Wissen-NewsRegeln kreativ umgehen? Das lernen wir schon als Kind!
Im Alter von fünf bis sechs Jahren beginnen Kinder, Regeln auf kreative Weise zu umgehen, indem sie sich ein Schlupfloch suchen. Meist heißt das: Sie befolgen die Regel wörtlich, aber nicht nach ihrem eigentlichen Sinn.
Es kann durchaus lustig sein, wenn ein Kind kreativ Regeln umgeht – vor allem, wenn es nicht das eigene Kind ist. Ein Beispiel gefällig? Es gibt zwei unmissverständliche Regeln: 1. Kein Essen im Wohnzimmer. 2. Kein Tablet in der Küche.
Was das kreative Kind dann tut, wenn Küche und Wohnzimmer nur durch eine Teppichkante getrennt sind? Es platziert das Tablet auf dem Wohnzimmerteppich und sich selbst – genüsslich essend – auf dem Küchenboden knapp vorm Tablet. Beide Regeln wurden wörtlich befolgt.
Typischerweise beginnen Kinder im Alter von fünf bis sechs Jahren, sich solche Regelschlupflöcher zu suchen oder auszudenken. Den Höhepunkt dieses Verhaltens gibt es dann im Alter von sieben bis acht Jahren. Zumindest hat das eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Harvard University in den USA herausgefunden. Computer-Verbot? Gut, dann wird das Tablet genommen. Gummibärchen-Verbot? Dann müssen eben die Gummiwürmer dran glauben.
Kinder finden es lustig, wenn Regel-Schlupflöcher genutzt werden
Kinder in diesem Alter finden übrigens auch "fremde" Schlupflöcher lustig, benennt Mitautorin Kiera Parece eine Erkenntnis der Studie: "Sie lächelten und lachten mehr, wenn sie Geschichten über Schlupflöcher hörten, als wenn sie Geschichten über Kinder hörten, die das taten, was man ihnen sagte, oder die sich schlichtweg weigerten, es zu tun." Und während es jüngeren Kindern noch schwerfiel, sich eine Möglichkeit auszudenken, wie sie "hinterhältig" sein konnten, waren Kinder im Alter von fünf bis sieben Jahren zunehmend in der Lage, sich selbst gültige Schlupflöcher auszudenken, sagt Parece.
Nachgewiesen wurde in der Studie auch, dass Kinder sich vom Schlupfloch-Handeln weniger Ärger versprechen, als wenn sie sich der Regel ganz klar widersetzen würden. "Vielleicht kann man sich mit Schlupflöchern aus der Patsche helfen, weil sie lustig und kreativ sind", vermutet Kiera Parece. "Oder vielleicht liegt es daran, dass Schlupflöcher eine 'plausible Bestreitbarkeit' bieten, so dass ein Kind behaupten kann, es habe die Aufforderung generell falsch verstanden." Aber die letztgenannte Erklärung sei eigentlich schon merkwürdig, denn das Kind wisse fast immer ganz genau, wie die Regel gemeint sei. Kann ein Kind, dem gesagt wurde, es solle "das Tablet weglegen" und das das Tablet dann auf den Tisch legt und weiter darauf spielt, ernsthaft behaupten, es habe die Ansage anders verstanden, als sie gemeint war?
Parallelen zu Berufsleben, Politik und sogar künstlicher Intelligenz?
Regel-Schlupflöcher seien nicht nur im Zusammenhang mit Kindern super interessant, sagt Kiera Parece. "Wenn man einmal anfängt, über sie nachzudenken, sind sie überall: im Gesetz, in der Geschichte, in Fabeln, in Rebellionen, im Alltag, in Regierungen, in Unternehmen, in allem." Schlupflöcher seien aber auch besorgniserregend: "Wir Menschen entwickeln derzeit neue Formen der maschinellen Intelligenz, die vielleicht nicht das tun, was wir wollen. Wenn wir am Ende einen Flaschengeist bauen, sollten wir Flaschengeister besser verstehen", so die Forscherin.
Anhand von Schlupflöchern werde deutlich, dass alle Sprache unscharf ist und dass kooperative Kommunikation einen Prozess beinhaltet, bei dem das eine Gegenüber verstehen muss, was das andere meint – um dann für sich entscheiden zu können, was es mit diesem Wissen anfängt. "Diese Forschung ist hilfreich, um zu verstehen, wie absichtliche Missverständnisse entstehen, was hoffentlich den Grundstein dafür legt, wie wir sie in Fällen, in denen wir sie vermeiden wollen, vermeiden können", bilanziert Kiera Parece, "oder wie wir sie in Fällen, in denen wir sie fördern wollen, nutzen können."
Links / Studien
Die Studie "Learning Loopholes: The Development of Intentional Misunderstandings in Children" ist im Fachjournal "Child Development" erschienen.
(rr)
Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 27. Februar 2025 | 13:47 Uhr
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