Sonnabend, 13.02.2021: Körpernahe Dienstleistungen

Die Pandemie hat viele neue Begriffe geprägt: Lockdown, 7-Tage-Inszidenz, FFP-2-Maske - um nur einige zu nennen. Auch der Ausdruck "Körpernahe Dienstleistungen" war mir bisher fremd. Natürlich denkt fast jeder an das Friseurhandwerk, weil die Haartracht inzwischen so sehr außer Form gerät, dass man das eigene Spiegelbild nicht mehr leiden mag. Auch an Massage und Sauna, Kosmetik oder Fußpflege ist zu denken. Auch Prostitution fällt einem nicht erst als Letztes ein, wenn von körpernahen Dienstleistungen die Rede ist. Oft vergessen werden dagegen die Bestatter.

Als Jesus in Bethanien war, kommt eine Frau unvermittelt von hinten, greift ihm sanft ins Haar, zerbricht eine Alabasterflasche und massiert sündhaft teures Öl auf seiner Kopfhaut. So erzählt es die Bibel. Nicht ohne zugleich auch die Entrüstung der Umherstehenden zu beschreiben. Sie hat einen zweifelhaften Ruf. Sie ist verschwenderisch. Was könnte man Gutes tun mit so teurem Öl, wenn man es verkauft. Wie kann sie dem Mann ungefragt so nahe kommen! Ein bisschen Neid schwingt mit in dieser distanzierten und reglementierten Gesellschaft.

Glaube und Religion haben auch etwas mit dem Körper zu tun. So wenig Gott mit Händen zu greifen ist, Gebet und Meditation gerade den Geist als unstoffliche Kraft suchen, so natürlich ereignet sich lebendiger Glaube auch durch Nähe und körperliche Berührung. Jesus selbst heilt und segnet unter Handauflegung. Und körpernahe Dienstleistungen in Diakonie und Caritas vermitteln göttliche Zuwendung über menschliche Hände. Auch der Segen im Gottesdienst und nicht zuletzt das Betten der Toten zur letzten Ruhe ist christlicher Liebesdienst. Dabei muss immer gelten: Nein heißt Nein. Niemand darf gezwungen werden. Der eigene Körper ist heilig. Und es gibt Zeiten, da Distanz Vorrang hat, etwa jetzt in der Pandemie. Aber wohlanständige Entrüstung über den Körperkontakt ist keine Glaubensleistung. Lasst sie, sie hat meinen Leib im Voraus zum Begräbnis gesalbt, wehrt Jesus alle Anfeindungen von der Frau ab. Weil sie ihn berührt hat durch ihre Hingabe, wird man noch Jahrhunderte von ihr erzählen.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Holger Treutmann

Holger Treutmann

1963 in Springe bei Hannover geboren | verheiratet | 2 Kinder | Studium in Bethel, Göttingen, Berlin | 1989 1. Theologisches Examen in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover | 1989-1993 Pharmareferent bei Astra-Chemicals Wedel/Hamburg | 1993-1995 Vikariat in Bröckel bei Celle | 1995 2. Theologisches Examen in der Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover | 1995 Wechsel in die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen | 1995-1999 Pfarrer in Eibenberg-Kemtau und Chemnitz-Reichenhain | 1999-2005 Pfarrer in St.-Pauli-Kreuz-Gemeinde Chemnitz | 2006 - Januar 2016 Pfarrer der Frauenkirche in Dresden | Ehrenamtlicher Mitarbeiter der Notfallseelsorge Dresden | seit Februar 2016 Senderbeauftragter der Ev. Kirchen beim MDR und Rundfunkbeauftragter der Ev.-Lutherischen Landeskirche Sachsens

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.