Um herauszufinden, wie Großveranstaltungen während einer Pandemie möglich sein können, simulierte die Uniklinik in Halle ein Konzert mit Tim Bendzko. 4 min
Veranstalter, Künstler und ein Wissenschaftler blicken auf die Corona-Pandemie zurück. Was hat sich in den vergangenen fünf Jahren in der Branche verändert? Wie ist sie aktuell aufgestellt? Ole Steffen berichtet. Bildrechte: Uniklinik Halle

5 Jahre Pandemie Konzertveranstalter: Produktionen kosten 40 Prozent mehr als vor Corona

22. März 2025, 03:30 Uhr

Vor fünf Jahren, am 22. März 2020, wurde im Rahmen der Corona-Pandemie der erste Lockdown in Deutschland verhängt – mit einschneidenden Folgen auch für die Kultur. Wir haben Künstler wie Sebastian Krumbiegel von den Prinzen und Claudius Dreilich von Karat, Konzertveranstalter sowie einen Wissenschaftler gefragt: Wie blicken sie auf Corona zurück? Wie hat die Pandemie Live-Konzerte verändert? Und: Was haben sie aus den Lockdowns gelernt?

Kulturakteure und Veranstalter sehen immer noch deutliche Folgen für die Branche durch die Corona-Pandemie. Das hat eine Recherche von MDR KULTUR ergeben. Johannes Everke, Geschäftsführer des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), teilte auf Nachfrage mit, die Branche habe zwar Resilienz bewiesen und sei in der kollektiven Corona-Erfahrung enger zusammengerückt. Aber an vielen Stellen seien seit Corona finanzielle Reserven aufgebraucht.

Es ist deutlich weniger Personal da. Es ist vielleicht auch ein bisschen ungemütlich, vielleicht auch nicht so gut beheizt.

Claudius Dreilich Sänger von Karat

Veranstalter-Bilanz: 40 Prozent höhere Produktionskosten

"Seit Corona und den darauffolgenden Multikrisen sind die Produktionskosten um 40 Prozent gestiegen, Personalkosten und Künstlerhonorare haben sich teilweise mehr als verdoppelt", sagte Everke. Das liege neben Inflation, Energie- und Logistikkosten auch daran, dass Fachkräfte zeitweise abgewandert und erst zu höheren Preisen zurückgekommen seien. Der BDVK-Geschäftsführer forderte daher "stabile Rahmenbedingungen, die die Besonderheiten der Branche anerkennen".

Zwei Männer stehen in der Quarterback-Immobilien-Arena in Leipzig
Matthias Kölmel (l). und Philipp Franke (r.), Geschäftsführer der Quarterback-Immobilien-Arena in Leipzig Bildrechte: Christian Modla

Darum geht es auch den Geschäftsführern der Quarterback-Immobilien-Arena in Leipzig. Einer von ihnen ist Matthias Kölmel. Er fordert für die Branche "klare und konkrete Ansprechpartner auf kommunaler, Landes- und Bundesebene". Auf der Veranstalterseite habe sich bereits das Forum Veranstaltungswirtschaft formiert. Nun bedürfe es ebenso klarer Ansprechpartner auf politischer Ebene.

Karat-Sänger fordert bessere Kommunikation

Auch der Sänger Claudius Dreilich von Karat nimmt die gestiegenen Produktionskosten in der Branche wahr. "Es ist deutlich weniger Personal da. Es ist vielleicht auch ein bisschen ungemütlich, vielleicht auch nicht so gut beheizt", sagte Dreilich zu den aktuellen Erfahrungen von Karat bei Konzerten. Spürbar sei zudem, dass weniger Bühnentechniker vor Ort seien. Viele von ihnen hätten sich während der Pandemie neue Jobs gesucht.

Die Band Karat
Die Band Karat feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bühnenjubiläum. Bildrechte: IMAGO / Berlinfoto

Mit besonderem Missmut beschreibt Claudius Dreilich zudem die Gräben, die zwischen Künstlerinnen und Künstlern entstanden seien und die bis heute fortdauerten – vor allem durch das Thema Impfen: "Es gab da wirklich deutlich verschiedene Meinungen. Da sind Freundschaften daran zerbrochen. Auch wir haben Freunde verloren auf dem Weg."

Diese gesamtgesellschaftliche Verhärtung in der Auseinandersetzung sei für Karat auch heute noch spürbar: "Das ist keine Streitkultur mehr. Das ist ein Anfeinden und das tut uns allen Menschen nicht gut." Claudius Dreilich betont, dass eine Lehre aus den vergangenen fünf Jahren sei, bei künftigen Pandemien mehr darauf zu achten, wie man einander begegne.

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2021 wurde sie "streitbar" und "umstritten" genannt, weil sie sich kritisch zur "Impfflicht" positioniert hatte. Heute plädiert Svenja Flaßpöhler für eine Aufarbeit der Corona-Zeit und eine neue Streitkultur.

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Sebastian Krumbiegel für Versöhnung

Sebastian Krumbiegel von den Prinzen teilt viele dieser Erfahrungen. Er sagt, auch die Prinzen merkten, dass "Angebot und Nachfrage den Markt" bestimmten und dass "das alles viel teurer geworden ist".

Krumbiegel zieht vor allem kommunikative Lehren aus der Pandemie: "Ich habe damals auch Leute verurteilt, die sich nicht haben impfen lassen. Und da möchte ich mich echt an die eigene Nase fassen, dass wir da zu dolle waren", so Krumbiegel im Gespräch mit MDR KULTUR. Rückblickend sieht er in der Pandemie auch einen Beschleuniger "für alle Probleme, die wir sowieso haben". Seine Folgerung ist, dass "wir alle miteinander viel mehr Versöhnung brauchen." Der Sänger will dafür werben, mit Leuten zu reden, die anderer Meinung sind.

Wir brauchen alle miteinander viel mehr Versöhnung.

Sebastian Krumbiegel

Sebastian Krumbiegel
Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel hat für sich Lehren aus der Coroa-Zeit gezogen. Bildrechte: sebastian-krumbiegel.de

Forschung soll Branche stärken

Um die Veranstaltungsbranche auf künftige Pandemien besser vorzubereiten, wird an der Universität Halle zum Infektionsrisiko auf Großveranstaltungen geforscht. Stefan Moritz, Infektiologe von der Uniklinik Halle, sagte MDR KULTUR: "Je besser die Datengrundlage ist, die wir jetzt schaffen, desto besser können dann im erneuten Fall Entscheidungen getroffen werden."

Er wolle die Erkenntnisse aus seiner Forschung in diesem Jahr zu einem neuen Modell zusammenführen, um noch bessere Aussagen zu Großveranstaltungen treffen zu können. Dafür brauche er mehr Daten. Die Erhebung erweise sich jedoch als schwierig: "Es zeigt sich mit zunehmendem Abstand zur Pandemie, dass das Interesse an solcher Forschung abnimmt", so Moritz. Gerade bei den großen Akteuren der Branche sei weniger Engagement zu finden. Umso mehr freue er sich über die Zusammenarbeit auf lokaler Ebene mit der Quarterback-Immobilien-Arena in Leipzig, der Känguruh Production Konzertagentur mit Sitz in Halle, aber auch mit dem Werk 2 in Leipzig.

Stefan Moritz - ein Mann mit hoher Stirn steht in roter Jacke in Zuschauerraum einer Konzerthalle
Stefan Moritz, Infektiologe an der Uniklinik Halle, untersucht das Ansteckungsrisiko bei Großveranstaltungen. Bildrechte: Anne Sailer

Auch Sebastian Krumbiegel hat mit den Prinzen während der Corona-Pandemie die Forschung von Infektiologe Stefan Moritz unterstützt und eines von drei Konzert zu Forschungszwecken gegeben: "Das war spannend da mitzumachen. Wir haben das total gerne gemacht", so Krumbiegel.

Für die Geschäftsführer der Arena Leipzig war das erste dieser "Restart"-Projekte während der laufenden Corona-Pandemie etwas, das sie nicht vergessen werden. Der organisatorische Aufwand sei bis zum Gelingen des Ganzen enorm gewesen: "Wir hoffen mal, dass wir das nie mehr machen müssen. Aber wenn, dann machen wir wieder mit", so Matthias Kölmel.

Quelle: MDR KULTUR (Ole Steffen)
Redaktionelle Bearbeitung: ost, hki, lm

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Kultur am Morgen | 11. März 2025 | 06:15 Uhr

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