aus dem EIC-Transition-Projekt "SpiNNode", einem Innovations-Förderprogramm der EU, finanziert und von SpiNNcloud entwickelt.

(TU Dresden/tomi)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 25. September 2024 | 09:18 Uhr

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