Blick in die Einkaufsgalerie "Höfe am Brühl" 12 min
Video: Online-Boom: Wie geht es den Einkaufszentren? Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Längst nicht mehr nur Shopping Wie Shoppingcenter neue Wege gehen

18. Dezember 2024, 10:00 Uhr

Über 500 Shoppingcenter gibt es laut EHI in Deutschland. Um für Kunden weiterhin interessant zu bleiben, setzen Einkaufszentren mittlerweile nicht nur auf Einkauf als Erlebnis, sondern auch auf Attraktionen. Wir schauen, wie Center in Mitteldeutschland versuchen, sich für die Zukunft aufzustellen.

Experte: Standort wichtig für Attraktivität

In Deutschland gibt es nach Angaben des Handelsforschungsinstituts EHI derzeit 506 Shoppingcenter. Zur Jahrtausendwende waren es gerade mal 279 bundesweit. "Jetzt sind wir so bepflastert mit Centern, dass wirklich eine detaillierte Arbeit stattfinden muss. Dass in jedem Center geschaut werden muss: Welche Mieter haben wir in der Umgebung, welche können wir neu reinnehmen, wie halten wir das Center attraktiv?", sagt Marco Atzberger vom EHI im MDR-Magazin Umschau.

Bundesland Anzahl Shoppingcenter  
Sachsen 41  
Sachsen-Anhalt 24  
Thüringen 13  

Quelle Tabelle: EHI

Ob ein Center für Kunden attraktiv ist, hängt laut Atzberger auch vom Standort ab: "Wir stellen seit einigen Jahren fest: Die Center in der Innenstadt sind attraktiv. Da hat man eben die Anbindung an andere Nutzungsformen, an Wohnen, an Büros, vielleicht auch ans Kino. Während die Center auf der grünen Wiese Probleme haben. Da fahren zunehmend die Kunden ungern raus und kaufen dort ein." Was die Innenstadt so spannend mache, versuchten die außerhalb gelegenen Einkaufszentren durch ihren Mietermix auszugleichen. "Es geht also nicht mehr darum, noch einen Schuhladen reinzunehmen oder noch ein Textilgeschäft, sondern Aufenthaltsqualität zu bieten, etwa durch größere Food-Courts oder eben durch besondere Mieter, die man versucht anzulocken", erläutert er.

Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC hat 2023 eine Studie zum Einzelhandel im Wandel durchgeführt: "Shoppingcenter werden von Konsumenten weniger aufgesucht – viele Center haben sich von der Coronakrise nicht erholt. Der strukturelle Wandel fand schon vor der Pandemie statt." Dabei zähle die Pandemie zu den meistgenannten Gründen, weshalb Konsumenten heute seltener ein Shoppingcenter besuchen als vor fünf Jahren. Die zentralen Herausforderungen für Betreiber würden jedoch nicht aus der Pandemie, sondern aus dem aufstrebenden Onlinehandel rühren.

Mehr bieten als "nur" Einkaufsläden

Das Nova in Günthersdorf ist ein auf der grünen Wiese erbautes Shoppingcenter. Als Saalepark wurde es 1991 kurz nach der Wiedervereinigung eröffnet. Heute hat das Center eine Gesamtfläche von 90.000 Quadratmetern. Um für Kunden weiterhin interessant zu bleiben, gibt es verschiedene Attraktionen, wie einen Indoor Kletterpark, ein Schlumpfenland für Kinder oder zukünftig einen sogenannten Skydive – ein Windkanal. "Man kann hier quasi Fallschirmsprung üben und das in einem Kanal. Das wird jetzt hier gebaut. In der Region Mitteldeutschland wird es das so wahrscheinlich nie wieder geben", sagt Centermanager Peter Lehnhardt. Der Neubau soll mit zwölf Metern so hoch wie das daneben gelegene Parkhaus werden. In das Projekt wird ein fast zweistelliger Millionenbetrag investiert.

Aber auch andere Shoppingcenter bieten längst nicht mehr nur Einkaufsmöglichkeiten. In Leipzig ist es zum Beispiel möglich, auf den Höfen am Brühl zu wohnen. "Das war auch eine Auflage der Stadt Leipzig, dass wir nicht nur Shoppingtempel sind, sondern auch Wohnraum anbieten", erklärt Tetiana Herberger, Centermanagerin des 2012 gebauten Centers. Die Höfe am Brühl haben eine Gesamtfläche von mehr als 50.000 Quadratmetern, auf dem Dach befinden sich Wohnungen mit bester Lage in der Innenstadt. Sie sind heute ein Vorteil gegenüber anderen Centern, denn wer hier wohnt, kauft auch ein. Geplant ist aber auch der Service, Kunden, die mit der Straßenbahn kommen, die Einkäufe nach Hause zu bringen.

Zwei Frauen in einer leeren Wohnung mit Dachterasse
Centermanagerin Tetiana Herberger (links) und eine ihrer Mitarbeiterinnen in einer der 31 Wohnungen auf dem Dach der Höfe am Brühl. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Solche "Extras" sind heute wichtig. "Wir merken jetzt auf jeden Fall, dass Handel alleine nicht mehr der große Magnet ist, der die Menschen dahinzieht, weil wir in diese gesättigten Märkte rein verkaufen. Wir müssen überlegen, was ist denn dann ein Einkaufszentrum und dann geht es auch in die Richtung, dass man sagt: Lass das doch viel mehr ein Mittelpunkt des Zusammenlebens sein", erklärt Handelsexperte Frank Rehme im MDR-Magazin Umschau.

Wir müssen überlegen, was ist denn dann ein Einkaufszentrum und dann geht es auch in die Richtung, dass man sagt: Lass das doch viel mehr ein Mittelpunkt des Zusammenlebens sein.

Frank Rehme, Handelsexperte

"Shoppingcenter sind heute in der Situation wie Kaufhäuser vor 20 Jahren waren. Die besten werden bleiben", meint Antje Arnold, Centermanagerin des Kaufparks in Dresden. Dieses Einkaufszentrum hat nach Umbauarbeiten erst vor Kurzem endgültig neu eröffnet. Zuvor gab es dort bereits den Kaufpark Nickern. Vieles ist kostenlos: Parkplätze, Kinderkarussell, Toiletten. Als Highlight gibt es eine große Fläche für Veranstaltungen und Sachsens größten LED-Indoor-Screen. Die Centermanagerin ist überzeugt vom Konzept Einkaufszentrum: "Wir stellen auch fest, dass bei 25 bis 27 Prozent der Onlinehandel stagniert und der Kunde stark auf die persönliche Ansprache, den persönlichen Kontakt reagiert. Die Haptik eines Produktes, der Geruch, der Geschmack, eine Kaufentscheidung kann sofort getroffen werden, das Kaufbedürfnis kann sofort befriedigt werden. Und da ist die Umgebung natürlich ganz wichtig, dass es sicher, sauber, hell ist, dass was Schönes passiert."

Kreativ mit Leerstand umgehen

"Mittlerweile beträgt die durchschnittliche Leerstandsquote bei Shoppingcentern über elf Prozent", heißt es in einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC von 2023.

Das Problem mit dem Leerstand kennen auch Einkaufszentren in Mitteldeutschland. Im Nova in Günthersdorf sind aktuell 40 Geschäfte ungenutzt. Das sind zehn Prozent der gesamten Verkaufsfläche. "Das ist eine Entwicklung, die sehr herausfordernd ist und die ganz oft etwas mit der Struktur eines Shoppingcenters zu tun hat. Dieses Center wurde strukturiert vor 20 Jahren und da gab es sehr viele Boutiqueflächen, ganz kleine Modeboutiquen, 100 bis 150 Quadratmeter groß", sagt Centermanager Peter Lehnhardt. Das habe sich weiterentwickelt und viele seien vom Markt verschwunden. Die großen Flächen würden nun dominieren. "Ich sage immer: Unser Einkaufscenter sieht ein bisschen aus wie ein Schweizer Käse, ganz viele kleinen Löcher. Und diese vielen Löcher muss man zusammenschieben zu einem großen Loch, um denen eine große Fläche zu geben", erläutert er.

Bis es so weit ist, versucht er vor allem eins: Den Leerstand so gut wie möglich zu kaschieren. Das geschieht zum Beispiel mit einem Bereich mit Schließfächern und einer mit einem Code gesicherten Garderobe für Jacken. "Hier ist das, glaube ich, sehr clever gemacht, weil der Kunde nimmt es einfach nicht mehr wahr. Das ist unser Anspruch, zu sagen: Wenn wir Leerstand haben, dann machen wir was daraus, wo der Kunde sagt 'hey, das ist Mehrwert", erzählt Lehnhardt begeistert.

 Centermanager Peter Lehnhardt, Einkaufszentrum Nova
Centermanager Peter Lehnhardt zeigt die moderne Garderobe: "Hier kann man seine dicke Winterjacke reinhängen und kann shoppen gehen, ohne zu schwitzen." Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Auch in den Höfen am Brühl in Leipzig wird versucht, mit neuen Ideen dem Leerstand entgegen zu wirken. So soll beispielsweise auf einer Fläche von 1.200 Quadratmetern ein spezielles Kraftsport-Fitnessstudio entstehen. Das Konzept gibt es nur an zwei weiteren Standorten in Deutschland und soll eine neue Zielgruppe ins Center locken, wie Centermanagerin Tetiana Herberger sagt: "Sodass wir auch eine Möglichkeit bieten für den Touristen, für den Arbeitenden, sich hier ein bisschen auszutoben. Auch unterschiedliche Aktivitäten zu kombinieren: Die Frau kann shoppen gehen, der Mann kann erstmal seine zwei Stunden Gym machen oder umgekehrt."

MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 10. Dezember 2024 | 20:15 Uhr

Mehr aus Wirtschaft

Mehr aus Deutschland