
See bei Bitterfeld-Wolfen Verkauf der Goitzsche wird neu aufgerollt
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Von Daniel Salpius, MDR SACHSEN-ANHALT
11. Mai 2023, 08:30 Uhr
Vor zehn Jahren wurde die Goitzsche bei Bitterfeld-Wolfen an einen privaten Investor verkauft. Jetzt sollen die Vorgänge noch einmal rechtlich überprüft werden. Denn: Der Stadtrat hat Zweifel, dass damals alles korrekt ablief. In die Sanierung des ehemaligen Tagebaus flossen 345 Millionen Euro an öffentlichen Mitteln, der Investor zahlte damals 2,9 Millionen Euro.
- Der Verkauf der Goitzsche und angrenzender Grundstücke im Jahr 2013 soll juristisch geprüft werden – 3.000 Aktenordner müssen dafür gesichtet werden.
- Kritik gibt es bis heute an dem verhältnismäßig geringen Preis, den der private Investor für die Flächen gezahlt hat.
- Der Stadtrat zweifelt, dass beim Verkauf alles korrekt ablief und will die Vorgänge von damals aufklären.
Der Verkauf des Goitzschesees bei Bitterfeld-Wolfen wird juristisch aufgearbeitet. Am Mittwochabend hat der Stadtrat hinter verschlossenen Türen einen entsprechenden Beschluss gefasst. Damit werden nach MDR-Informationen jetzt zunächst Angebote von Anwalts- oder Wirtschafts-Kanzleien eingeholt.
Goitzsche für 2,9 Millionen Euro verkauft
Auf die Prüfer, die den Zuschlag erhalten, kommt viel Arbeit zu. 3.000 Aktenordner müssen gesichtet und bewertet werden. Es handelt sich nach MDR-Informationen um die Firmen-Akten der Bitterfelder Qualifizierungs- und Projektierungsgesellschaft (BQP). Die kommunale Gesellschaft war vor zehn Jahren in finanzielle Schieflage geraten und über den Weg einer Liquidation aufgelöst worden. Die 1.500 Hektar Goitzsche-Flächen in ihrem Eigentum wurden dabei für 2,9 Millionen Euro an einen privaten Investor verkauft, die Blausee GmbH.
Sanierung hat 345 Millionen Euro gekostet
Weil in die Sanierung des ehemaligen Tagebaus bis heute 345 Millionen Euro flossen, entzündet sich an diesem Preis bis heute heftige Kritik. "Es ist so, dass diese Grundstücke vermutlich für einen Euro pro Quadratmeter über den Tisch gegangen sind. Im Zuge einer Liquidation, bei der wir nicht sicher sind, ob sie notwendig war", sagte Stadtrat Uwe Bruchmüller (CDU) MDR SACHSEN-ANHALT. Heute würden dagegen 300 bis 350 Euro pro Quadratmeter für diese Flächen aufgerufen.
Stadträte zweifeln an korrektem Ablauf
Bruchmüller gehört einer Arbeitsgruppe im Stadtrat an, die sich in den vergangenen Monaten bereits mit den Aktenbergen beschäftigt hat und der fünf der sechs Fraktionen im Bitterfeld-Wolfener Stadtparlament angehören. Dass dabei Partei-Grenzen scheinbar problemlos überwunden werden konnten, zeigt die Relevanz des Themas für Bitterfeld-Wolfen.
Über die vorläufige Schlussfolgerung aus der bisherigen Arbeit sind sich die Fraktionen ebenfalls einig. "Wir sind der Meinung, dass im Jahr 2013 dem Stadtrat unter Vorspieglung falscher Tatsachen ein Antrag vorgelegt worden ist, dass die Gesellschaft in Liquidation gehen muss", sagte Stadtrat Kay-Uwe Ziegler (AfD) dem MDR. Es gehe daher jetzt auch darum, ob der Wertverlust, "der hier teilweise bei den Verkäufen hingenommen worden ist, akzeptabel ist, oder ob da vielleicht der eine oder andere zu große Vorteile für sich persönlich verbucht hat".
Aufklärung der Vorgänge als oberstes Ziel
Das Ziel sei in erster Linie die Aufklärung selbst. "Es kann natürlich auch sein, dass die Kanzlei dann sagt, es lief alles nach Gesetz. Dann akzeptieren wir das", erklärte SPD-Stadtrat Torsten Weiser im MDR-Gespräch. Sollten dagegen tatsächlich Verfehlungen entdeckt werden, wolle man die Möglichkeiten einer Rückabwicklung der Kaufverträge prüfen, so Weiser weiter. "Das wäre auch mein Wunsch", ergänzte Bruchmüller: "Dass wir am Ende in der Lage sind, auch als Bürger dieser Stadt zu entscheiden, was zukünftig hier wird."
MDR (Daniel Salpius, Andrea Seifert, Cornelia Winkler)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 11. Mai 2023 | 06:00 Uhr
Peter am 11.05.2023
hilflos: Unabhängig davon, ob die vom Stadtrat erhobenen Vorwürfe berechtigt sind oder nicht, stößt mir auf, dass gerade AfD-Mann Ziegler Mutmaßungen äußert, hier könnte persönliche Vorteilsnahme im Spiel gewesen sein.
Jener Herr Ziegler, gegen den gerade wegen Subventionsbetrug Ermittlungen laufen und infolge dessen seine Immunität aufgehoben wurde. Der Gerichtsprozess soll meines Wissens in diesem Jahr beginnen.
In Anbetracht dessen wäre wohl ein gewisses Maß an Demut angebracht. Dies scheint dem AfD-Politiker allerdings wesensfremd.
winkler am 11.05.2023
Sicher hat man damals die Einnahme von 2,9 Mio. EUR, die vermutlich längst für irgendwelchen Pipifax verpulvert wurde, gefeiert. Das Grundübel ist, dass der kommunale Sektor von der Hand in den Mund lebt und für Nachhaltigkeit keinen Geist hat, da bestenfalls von Wahlperiode zu Wahlperiode gerechnet wird. Auch die damit Beschäftigten haben kein großes Interesse, weil sie persönlich eh nix davon haben. Es dürfte auch kein Einzelfall sein. In der BZ habe ich gelesen, dass Berlin vor 15 Jahren eine Grundstück für 600 TEUR verkauft und jetzt für 15 Mio. EUR zurückgekauft hat. So geht erfolgreiche kommunale Wirtschaftspolitik.
salzbrot am 11.05.2023
Da wird die Prüfung ganz sicher fündig. 1. Fehler, den See zu privatisieren. 2. Fehler: wie die Privatisierung abgelaufen ist (z.B. Preis, Rechte beim Weiterverkauf von Grundstücken)