Hohe Studiengebühren geplant Dessau will Privat-Uni gründen – Hochschule Anhalt droht mit Abwanderung
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20. Juni 2024, 16:37 Uhr
Der Stadtrat von Dessau-Roßlau will die Gründung einer Privat-Uni in der Stadt unterstützen – in kommunaler Trägerschaft. Die Hochschule Anhalt ist alles andere als begeistert: Sie spricht von regionaler Konkurrenz im wissenschaftlichen Bereich und droht damit, alle Studienangebote aus Dessau an andere Standorte zu verlagern.
- Dessau-Roßlau will eine Privat-Uni in der Stadt gründen, doch an dem Vorhaben gibt es scharfe Kritik.
- Die Hochschule Anhalt droht damit, alle Kooperationen mit der Stadt zu kündigen.
- Kritik gibt es auch an den geplanten hohen Studiengebühren: Sie sollen bei 9.000 Euro pro Jahr liegen.
Der Stadtrat von Dessau-Roßlau will die Gründung einer Privatuniversität in der Stadt unterstützen. Das geht aus einem Beschluss des Stadtrates vom Mittwoch hervor, der mit 22 Ja-Stimmen, sieben Gegenstimmen und elf Enthaltungen angenommen wurde.
Demnach wird der Oberbürgermeister beauftragt, die erforderlichen Schritte vorzubereiten. Dazu sollen zunächst finanzielle Voraussetzungen geprüft und weitere Kooperationspartner gewonnen werden. Bis Ende September solle dann eine geeignete Trägergesellschaft entwickelt werden. Oberbürgermeister Robert Reck (parteilos) sagte am Abend im Stadtrat, man erhoffe sich, durch die neue Privat-Uni junge Menschen nach Dessau zu locken und so dem demografischen Wandel zu begegnen.
Wissenschaftsministerium schließt finanzielle Unterstützung aus
Geplant ist, die Gründung zunächst mit Mitteln aus der Stadt und kommunalen Unternehmen wie den Stadtwerken, Sparkasse und dem Klinikum zu ermöglichen. In der Vorlage des Beschlusses hieß es, die ersten Kosten in Höhe von rund 15 Millionen der Privat-Universität sollten in den kommenden fünf bis sechs Jahren getragen werden. In zehn Jahren könnten laut Planung Gewinne erzielt werden, vor allem durch die Studiengebühren. Auch Spenden seien denkbar, hieß es im Stadtrat.
Das Wissenschaftsministerium hatte eine eigene finanzielle Unterstützung ausgeschlossen. Wie das Ministerium MDR SACHSEN-ANHALT auf Nachfrage mitteilte, haben private Universitäten grundsätzlich keinen Anspruch auf staatliche Leistungen. Allerdings spreche nichts gegen weitere Bildungseinrichtungen. Sie könnten eine sinnvolle Ergänzung bilden, sofern sie sich selber finanzierten.
Hochschule Anhalt droht mit Verlagerung der Studiengebote aus Dessau
Die Hochschule Anhalt kritisiert das Vorhaben scharf und hatte bereits vor der Abstimmung mit Konsequenzen gedroht. Wie Hochschulpräsident Jörg Bagdahn MDR SACHSEN-ANHALT mitteilte, hat der Senat der Hochschule am Mittwoch empört eine Protestnote verabschiedet. 31 Professoren haben nach seinen Angaben das Papier unterzeichnet, in dem vor allem die Dopplung der Angebote und eine Konkurrenz kritisiert werden.
Der Senat erwägt demnach rechtliche Mittel und die Kündigung aller Kooperationen mit Dessau und droht zudem mit der Verlagerung aller Studienangebote aus Dessau an andere Standorte. Zudem kritisierte Bagdahn die geplanten jährlichen Studiengebühren von 9.000 Euro.
Diese lägen zum Teil deutlich über den derzeitigen Studiengebühren anderer privater Anbieter. "Angesichts dieser Punkte und der Tatsache, dass die Hochschule Anhalt über ein eigenständiges Promotionsrecht und exzellente Forschungsleistungen verfügt, erscheint es widersinnig, mit öffentlichen Mitteln eine regionale Konkurrenz im wissenschaftlichen Bereich zu unterstützen", hieß es von Bagdahn vorab.
Hochschule will in Planungen eingebunden werden
Zudem fordert die Hochschule, an den Planungen für eine private Universität in Dessau-Roßlau beteiligt zu werden. Bagdahn sagte MDR SACHSEN-ANHALT nach der Stadtratssitzung am Mittwochabend, das bisher vorgesehene Konzept solle dafür zurückgesetzt werden. Die nächsten Tage und Wochen würden zeigen, ob die Hochschule eingebunden werde. Geschehe das, habe man eine Gesprächsgrundlage, ansonsten nicht.
Gutachter hält Pläne für machbar
Der externe Gutachter Gerhard Schreier kommt dagegen zu dem Schluss, die Pläne seien "machbar". Es gebe aber ein paar Punkte, die ihn überrascht hätten, sagte Schreier MDR SACHSEN-ANHALT. Er verstehe, dass es viele Interessen gebe und dass manche Menschen auch nicht positiv gestimmt seien, wenn eine Universität entstehe. "Aber das muss man vielleicht aushalten und sich dann zusammenraufen", sagte Schreier.
Zur Finanzierung sagte Schreier, einer müsse das Projekt anschieben. "Am Anfang verdient man noch kein Geld damit. Es ist wie bei jedem Unternehmen. Wenn man es gründet, muss man erstmal investieren. Es geht um eine Anschubfinanzierung, um die ersten Jahre, in denen noch Zuschüsse nötig sind, weil noch nicht genügend Studierende da sind, die mit ihren Gebühren die Hochschule finanzieren", so der Gutachter.
Neue Uni soll im Oktober 2025 an den Start gehen
An der Privatuniversität sollen vier Bachelorstudiengänge mit den Schwerpunkten Gesundheit, Nachhaltigkeit und Biotechnologie angeboten werden. Nach Angaben im Stadtrat sind insgesamt 3.000 Studierende in 10 Bachelor- und 5 Masterstudiengängen geplant. Der Zeitplan ist straff: Schon im Oktober 2025 soll die neue Universität in Dessau öffnen.
MDR (Anja Höhne, Marvin Kalies, Susanne Reh, Grit Lichtblau-Horn, Kalina Bunk)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 20. Juni 2024 | 06:30 Uhr
Kalkbrenner vor 37 Wochen
Wettbewerb fördert immer die Freiheit. Dies zu leugnen wäre so als ob man die Naturgesetze leugnen würde. Zumal auch an den staatlichen Hochschule seit langer zeit nichts mehr ohne Drittmittelgeber geht. Egal ob diese Drittmittelgeber staatliche Stellen sind oder Personen sind. Beide haben ihre Interessen und üben nachweislich Einfluss auf die von ihnen beauftragte Forschung aus. Beispielsweise staatliche Stellen bei der Klimaideologie und Private beispielsweise bei der Methodik. Beispiele gibt es für beide Dinge mannigfaltig.
ElBuffo vor 37 Wochen
Wundert mich vor allem, dass Stadtwerke und insbesondere das Klinikum dafür Mitteln übrig haben sollte. Bei der Sparkasse ist das klar. Mit den hohen Gebühren ist das möglich. Und die einzige Möglichkeit sowas nicht unterstützen zu müssen.
Na.Ti vor 38 Wochen
Von wie vielen Studenten geht man denn da aus, welche an einer Uni ohne jedes Renommee in der tiefsten Provinz so viel Geld investieren wollen? Das klingt nach einem gewaltigen Luftschloß und dann noch aus öffentlicher Hand finanziert.