Montag, 18.07.2022: Ferienbeginn
Heute ist in Sachsen der erste Ferientag. Das heißt sechs Wochen frei. Meine Kinder werden sich wohl erst am sehr späten Vormittag blicken lassen. Es sei ihnen gegönnt. Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, war die größte Verlockung an den Ferien, dass ich lange ausschlafen konnte. Ganz unwahrscheinlich kam es mir vor, jemals wieder halb sieben müde am Küchentisch zu sitzen. Die freie Zeit vor mir schien mir endlos. In dieser Ferienanfangszeit konnte ich etwas ahnen, was bis heute über meinen Verstand geht. Was Ewigkeit sein könnte.
Die Ewigkeit habe ich dann auch genutzt. Mit dem Rad fuhr ich morgens zum Badesee, warf alle Sachen hin und rannte mit Karacho ins spritzende Wasser. Vom Baden erschöpft zurück auf der Wiese hatte ich wieder dieses Gefühl. Die Sonne brannte heiß und der Tag schien nie enden zu wollen. Ewig weit weg war alles, was sonst angeblich wichtig sein sollte. Keiner mahnte zu Hausaufgaben oder sprach davon, ich solle mein Zimmer aufräumen. Wie ich auf der Decke lag und in den blitzblauen Himmel blinzelte wusste ich: "So fühlt sich Ewigkeit an." Als Erwachsener ersehne ich mir manchmal dieses Gefühl. Das müsste doch möglich sein. Der Prediger Salomos in der Bibel findet die schöne Formulierung: "Gott hat die Ewigkeit in des Menschen Herz gelegt." Ich könnte mich dann wirklich frei machen von den unerledigten Aufgaben. Der bohrende Gedanke, ich hätte nicht genug getan, würde endlich einmal verstummen. Dann würde ich ganz im Moment leben. Weil sich die Ewigkeit nicht mit Eile und Unruhe verträgt. Sie reinigt den Geist und öffnet Raum für Phantasie. Es wäre wie als kleiner Junge beim Frühstück am ersten Ferientag oder auf der Decke im Schwimmbad. Darum schlage ich vor, den ersten Sommerferientag zu einem beweglichen Gedenktag für die Ewigkeit zu machen.
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