Faktencheck Hat Merz mit dem Sondervermögen die Wähler getäuscht?
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17. März 2025, 12:07 Uhr
Die von Union und SPD vereinbarten Milliardenschulden hat viele Wähler verwundert. Hatte CDU-Chef Friedrich Merz im Wahlkampf nicht immer gesagt, an der Schuldenbremse wird nicht gerüttelt? Hat Merz die Wähler getäuscht? War das Wahlbetrug, wie ihm nun von vielen Seiten vorgeworfen wird? Ein Faktencheck.
- Friedrich Merz hat vor der Wahl eine Reform der Schuldenbremse ausgeschlossen
- Nach der Wahl einigen sich Union und SPD auf neue Schulden von mehreren hundert Milliarden
- Politikwissenschaftler Lucke ist dagegen, den Sinneswandel als Wahlbetrug zu bezeichnen
Friedrich Merz und die Schuldenbremse, die Äußerungen des CDU-Chefs dazu waren in den zurückliegenden Monaten vielfältig. So schloss Merz im Januar vor einem Jahr im Bundestag eine Reform der Schuldenbremse kategorisch aus: "Ich schließe eine Zustimmung meiner Fraktion zu einer Aufweichung der Schuldenbremse des Grundgesetzes heute von dieser Stelle erneut aus. Damit können sie nicht rechnen."
Erster Sinnenswandel bereits im November – mehrere folgen
Über den Sommer scheint Merz dann ins Nachdenken gekommen sein, denn am 13. November 2024 ließ er bei einem Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung Folgendes von sich hören: "Selbstverständlich kann man das reformieren, die Frage ist, wozu, mit welchem Zweck, was ist das Ergebnis einer solchen Reform? Ist das Ergebnis, dass wir noch mehr Geld ausgeben für Konsum und Sozialpolitik, dann ist die Antwort: Nein. Ist es wichtig für Investitionen, ist es wichtig für Fortschritt, ist es wichtig für die Lebensgrundlage unserer Kinder? Dann kann die Antwort eine andere sein."
Die Worte deuten ein Nachdenken an über eine Reform der Schuldenbremse, aber der CDU-Chef bleibt sprunghaft, denn gerade mal zwei Tage nach der Bundestagswahl, also am 25. Februar dieses Jahres, antwortet Merz auf die Frage nach Schuldenbremse und Sondervermögen so: "Es ist in der naheliegenden Zukunft ausgeschlossen, dass wir die Schuldenbremse reformieren. Das ist, wenn es überhaupt stattfindet, eine schwierige, umfangreiche Arbeit, die da zu leisten ist. Ich lese das auch, dass über das Sondervermögen bereits spekuliert wird. Wir sprechen miteinander, aber es ist viel zu früh, darüber jetzt schon etwas zu sagen."
Union und SPD einigen sich auf Sondervermögen
Nach dieser Aussage jedoch geht es dann ganz schnell. Es dauert sechs Tage, und CDU-Chef Merz verkündet zusammen mit den Spitzen von CSU und SPD, man habe sich geeinigt auf Kredite über Hunderte Milliarden Euro, das sogenannte Sondervermögen, und damit auf eine Reform der Schuldenbremse.
An Erinnerungsvermögen dürfte es Friedrich Merz nicht gemangelt haben, sagt Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler der "Blätter für deutsche und internationale Politik": "Eines steht fest: Friedrich Merz hat im Wahlkampf dezidiert anderes behauptet als das, was er jetzt durchsetzt. Das ist ein Problem, das ist nicht etwas, was das Vertrauen in die Demokratie stärkt. Auch wenn er zeitweilig angedeutet hat, man könne eine Reform der Schuldenbremse andenken, war doch im Wahlkampf immer die Rede, dass gerade das, was die Grünen vorgeschlagen haben, indiskutabel sei. Jetzt wird aber Erhebliches von dem, was die Grünen gefordert haben, durchgesetzt."
Lucke: Vorwurf Wahlbetrug geht an der Sache vorbei
Lucke sagt, dem CDU-Chef jetzt Wahlbetrug oder Wählertäuschung vorzuwerfen sei trotzdem schwierig, denn: "Wenn man den Eindruck erweckt, das wäre irgendwie rechtlich ahnbar, geht man an der Sache vorbei."
Der Politikwissenschaftler fügt hinzu: "Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir bei den Begriffen nicht falsche Tonlagen anschlagen. Man kann Friedrich Merz durchaus vorwerfen, dass er im Wahlkampf anderes behauptet hat als das, was er jetzt durchsetzt. Das ist aber keine Wahlfälschung, weil letztlich hier nicht die Ergebnisse gefälscht wurden." Ähnlich verhalte es sich mit dem Begriff Wählerbetrug oder Wahlbetrug, sagt Lucke, denn auch der beziehe sich letztlich auf die Auszählung der Stimmen.
Fazit: CDU-Chef Friedrich Merz hat sich im Wahlkampf nie für neue Schulden ausgesprochen und damit für eine Reform der Schuldenbremse. Jetzt aber, drei Wochen nach der Bundestagswahl, ist der Weg frei für ein Hunderte Milliarden schweres Schuldenpaket.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 17. März 2025 | 06:20 Uhr