Ein Mann vor einem Haus
"Ich bin wohl der Letzte, der das Licht ausmacht", sagt Jens Pannasch, der noch mit seinem Sohn in Mühlrose wohnt. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Tagebau Nochten Die letzten Einwohner von Mühlrose nehmen Abschied

15. Januar 2025, 06:00 Uhr

Mühlrose soll den Kohlebaggern weichen. Der Tagebau Nochten soll so ausgeweitet werden, dass das Dorf verschwinden muss. Die letzten Einwohner nehmen Abschied von ihren Häusern. Nur einer bleibt noch ein paar Wochen.

"Rettet unser schönes Mühlrose! Wir bleiben!", steht auf einem Banner auf einem Backsteinhaus. Er erinnert daran, dass einige Mühlroser nicht glücklich waren mit dem Vorhaben des Energieunternehmes Leag, ihr Dorf für die darunter liegende Kohle wegzubaggern. Doch bleiben wird auch der Bewohner dieses Hauses nicht. Das bestätigt er, mehr will er nicht sagen.

Bei ihm ist eine Mitarbeiterin der Leag - wohl für die Übergabe des Hauses. Auch sie will nicht mit einem Medienvertreter sprechen. "Wenden Sie sich für ein Statement an die Pressestelle", sagt sie.

"Die Übergaben von Grundstücken und Gebäuden erfolgen immer in direkter Abstimmung mit dem Eigentümer", teilt die mit. "Der Rückbau von Gebäuden erfolgt immer zeitnah, aber erst nach Vorlage aller dafür notwendigen Genehmigungen."

Ein Banner an einem Haus
"Kein Teilfeld Mühlrose. Keine Umsiedlung von Mühlrose. … Rettet unser schönes Mühlrose. Wir bleiben!", steht auf dem Banner auf einem Mühlroser Haus. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

145 Millionen Tonnen Kohle

Ab 2030 soll laut Internetauftritt der Leag auf dem Gebiet des Dorfes Kohle gefördert werden. Rund 145 Millionen Tonnen sollen im sogenannten "Teilfeld Mühlrose" noch zu holen sein. Die Umsiedlung der Bewohner ist nahezu abgeschlossen. Sie wurden von der Leag entschädigt, über die Höhe schweigt das Unternehmen.

Am anderen Ende des Dorfes ist schon der Abrissbagger angerückt. Mehrere Container stehen für den Bauschutt bereit. Andere Häuser wurden bereits abgerissen.

Ein Bagger vor einem Haus
Ein Abrissbagger steht bereit. Die Häuser von Mühlrose werden nach und nach abgerissen. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Der wohl letzte Bewohner von Mühlrose

Gegenüber dem Haus mit dem Banner wohnt noch jemand. Ein Katze maunzt zur Begrüßung. Über der Tür hängt ein Herrnhuter Stern. Der Bewohner kommt in Arbeitskleidung heraus. Auch er wird den Ort bald verlassen. Wann, wisse er nicht genau. "Ostern wird’s wahrscheinlich werden."

Schon vor zwei Jahren habe er mit seiner Frau außerhalb des Dorfes neu bauen wollen. "Dann ist sie verstorben. Da hat sich das alles erstmal zerschlagen", erklärt er. Er habe dann länger ein anderes Haus für sich und seinen Sohn gesucht und sich schließlich dafür entschieden, in Trebendorf neu zu bauen. "Jetzt bin ich wohl der Letzte hier, der das Licht ausmacht", sagt er und lacht.

Auf einem Schild steht Privatgelände
Die Leag möchte offenbar nicht, dass man ihr Gelände betritt. Überall im Dorf stehen Schilder mit der Aufschrift: "Privatgelände. Betreten verboten." Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

Dann wird er ernst. Das Haus zurückzulassen, sei nicht einfach für ihn. Fast 30 Jahre lang hätte er zusammen mit seiner Frau alles erneuert, nachdem sie es geerbt hatte. "Ich bin ja hier aufgewachsen. 54 Jahre lang habe ich hier gelebt. Es war eine gute Dorfgemeinschaft", erzählt er. "Naja, so ist das eben. Was soll man machen?"

Schlüsselübergabe an die Leag

Etwas abseits der anderen Häuser steht ein großes Backsteinhaus. Das Dach wurde bereits abgerissen. Ein Ehepaar fährt vor. Sie wollen noch etwas abholen und den Schlüssel an die Leag übergeben, erklärt der Mann, der seinen Namen nicht in einem Artikel lesen will. Seine Frau und er seien schon im August in ihr neues Haus in Schleife gezogen.

Ein Haus ohne Dach
Dieses Haus hat ein Ehepaar 70 Jahre lang bewohnt. Nun müssen sie endgültig Abschied nehmen. Bildrechte: MDR/Jörg Winterbauer

"Wir haben 70 Jahre hier gewohnt", sagt er. "Es ist schon schwer, das Haus ohne Dach zu sehen und zu wissen, dass es weiter abgerissen wird." Die beiden gehen rein. Nach einiger Zeit kommt die Frau wieder heraus, stellt sich auf die gegenüberliegende Straßenseite und betrachtet das Haus, das sie jahrzehntelang bewohnt hat und das nun der Leag gehört.

"Nehmen Sie Abschied?", fragt der Reporter vorsichtig. "Ja", sagt die Frau und betrachtet weiter in Stille das Haus, als wäre es ein verstorbener Freund. Bald wird nur noch ein Häufchen Schutt davon übrig sein.

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 14. Januar 2025 | 16:30 Uhr

31 Kommentare

Kritiker vor 5 Tagen

AlexLeipzig: Eine persönliche Antwort umschreibe ich mal höfflich: Nicht jeder hat genügen Geld sich dieser Moderne anzuschließen, etwas davon zu bekommen, dieses Moderne finanziell hier, jetzt und in der Zukunft umzusetzen.

Kritiker vor 5 Tagen

Anni22: Vllt. kümmert sich mal der MDR, das Mdr-Team um den Verbleib und den heutigen Unterschied, wie es diesen Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, heute geht / sie heute leben, ABER NICHT NUR MIT DEN GUTEN neuen Ergebnissen.

Kritiker vor 5 Tagen

ElBuffo: Leider haben die Vorgänger zu sehr mit Finanzen gewuchert und das kann KEINE NACHFOLGEREGIERUNG einfach so ausgleichen. Nur bei immer mehr Mitmenschen gehen diese Ausgaben auch an und über die finanziellen Grenzen des Machbaren. Wohl jedem der 2038 und Folgejahre nicht mehr erlebt.

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