
Biodiversitätskrise Wie der Rückgang der Artenvielfalt das Wissen über die Menschheit bedroht
Hauptinhalt
06. April 2025, 15:00 Uhr
Es ist viel geschrieben worden über die Folgen des Artensterbens auf der Erde. Forscher aus Leipzig fügen nun einen weiteren Aspekt hinzu. Denn die Forschung selbst ist dadurch bedroht und damit auch das Wissen über unsere eigene, menschliche Entwicklung.
Wenn die Tiere verschwinden, können wir sie auch nicht erforschen. Damit geht uns nicht nur das Wissen um die Tierwelt verloren, sagen Forscher der University of Victoria (Kanada) und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig in ihrer aktuellen Veröffentlichung. „Kulturelles Verhalten reicht von Walgesängen bis zum Werkzeuggebrauch bei Primaten“, sagt Ammie Kalan von der University of Victoria in einer gemeinsamen Mitteilung der beiden Forschungseinrichtungen. „Diese Anpassungen an sich verändernde Umweltbedingungen kommen nicht nur den Tieren zugute, sondern liefern uns auch wichtige Erkenntnisse über die Ursprünge von Verhalten und Lernen bei verschiedenen Arten.“ Deshalb, so Kalan weiter, würden die weltweit schrumpfenden Tierpopulationen eine echte Herausforderung für die Wissenschaft und das, was wir noch lernen können, darstellen.
Was wir von Tieren über Menschen lernen können
Die Erforschung der Verhaltensweisen der Tiere, der Kommunikation, des Gebrauchs von Werkzeugen, kann uns insbesondere bei unseren nahen Verwandten Auskunft über unsere eigene Entwicklung geben, über menschliche Technologie und Kultur. "Nichtmenschliche Primaten haben eine gemeinsame Evolutionsgeschichte mit dem Menschen, und ihre Erforschung kann wichtige Erkenntnisse über unsere eigenen Ursprünge liefern", sagt Lydia Luncz vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Diese einzigartigen komplexen Lebewesen sind vom Aussterben bedroht, was die Dringlichkeit unterstreicht, sie und ihre Lebensweise zu schützen und zu bewahren."
Auch die Forschenden selbst müssen sich bewusst machen, dass sie in das Lebensumfeld der Tiere, die sie untersuchen, eingreifen. Artefakte zu entnehmen, um sie zu untersuchen, etwa auf die Nutzung als Werkzeug, sollte auf das absolut Nötigste begrenzt bleiben. Hier könnten außerdem neue digitale Untersuchungsmethoden helfen, wie tragbares Laserscanning, Photogrammetrie und 3D-Modellierungssoftware. Das hat "die Möglichkeit zur Erstellung digitalisierter Artefaktsammlungen revolutioniert", heißt es in der Studie.
Heute schon Schimpansen beobachtet?
Eine solche digitale Möglichkeit steht bereits seit Jahren auch Hobbyforschern, begeisterten Bürgern zur Verfügung. Auf der Online-Plattform "ChimpandSee" können Laien über Webcams weltweit die Aktivitäten von Schimpansen für Primaten-Forscher sichten. Jedes entdeckte Tier wird dort registriert und in bestimmte Kategorien eingeordnet.
Links/Studien
Die Studie Rettung des kulturellen Erbes wilder Tiere ist in am 3. April 2025 "Science" erschienen.
gp/pm
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 27. Februar 2025 | 19:30 Uhr
MDR-Team vor 2 Wochen
Die Sorge um den Rückgang der Artenvielfalt ist nicht nur ein abstraktes Thema für Forscher, sondern betrifft die gesamte Gesellschaft. Die Biodiversität hat direkte Auswirkungen auf unsere Ökosysteme, unsere Ernährungssicherheit und unser Wohlbefinden. Viele Ökosystemleistungen, wie Bestäubung, Wasserreinigung und Bodenfruchtbarkeit, hängen von einer gesunden Artenvielfalt ab. Der Verlust von Arten kann langfristig negative Folgen für das Leben auf der Erde haben, auch für uns Menschen. Natürlich müssen wir auch den Wohnungsbau und andere gesellschaftliche Bedürfnisse berücksichtigen. Eine ausgewogene Lösung zwischen Naturschutz und Entwicklung ist notwendig, um beides zu gewährleisten – sowohl den Schutz der Natur als auch den Fortschritt der Gesellschaft.
Freundliche Grüße vom MDR WISSEN Team
AlexLeipzig vor 2 Wochen
Zu Ihrem Kommentar fällt mir ein Zitat von Albert Einstein ein: "Wenn die Menschen nur über das sprächen, was sie begreifen, dann würde es sehr still auf der Welt sein".
weils so nicht unwidersprochen bleiben darf vor 2 Wochen
Unter wieder der inzwischen beinah tägliche Versuch, Gründe für den ohnehin oft völlig überzogenen Schutz von "Artenvielfalt" an den Haaren herbeizuziehen. Man kann sich etwa den Dialog der "Forscher" mit Betroffenen vorstellen:
Betroffene: "Wir warten seit Jahren auf eine leistbare Wohung ...; jetzt kann sie wieder nicht gebaut werden, weil im Baugebiet irgendwelche Viecher entdeckt worden sind ..."
Forscher: "Ja, der Artenschutz ist eben wichtiger als das Recht auf Wohnen ..."
Betroffene: "Warum?"
Forscher: "Der Rückgang der Artenvielfalt bedroht das Wissen über die Menschheit - (beiseite, leise) und damit die Arbeitplätze der Forscher!"
Betroffene: "Ja dann ... "