Ein Spargelgericht mit Kartoffeln und Schinken.
So sieht eines der klassischen deutschen Spargelessen aus: Vielen jüngeren Leuten ist das aber angeblich zu aufwendig. Bildrechte: Colourbox.de/Darius Dzinnik

Ernährung und Kultur Der weiße deutsche Spargel ist bedroht

03. Mai 2023, 06:00 Uhr

"Königsgemüse", "edle Stangen", "weißes Gold" – es gibt viele Huldigungen an weißen deutschen Spargel. Aktuell hat er wieder Saison, vielleicht aber weniger Konjunktur als früher. Es gibt Hinweise, dass der deutsche Spargel-Kult wie seine Fans überaltert.

Der Pro-Kopf-Konsum von Spargel in Deutschland ist nach guten Jahren zuletzt wieder gesunken. Auch die heimischen Ernten gingen zurück – auf ein Maß, das mit früheren zwar noch vergleichbar ist. Ob jedoch die hiesige Spargeltradition die nächsten Jahrzehnte überlebt, erscheint unsicher.

Anzeichen, dass die deutsche Spargel-Liebe vergehen könnte, hatte im Frühjahr 2022 schon eine Yougov-Umfrage im Auftrag der dpa ergeben. Da sagten von den 18 bis 24 Jahre alten Befragten gerade noch 47 Prozent, dass sie Spargel mögen, während es bei über 55-Jährigen 74 Prozent waren.

Spargel als "Seniorengemüse"

Spargelbauern sehen diese Skepsis junger Leute. Der Chef des Beelitzer Spargelvereins, Jürgen Jakobs: "Grundsätzlich gibt es viele Ältere, die den Spargel im Frühling sehnlich erwarten, ihn selber schälen, liebevoll zubereiten und den Verzehr zelebrieren. Spargel hat den Nimbus eines Festessens für sie." Für die jüngeren Leute aber sei das alles wohl zu aufwendig, und man gewinne sie auch nicht mit fertig geschältem Spargel.

grüner und weißer Spargel
Keine Gewissenfrage: Grüner oder weißer Spargel Bildrechte: Colourbox.de

"Es gab 2022 insgesamt einen Rückgang beim Spargelverbrauch – und zwar sowohl beim Inlands- als auch beim Importspargel", sagte Jakobs. Wegen der Inflation werde beim "tendenziell luxusbehafteten Spargel" wohl gespart. Dieses Jahr habe er zwar den Eindruck, dass der Absatz fast wieder altes Niveau erreiche. Dennoch entscheide sich bald, ob der Spargel-Kult bleibe.

"Wir machen uns nichts vor", sagte Jakobs der dpa: "Das Bohei um den weißen Spargel ist ein mitteleuropäisches Phänomen in Deutschland, in Österreich und der Schweiz. Viele Einwanderer kennen nur grünen Spargel, der weniger saisonal, vielseitiger anwendbar und einfacher zuzubereiten ist, auch auf dem Grill zum Beispiel." Der Trend gehe zu dem grünen, dessen Marktanteil von fünf bis zehn auf um die 20 Prozent gestiegen sei.

"Gemüse der sozialen Ungleichheit"

Kulturforscher Gunther Hirschfelder, Professor der Uni Regensburg, der Geschichte und Agrarwissenschaft studiert hat, sieht beim weißen Spargel zudem das Problem, dass er nicht zu aktuellen Ernährungstrends passe.

"Das klassisch deutsche Setting des Spargel-Essens in der Tradition gutbürgerlicher Küche mit Fleisch, Gemüse, Sättigungsbeilage und Soße sowie Besteck und dazu noch ein Glas Wein wird gerade total aufgebrochen", sagt der Herausgeber des Buchs "Wer bestimmt, was wir essen?".

Sie brauchen am besten Dinge, die sie mit einem Löffel essen können.

der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder über die Tischsitten jüngerer Menschen dpa

"Leute unter 30 haben eher mehr Verzehrsituationen über den Tag, mögen All-in-one-Essen aus einem Topf oder einer Schüssel, sowas wie Bowls, was es in vielen Asia-Läden oder arabischen Lokalen gibt", sagt Hirschfelder. Wichtig sei, dass es "easy to eat" sei, auch ohne viel Besteck. Spargel passe nicht dazu, "dass man beim Essen mit dem Handy spielt". Junge Leute heute brauchen aus Sicht von Hirschfelder "Dinge, die sie mit einem Löffel essen können".

Erntehelfer legt Spargel in eine Kiste.
Erntehelfer an einer Spargel-Kiste Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Christoph Gollnow

Auch sei der Ruf des Spargels als "Luxusgemüse" ramponiert, meint der Experte. Heute werde bei dem Thema über Leiharbeit debattiert und mit Bildern "von Leuten, die in Bussen herangekarrt werden, um mit gekrümmtem Rücken Spargel auf deutschen Feldern stechen". So könne ein Image "als Gemüse der sozialen Ungleichheit" entstehen.

Deutsche Spargelbauern wollen dagegen halten und das Thema "Genuss" auf neue Höhen treiben. Dazu haben sie den 5. Mai jetzt sogar als einen "Tag des deutschen Spargels" ausgerufen, der natürlich mitten in ihrer Saison liegt.

Ein Grund, warum weißer deutscher Spargel nicht gleich beliebt bei Alt und Jung ist, könnte ja auch darin liegen, dass es ihn nur etwa zwölf Wochen frisch gibt im Jahr. Seine Saison beginnt mit dem Frühling und endet traditionell am 24. Juni, am Johannistag. Und dass nicht saisonale Alternativen etwa in Dosen und Gläsern keine sind – zumindest darin besteht wohl Einigkeit.

dpa, MDR (ksc)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 19. April 2023 | 19:00 Uhr

41 Kommentare

Hildegard am 04.05.2023

Die mag es sicher geben, Peter, junge Kochfaule. Die gibt (und gab es schon immer) aber auch in anderen Generationen. Ich beobachte heute auch den Trend zu gesunder Ernährung, Bowls zum Beispiel. In die Bowl passt übrigens auch Spargel, kleingeschnitten. Das wird manchmal sogar "Super-Food"-Bowl genannt (das wäre dann auch eine Vermarktungsstrategie für die Spargellobby). Gesund ernähren wollen sich die Menschen vermehrt, jung wie alt. Und selbst gekocht wird auch immer mehr. Genau so gibt es aber auch die Fast-Food-"Fans", egal ob ein Burger bei Mac-Schnell oder das Jägerschnitzel in der Betriebskantine. Die Ernährungsgewohnheiten sind nach meiner Beobachtung sehr divers, über die Generationen hinweg. Dem wird diese Schwarz-Weiß-Malerei in dem MDR-Artikel mit seinen platten Pauschalinjurien leider überhaupt nicht gerecht. Seis drum.

Peter Pan am 04.05.2023

@nilux
was für ne Preisentwicklung? Zu DDR Zeiten war weißer Spargel Bückware, grünen Spargel gab es im Überfluss(zumindest in den LPG), nach der Wiedervereinigung war weisser Spargel immer teuer, sowohl zu DM zeiten als auch jetzt in Euro zeiten, dann ist man den seltener und der Genuss steigt.
Wir mögen auch Schwarzwurzeln, aber weisser Spargel ist ein Hochgenuss.

Peter Pan am 04.05.2023

@Hildegard
Sie haben anscheinend nicht viel Ahnung über die junge Generation. Alles was mit Arbeit verbunden ist, ist out, Kochen mit vielen zutaten, um Gottes Willen, blos nicht.
Fahren Sie mal in Selbstpflückplantagen und schauen Sie mal, wer da hinkommt, weit über 80 Prozent sind im Rentenalter oder kurz davor, beim Spargel ist das nichts anderes, für meine generation 60 plus ist es ein Genuss und der Aufwand minimal im Vergleich zum Ergebnis, für jüngere ist der einzig ertragbare Aufwand fürs Essen, der verzehr, Döner, pizza und Co lassen grüßen und als Gegenteil schauen Sie mal nach den Altersgruppen bei MC Donalds, Rentner extrem selten, aber die können halt ja auch kochen und sich sich für die Arbeit nicht zu schade.

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