Technische Universität Dresden Forschungsteam erzielt Durchbruch in Legasthenie-Forschung
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06. Oktober 2024, 05:00 Uhr
Stocken beim Lesen, vertauschte Buchstaben beim Schreiben und eine unleserliche Handschrift – das sind nur ein paar der Symptome von Legasthenie, auch Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) genannt. Die Ursache der Lernstörung ist bisher unbekannt, was die Entwicklung von Behandlungsmöglichkeiten erschwert. Einem Team aus Dresden ist in der Legasthenie-Forschung jetzt aber ein Durchbruch gelungen.
- Etwa sieben Prozent der Bevölkerung sind von Legasthenie betroffen.
- Die Ursache der Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) ist bisher unklar, einem Forschungsteam der Technischen Universität Dresden ist jetzt aber ein Durchbruch gelungen.
- Ein Hirnareal in der Größe eines Pfefferkorns steht mit der Lernstörung in Verbindung.
"Du kannst das lesen, aber du verstehst absolut nicht, was drinsteht. Du erkennst die Buchstaben, aber weißt manchmal nicht, was daraus entsteht" – so erlebt es Anna Hecht, wenn sie eine E-Mail, eine Wegbeschreibung oder auch nur ein Türschild lesen möchte. Die 24-Jährige hat Legasthenie, wie etwa sieben Prozent der Bevölkerung.
Legasthenie ist für Betroffene belastend
Schon die Schulzeit war für Hecht belastend: "Die ersten drei Jahre waren furchtbar, weil du nicht wusstest, was es ist, und dann null Unterstützung hattest, weil das Schulsystem auch nicht so ausgelegt ist, dass man sich Hilfe holen kann", erinnert sich die Dresdnerin.
Woran genau es liegt, dass Legasthenie-Betroffene wie Anna Hecht Probleme beim Lesen und Schreiben haben, ist bisher ungeklärt. Um ihnen in Zukunft besser helfen zu können, wird die Ursache von LRS weiter erforscht. Dabei ist einem Forschungsteam der Technischen Universität Dresden unter Leitung von Prof. Katharina von Kriegstein jetzt ein Durchbruch gelungen.
Du erkennst die Buchstaben, aber weißt manchmal nicht, was daraus entsteht.
In einer Studie wurden die Gehirne von 25 Legasthenie-Patienten und 24 Kontrollpersonen mit einem speziellen MRT-System untersucht. Das Gerät hat einen außergewöhnlich starken Magneten, der es ermöglicht, auch tief im Gehirn liegende Areale zu untersuchen. Das Ergebnis: Eine Struktur in der Größe eines Pfefferkorns ist bei Menschen mit Legasthenie beeinträchtigt.
Dresdner Forschungsteam ist Durchbruch gelungen
"Wir konnten zeigen, dass der bewegungsempfindliche Teil des visuellen Thalamus bei Legasthenie in der Funktionsweise und der Struktur im Vergleich mit Kontrollpatienten verändert ist", erklärt Neurowissenschaftlerin und Studienautorin Dr. Christa Müller-Axt. Der visuelle Thalamus verbindet die Augen mit der Großhirnrinde, transportiert also die Informationen, die wir mit den Augen wahrnehmen – beispielsweise Buchstaben und daraus entstehende Texte – weiter an das Gehirn.
"Die Legasthenieforschung besteht ja jetzt schon ein paar Jahre und bisher ist die Ursache ungeklärt, was vermuten lässt, dass das Bild noch nicht vollständig ist", erklärt Müller-Axt. Bisher lag der Fokus der Legasthenie-Forschung vor allem auf der Großhirnrinde, der visuelle Thalamus fand weniger Beachtung. Das hatte vor allem praktische Gründe: Wegen seiner Pfefferkorn-Größe und seiner Position tief im Gehirn konnte er von üblichen MRT-Geräten nicht erfasst werden.
Hoffnung auf neue Behandlungsmethoden
Dass mit dem Spezial-MRT jetzt gezeigt wurde, dass diese kleine Gehirnstruktur bei Legasthenie-Betroffenen verändert ist, bedeutet laut Müller-Axt einen Durchbruch dabei, LRS vollumfänglich verstehen zu können.
Die neuen Erkenntnisse über Legasthenie sollen genutzt werden, um in Zukunft einfacher Diagnosen stellen zu können und bessere Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene wie Anna Hecht zu entwickeln. Bis dahin wünscht sie sich vor allem mehr Verständnis für ihre LRS: "Es würde schon mal helfen, wenn überhaupt verstanden wird, was das Problem ist. Die Sichtbarkeit fehlt vor allem." Außerdem wünscht sie sich mehr Unterstützung, besonders für Erwachsene mit Legasthenie.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 08. September 2024 | 19:56 Uhr