
Gewalt an Schulen Workshop bietet Selbstverteidigungskurs für Lehrkräfte
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10. Mai 2023, 09:51 Uhr
Die Gewalt gegen Lehrkräfte hat zugenommen. Das belegt eine Studie der Gewerkschaft VBE. In Sachsen gibt es nun einen Selbstverteidigungskurs für Pädagogen. Nötig ist jedoch noch etwas anderes.
- Rechtsfragen und Deeskalation kommen im Kurs vor Kampftechnik.
- Gewalt gegen Lehrer an Schulen weit verbreitet.
- Gewerkschaft fordert Unterstützung durch Landesregierung.
Was tue ich, wenn mir als Lehrerin oder Lehrer in der Schule eine Beleidigung oder eine Brotdose an den Kopf geworfen wird? Wenn zwei Schüler sich prügeln oder im Internet manipulierte Sexbildchen von mir kursieren? In Sachsen können Lehrkräfte neuerdings einen zweiteiligen Präventionsworkshop machen.
Deeskalation steht im Vordergrund
Organisiert wird der Workshop von Michael Hoyer, Oberschullehrer und Vorsitzender des GEW-Bezirksverbands in Chemnitz. Er erklärt, im ersten Teil stehe der Rechtschutz im Fokus und die Frage, wie man deeskalieren und wo man Hilfe finden könne, wenn es zu Gewalt komme. "Und im zweiten Teil des Workshops geht es dann in verschiedene Techniken rein, so dass ich mich einfach sicherer fühlen kann, wie ich mich selber gegen Angriffe zur Wehr setzen kann."
Hoyer betont: "Wir haben es hier mit Schutzbefohlenen zu tun, und da muss man natürlich immer das mildeste Mittel verwenden, um Angriffe abzuwehren und gegebenenfalls auch Kinder, die miteinander in Konflikt stehen, zu trennen." Unterstützt wird Hoyer dabei von einer Chemnitzer Kampfsportschule.
Da fällt mir die Antwort leicht: gar nicht.
Schon während der Ausbildung sollten Anwärterinnen und Anwärter für den Lehrerberuf auf Gewaltsituationen vorbereitet werden, fordert Gerhard Brand, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Auf die Frage, wie der Lehrernachwuchs aktuell vorbereitet wird, sagt Brand knapp: "Da fällt mir die Antwort leicht: gar nicht."
Gewalt an Schulen weit verbreitet
Physische und psychische Gewalt finden an fast jeder Schule statt, zeigen Studien des VBE. Und sie belegen, dass die Fälle zunehmen. Vielleicht, weil mehr und offener darüber gesprochen werde, vermutet Brand.
Gewalt gegen Lehrkräfte Laut dem Verband Erziehung und Bildung ist es in den letzten fünf Jahren an 20.000 Schulen zu physischer Gewalt und an 10.000 Schulen zu Cyber-Mobbing gegen Lehrkräfte gekommen. In einer Umfrage im Auftrag des VBE bestätigten 74 Prozent aller Förder- und Sonderschulen Fälle von körperlichen Angriffen auf Lehrkräfte, bei Gymnasien waren es sechs Prozent. Cybermobbing gab es damnach an 45 Prozent der Gymnasien, 55 Prozent der Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie 13 Prozent der Sonderschulen.
Schulform | Beschimpfung, Bedrohung, Belästigung | Cybermobbing | körperliche Angriffe |
---|---|---|---|
Grundschule | 58 Prozent | 23 Prozent | 36 Prozent |
Haupt-, Real-, Gesamtschule | 72 Prozent | 55 Prozent | 23 Prozent |
Gymnasium | 41 Prozent | 45 Prozent | 6 Prozent |
Förder-/Sonderschule | 79 Prozent | 13 Prozent | 74 Prozent |
Brand sagt, schon lange fordere der VBE, dass das Thema "Gewalt an Schulen" sowohl in der Uni als auch im Referendariat besprochen werde. Man müsse geschult werden, "wie man das erkennt, wie man deeskalieren kann und Gewalt vielleicht vermeiden kann." Denn es sei immer besser, präventiv reagieren zu können und präventiv die Sachen aus der Welt räumen zu können, als wenn es zu einem Gewaltvorfall komme.
Verband sieht Ministerien am Zug
Brand sieht dabei zunächst das Wissenschaftsministerium am Zug, das Thema in die Lehrerausbildung aufzunehmen: "Wenn ich dann vom Studium weggehe und ich komme ins Referendariat, dann ist die Aufgabe wieder beim Kultusministerium. Und gerade im Referendariat, wo die jungen Kolleginnen und Kollegen den ersten intensiven Kontakt mit dem Schulleben haben und eventuell auch schon mit solchen Dingen konfrontiert werden, da wäre es im Seminar noch mal ganz hervorragend untergebracht, weil man dort in der Gruppe diese Vorfälle reflektieren kann."
Lehrer fordert mehr personelle Unterstützung
Oberschullehrer Hoyer aus Chemnitz vermutet, dass das steigende Gewaltpotenzial auch mit der schwierigen Personallage zusammenhängt: "Wir würden uns zum Beispiel gerade als Gewerkschaft sehr wünschen, dass man mehr Schulassistenten einstellt, mehr Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen und Schulpsychologinnen. Sie warten mittlerweile extrem lange auf Termine beim Schulpsychologen, was natürlich auch mit der Aufarbeitungssituation im Nachgang der Corona-Pandemie zusammenhängt. Hier müssen einfach Unterstützungssysteme für Schulen bereitgestellt werden."
Auch hier erhofft sich der Lehrer Unterstützung von der Landesregierung. Denn nur, wenn sie von einer sicheren Arbeitsumgebung ausgehen könnten, würden sich junge Menschen für den Lehrerberuf entscheiden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 10. Mai 2023 | 06:00 Uhr
Anita L. am 10.05.2023
Ich finde es wirklich löblich, dass sich der Verband für unsere Sicherheit einsetzt, aber...
Es wird m. E. n. das Symptom bekämpft, nicht aber die Ursache. Und selbst Sozialarbeiter und Schulpsychologen kommen viel zu spät zum Einsatz. Das Umdenken, was den Umgang mit unseren Mitmenschen betrifft, kann nicht erst in der Schule beginnen, kann und darf nicht alleinige Aufgabe der Schulen sein. Kinder lernen soziales Verhalten nicht nur in der Schule, sondern sie bringen ihr erlerntes soziales Verhalten mit. Von zuhause. Aus den peergroups. Von den sozialen Netzwerken. Aus den Medien.
Atheist am 10.05.2023
Kein Mitleid!
joeba6027 am 10.05.2023
Was ist nur aus dieser Gesellschaft geworden??? Aber danke für die Offenheit dieses Artikels.