Vor Bundestagswahl Rentnerin über Migrationspolitik: "Es muss sich etwas ändern"
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12. Februar 2025, 05:00 Uhr
Als Lehrerin half Erika Kluger früher bei der Integration von Migrantinnen und Migranten. Mit Erfolg und Freude, wie sie heute sagt. Die Stimmung habe sich allerdings verändert. Warum die Rentnerin aus Heyrothsberge vor der Bundestagswahl ein Umdenken in der Migrationspolitik fordert – und damit exemplarisch für viele in ihrer Altersgruppe steht.
- Eine Mehrheit der über 65-Jährigen aus Mitteldeutschland spricht sich in einer MDR-Befragung für eine stärkere Begrenzung der Asylzugänge aus.
- Erika Kluger arbeitete früher ehrenamtlich als Deutschlehrerin für Migrantinnen und Migranten.
- Heute verlangt die Rentnerin eine härtere Migrationspolitik.
Früher war alles besser? Von solchen Plattitüden ist Erika Kluger weit entfernt. Aber: "Vieles war anders", sagt die 79-Jährige. Und: "Was die Migration angeht, ärgert es mich, wie sich die Dinge entwickelt haben."
Eigentlich genießt die Rentnerin aus Heyrothsberge ihren Ruhestand. So ganz unberührt lassen sie gewisse Debatten jedoch nicht. Früher war sie Lehrerin für Sport, Deutsch und Politik. "Deshalb interessieren mich politische Themen auch immer noch, deshalb verfolge ich die aktuellen Debatten sehr genau", sagt sie. "Und ich bin manchmal fassungslos. Einfach fassungslos."
Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg und dem Attentat von Aschaffenburg bestimmt die Migrations-Debatte den Bundestagswahlkampf. Grenzkontrollen, Abschiebehaft oder Familiennachzug – auch in Sachsen-Anhalt wird darüber diskutiert. Kaum ein Thema polarisiert so wie Zuwanderung.
Dabei ist die Zahl derer, die irregulär nach Deutschland gekommen sind, im Jahr 2024 um mehr als 30 Prozent zurückgegangen. Nach Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gab es 2024 knapp 251.000 Anträge auf Asyl – im Jahr zuvor waren es noch mehr als 350.000.
Dennoch: Laut dem aktuellen Stimmungsbild des MDR-eigenen Meinungsbarometers MDRfragt wünschen sich 89 Prozent der über 65-Jährigen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen eine stärkere Begrenzung der Asylzugänge. Das Meinungsbarometer ist nicht repräsentativ, aber aussagekräftig für die Stimmungen im MDR-Sendegebiet. "Die Menschen", sagt auch Erika Kluger, die exemplarisch für diese Altersgruppe steht, "berührt das alles sehr."
Rentnerin angepöbelt: "Was guckst du, Alte?"
Forderungen nach einer härteren Migrationspolitik wurden zuletzt immer lauter. Auch, wenn ein entsprechender Gesetzesentwurf der Union im Bundestag scheiterte: Die Debatte bleibt. "Ich verfolge alle TV-Shows, die sich mit dem Thema beschäftigen", sagt Erika Kluger. Für sie steht fest: "Es muss sich etwas ändern. Was hier abgeht, damit komme ich nicht klar. Es ist zu viel."
Zu viel Migration, meint sie. Nun sei es nicht so, dass ihre Meinung anhand von TV-Bildern entstanden sei. Nein, "ich sehe es doch oft selbst", sagt Kluger. Dann, wenn sie ein großes Magdeburger Einkaufszentrum durchquert, zum Beispiel. Mehrfach sei sie dort bereits von jungen, ausländischen Männern angepöbelt worden. Diese hätten unter anderem gesagt: "Was guckst du, Alte?" Und das ohne ersichtlichen Grund, erzählt die 79-Jährige.
Es muss sich etwas ändern. Was hier abgeht, damit komme ich nicht klar. Es ist zu viel.
Das Ergebnis: "Ich meide solche Plätze", sagt sie. "Genau wie große Ansammlungen von Menschen, wie zum Beispiel auf dem Weihnachtsmarkt. Nach dem, was da jetzt passiert ist, sowieso." Doch wenn sie mit dem Bus oder der Straßenbahn in die Stadt zum Einkaufen fährt, "sehe ich auch oft Dinge, die ich einfach nicht nachvollziehen kann", sagt sie.
"Schulklassen in Bussen, die unfassbaren Lärm machen und keinen Respekt mehr haben, wo kaum noch ein deutscher Schüler dabei ist", zum Beispiel. Die Rentnerin sagt: "Da sind viele einfach sehr frech und kennen keine Grenzen mehr. Das ist anders als früher."
Polizeiliche Kriminalstatistik: Zahl der Straftaten in 2023 Zahlen aus der im April 2024 veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik für 2023 zeigen, dass in Deutschland rund 5,94 Millionen Straftaten statistisch erfasst worden sind – rund 5,5 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Gewaltkriminalität nahm 2023 laut Statistik um 8,6 Prozent auf knapp 214.100 Fälle zu. Sie erreichte damit den höchsten Stand seit 2007. Der Anstieg ausländischer Tatverdächtiger fiel mit 14,5 Prozent höher aus als bei den deutschen Tatverdächtigen mit einem Plus von 2,2 Prozent. Studien zeigen allerdings, dass Menschen eine Tat eher zur Anzeige bringen, wenn sie vermuten, dass der mutmaßliche Täter ein Ausländer ist. Deutschland gilt nach Einschätzung des Bundesinnenministeriums dennoch als eines der sichersten Länder der Welt.
Ehemalige Lehrerin: "Die meisten wollten lernen"
Erika Kluger spricht aus Erfahrung. Die 79-Jährige arbeitete früher als Lehrerin, erst in der ehemaligen DDR, später dann auch jahrelang in der Nähe von Köln. Sie erzählt: "An der Gesamtschule dort waren vielleicht 30 deutsche Schüler, der Rest hatte einen Migrationshintergrund – und das war eine große Schule mit etwa 1.000 Schülern insgesamt."
Anfang der 2000er Jahre war das. Die Schülerinnen und Schüler seien damals aus dem Iran, dem Irak, Afghanistan oder Marokko gekommen. "Die meisten von ihnen waren willig, sie wollten lernen", erinnert sich Erika Kluger. "Auch die allermeisten Eltern waren daran interessiert, dass ihre Kinder die Sprache lernen. Sie hatten ein Ziel und wollten hier arbeiten für ein besseres Leben. Das war dann auch für uns Lehrer ein sehr schönes Arbeiten."
Ehrenamtlicher Deutschunterricht für Familien
Später gab Kluger, gebürtig aus Wolmirstedt, ehrenamtlich Deutschunterricht für Migrantinnen und Migranten, teilweise für ganze Familien. Sie half so bei der Integration. Vor ein paar Jahren sei sie gefragt worden, ob sie nicht noch einmal als Lehrerin aushelfen wolle. "Das Gehalt wäre gut gewesen", sagt sie, aber: "Ich habe abgelehnt. Zum Glück."
Denn heute habe sie das Gefühl, dass der Respekt vieler Migrantinnen und Migranten vor der deutschen Gesellschaft gesunken sei. "Manche machen einfach, was sie wollen. Die nehmen uns nicht mehr ernst", sagt Kluger. "Gefühlt spitzt sich die Situation immer mehr zu. Ich habe das so gelernt, dass du arbeiten gehen musst, um dein Leben zu genießen, später dann auch im Alter. Aber einige kommen einfach hierher, kassieren Sozialleistungen und das war es. Sie leben auf unsere Kosten."
Klare Forderungen an neue Bundesregierung
Ihre Forderung an die neue Bundesregierung? "Wer kriminell wird, sollte abgeschoben werden", sagt Erika Kluger. "Außerdem sollten auch nur diejenigen wirklich aufgenommen werden, die auch hier arbeiten wollen." Und: "Der Familiennachzug sollte begrenzt werden. Teilweise werden ja minderjährige Kinder offenbar losgeschickt, nur damit dann die ganze Familie nachkommen kann. Ich würde mir einfach mehr Gerechtigkeit wünschen, gegenüber den alten Leuten, aber auch den jüngeren, die arbeiten gehen."
Damit meint die Rentnerin ausdrücklich auch ausländische Bürgerinnen und Bürger, die in Deutschland arbeiten. "Wenn ich sehe, dass viele auch arbeiten gehen, obwohl sie noch gar nicht richtig Deutsch sprechen oder es noch lernen, dann ist das doch toll", sagt die 79-Jährige. "Solche Menschen sind willkommen, können auch von unserem Bildungssystem beispielsweise profitieren. Und wir profitieren auch von ihnen, brauchen ja auch Fachkräfte. Aber für Leute, die nur nach Deutschland kommen, um herumzulungern und Sozialleistungen zu kassieren, dafür habe ich kein Verständnis."
"Das Schöne an unserer Demokratie"
Dass sich wirklich etwas verändert, darauf hofft Erika Kluger zwar, aber: "Im Moment überschlagen sich die Parteien ja, weil es um die Wahlen geht. Am Ende wird aber wohl wieder nichts passieren." Trotzdem: Die 79-Jährige wird nicht müde, ihre Meinung kundzutun. Und: "Das ist ja auch das Schöne in unserer Demokratie, dass du das darfst."
Erika Kluger lacht. "Früher in der DDR, in Staatsbürgerkunde war das anders, das war schlimm. Da durftest du nicht diskutieren." Mit einem Lächeln im Gesicht erinnert sie sich: "Mein Staatsbürgerkundelehrer hatte eine Glatze. Und die wurde immer schon ganz rot vor Empörung, wenn ich nur meine Hand gehoben habe." Früher war vieles anders.
Die MDR-Wahlarena vor der Bundestagswahl
Nur noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl am 23. Februar. In der MDR-Wahlarena von FAKT IST! möchte der MDR am 12. Februar Orientierung liefern. Welche Themen bewegen die Deutschen am meisten? Und wie lauten die Antworten der Politikerinnen und Politiker? Dazu stellen sich den Fragen:
Tino Chrupalla, AfD
Torsten Herbst, FDP
Steffi Lemke, Grüne
Michael Lüders, BSW
Sepp Müller, CDU
Carsten Schneider, SPD
Bodo Ramelow, Die Linke
Im Live-Chat auf MDR.de können auch Sie Ihre Frage an unsere Gäste stellen. Sehen können Sie die Wahlarena am 12. Februar ab 20.15 Uhr im MDR-Fernsehen.
MDR (Daniel George)
Dieses Thema im Programm: FAKT IST! – Die Wahlarena | 12. Februar 2025 | 20:15 Uhr
der Steuerzahler vor 4 Wochen
Meines Erachtens genügt für die Integration, dass man Migranten so behandelt, wie man alle anderen auch behandelt. Mehr muss auch niemand leisten.
Darüber hinaus müssen der Staat und die Migranten selbst ihre Hausaufgaben machen.
In der Pflege werden bereits jetzt händeringend Arbeitskräfte gesucht, die aber eine gewisse Eignung mitbringen müssen. Sie können dafür nicht jeden einstellen.
Unstrittig ist, dass der Beruf aufgrund der Verdienstmöglichkeiten viel zu unattraktiv ist. Steigende Lohnkosten würden hier helfen, führen aber automatisch zu steigenden Lohnnebenkosten, was dann weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber erfreuen wird.
der Steuerzahler vor 4 Wochen
Eine NGO ist auch nur ein Verein, nicht mehr und nicht weniger.
Die Nachkriegsgeneration hat die "Boomer" hervorgebracht, welche aber nicht im gleichen Maße reproduziert haben. Zeigt ihnen jede Grafik zur Bevölkerungsstruktur. Die "Boomer" sind oder gehen bald in Rente. Anschließend gab es im Schnitt zwar immer einen leichten Geburtenrückgang, aber nie so signifikant, wie nach den "Boomern".
Ob ich jetzt 5, 2 oder gar kein Kind habe, ist vollkommen irrelevant.
wodiho vor 4 Wochen
@der Steuzahler
Oh, ich unterstütze diverse Organisationen mit kleinen Beiträgen. Allerdings keine NGOs.
Da bin ich sehr vorsichtig.
Und das Rentner aus mehreren Generationen bestehen, ist dank der veränderten Lebensdauer auch völlig untstrittig.
Allerdings ist meine Generation nun gerade die, mit den meisten Geburten. Und selbst die Generation davor hat trotz widriger Bedingungen mehr beigetragen, als die jetzigen Generationen.
Ursachenforschung dazu? Fehlanzeige. Dafür werden sinnfreie Behauptungen aufgestellt.
Jede Generation kann nur einen begrenzten Anteil zur demographischen Entwicklung leisten.
Ich legte den von mir und meinen Kindern dar und frug Sie, was der Ihre wäre.
Sie antworten mit Allgemeinplätzen.
Danke für das Gespräch.