300.000 Euro Mehrkosten Software-Fehler: Junge Familie wartet seit zwei Jahren auf Baustart für ihr Eigenheim

16. Juni 2023, 17:04 Uhr

Seit mehr als zwei Jahren wartet ein Ehepaar aus dem nordsächsischen Audenhain auf den Baustart für sein Eigenheim. Durch ein Softwareproblem konnte sich die Familie bisher nicht als Besitzer des Grundstückes ins Grundbuch eintragen lassen. Die Verzögerung hat nach ihrer Schätzung bisher Kosten von 300.000 Euro verursacht.

Kampf um Grundbuch-Eintrag dauert schon länger als zwei Jahre

Im März 2021 hat eine vierköpfige Familie ein Grundstück im nordsächsischen Audenhain gekauft, aber bisher dafür keinen Eintrag ins Grundbuch erhalten. Dies scheitert bis heute an einem IT-Problem in der zuständigen Behörde. Damit ist auch das geplante Eigenheim mit fünf Zimmern, Garten und Terrasse bislang nur ein Traum geblieben. Denn erst wenn man als Eigentümer im Grundbuch steht, darf man auch darauf bauen. Auf dem Grundstück ist daher auch heute noch nichts mehr zu sehen als Gras.

IT-Fehler im zentralen Datenverarbeitungssystem in Dresdner Ministerium

Um einen Grundbucheintrag durchführen zu können, muss die für Audenhain zuständige Behörde in Torgau auf die amtlichen Grundstücksdaten zugreifen. Die sind beim Ministerium für Regionalentwicklung in Dresden gespeichert. Nach einem Flurbereinigungsverfahren, bei dem Grundstücksgrenzen in Audenhain begradigt und Grundstücke neu zusammengelegt wurden, konnten die neuen Daten jedoch nicht wieder in das Zentralregister des Ministeriums eingetragen werden. Die  IT-Systeme des Landratsamtes und die des Ministeriums konnten nicht aufeinander zugreifen. Einträge könne das Grundbuchamt Torgau jedoch nach eigener Aussage erst dann vornehmen.

Dieses Problem ist bekannt und besteht seit 2021, verursacht durch ein Software-Update beim Landesamt für Geobasisinformation Sachsen, das dem Ministerium unterstellt ist. Wann der Fehler beim zentralen Datenverarbeitungssystem "Alkis" behoben werden könne, steht noch nicht fest, erklärte das Ministerium auf "Voss&Team"-Nachfrage: "Ein Zeitpunkt für die Umstellung auf die neue Version kann derzeit nicht genannt werden, weil die Ergebnisse ausstehender Tests noch nicht bekannt sind."

Familie schätzt bisher entstandene Kosten auf 300.000 Euro

Welche Kosten der Familie bisher durch die Verzögerung entstanden sind, hat die Familie dem MDR-Magazin "Voss&Team" vorgerechnet. Die Corona-Krise und die Folgen des Ukraine-Kriegs haben dabei auch für eine Kostenexplosion gesorgt. Der erste Faktor sind die Kreditzinsen. Diese hätten sich mittlerweile verfünffacht, erklärte Familienvater Andreas Keil.

Die Kosten für Baumaterialien hätten sich seiner Schätzung nach bisher verdoppelt. Hätten sie 2021 noch bei 200.000 Euro gelegen, würden sie jetzt 400.000 Euro betragen. Da die Familie auch nicht, wie eigentlich geplant, im Haus wohnen kann, muss die Miete für die Wohnung weiter bezahlt werden. Auch Extra-Kosten.

Die Keils bezahlen nach eigenen Aussagen zudem eine Versicherung für das Grundstück, Grundstückssteuer und Abwassergebühren. "Was so ringsherum anfällt, das zahlen wir ja jetzt schon", so Andreas Keil. Alles in allem würden sich die Mehrkosten durch die Bauverzögerung bereits auf 300.000 Euro belaufen.

Manueller Eintrag ins Grundbuch längst möglich

Für die Keils und die mehr als zehn weiteren Betroffenen gäbe es längst eine Lösung. Das Ministerium für Regionalentwicklung und das Justizministerium haben sich darauf verständigt, dass Grundbucheinträge seit Sommer letzten Jahres auch ohne Zugriff auf das Datenregister manuell durchgeführt werden können.

In anderen Landkreisen wird das schon längst praktiziert. Das Grundbuchamt Torgau habe vor Kurzem damit begonnen, erklärte Jörg Burmeister im Interview mit "Voss&Team". Der Direktor des Amtsgerichtes Torgau betonte dabei auch, dass das "einen immensen Personalaufwand" mit sich bringen würde. In den "sauren Apfel" müsse die Gemeinde aber "beißen". Zehn bis 20 Einträge müssten nun schnell abgearbeitet werden, um den Betroffenen zu helfen. "Das ist jetzt auf einem guten Weg", erklärte der Direktor des Amtsgerichtes Torgau. Offenbar wurden einige Betroffene wie Familie Keil aber nicht darüber informiert. Die Familie freut sich nun aber, dass der Grundbucheintrag in Sichtweite ist.

Experte: Freistaat Sachsen muss Kosten übernehmen

Dass Betroffenen durch die Verzögerungen hohe Kosten entstanden sind, sei dem Amtsgericht Torgau durchaus bewusst, aber etwa derart gestiegene Bauzinsen nicht vorhersehbar, betonte Burmeister gegenüber "Voss&Team". Die Frage, ob das Amtsgericht auch dafür aufkommen werde, verneinte er: "Das Amtsgericht wird für diese Schäden nicht aufkommen."

Dietmar Scholz, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, sieht hier den Freistaat Sachsen in der Pflicht: "Es gibt eine einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11. Januar 2007, in dem der Bundesgerichtshof ausgeführt hat, dass der Staat seine Gerichte so auszustatten hat, dass sie die anstehenden Verfahren ohne vermeidbare Verzögerungen abschließen können. Da ging es auch um die Verzögerung bei der Bearbeitung von Grundbucheinträgen."

MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Voss und Team | 08. Juni 2023 | 20:15 Uhr

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