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Auch in Naturschutzgebieten sinkt die Zahl der Arten

MDR AKTUELL Mo 17.03.2025 11:45Uhr 02:48 min

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Artenvielfalt Insektensterben: Es ist nicht das Wetter

17. März 2025, 12:08 Uhr

Das Insektensterben ist ein globales Phänomen. Studien zeigen, dass sowohl die Biomasse als auch die Artenvielfalt vieler Insektengruppen stark zurückgehen. Welchen Einfluss das Wetter darauf hat, war, insbesondere nach der Studienlage in Deutschland, umstritten.

Manche kennen das noch vom Weg in den Urlaub: Während hinten Benzin in den Tank gluckert, kratzt und wischt man vorne tote Insekten von der Windschutzscheibe. Auf den ersten Blick praktisch, auf den zweiten erschreckend, schließlich ist ja klar, dass Insekten nicht gelernt haben, Autobahnen großräumig zu umfliegen oder Brücken zu benutzen. Doch die Zahl der toten Tiere hat deutlich abgenommen in den letzten Jahrzehnten.

Auf die Frage, wo die Insekten geblieben seien, gab es aus der Forschung viele verschiedene Erklärungsansätze: Fehlender Lebensraum, Intensive Landwirtschaft, Wetterextreme, Klimawandel, Lichtverschmutzung, eingeschleppte Krankheiten. Die Krefelder Insektenstudie, eine Langzeit-Untersuchung im Zeitraum 1979 und 2016 belegte einen 76-prozentigen Schwund der Insektenbiomasse. Eine Studie aus Würzburg kam 2023 schränkte dagegen ein: 75 Prozent des Insektenrückgangs sei durch das Wetter zu erklären, unter Berücksichtigung räumlicher und zeitlicher Variablen. Seit 2016 sei eine Trendwende mit steigender Insektenbiomasse zu verzeichnen. Das Echo auf die Studie war schon 2023 gemischt, wie dieser Artikel von MDR Wissen 2023 zeigt.

Insektenvorkommen untersuchen – ein weites Feld

Wie groß ist der Einfluss des Wetters wirklich? Ein Team von Forschenden aus Holland und Deutschland untersuchte die Studien und ihre Ergebnisse erneut. Die jüngste Analyse konstatiert:

Speer-Azurjungfer zur Libelle des Jahres 2020 gewählt
Die Speer-Azurjungfer war 2020 die Libelle des Jahres Bildrechte: MDR/BUND/Michael Post/GdO

In der Würzburger Studie wurde das Insektenvorkommen in anderen Umgebungen sowie wechselnden, künstlich angelegten Waldlücken mit verschiedenartigen Insektenfallen untersucht. Faktoren wie Lebensraumzerstörung, Pestizid- und Stickstoffeinträge wurden dabei marginal berücksichtigt, und verschiedene Messzeiträume benutzt. In der Krefelder Studie wurde über 27 Jahre zwischen März bis Oktober an 96 definierten, gleichen Standorten mit dem gleichen Insektenfallen-Typ das Insektenvorkommen untersucht. Das Ergebnis der Untersuchungen lautet mit Blick auf die Wetteranomalien-Studie aus Würzburg: "Auf Grundlage einer kritischen Überprüfung der Methoden und einer Neuanalyse der Ergebnisse erklären wir diese Schlussfolgerungen hier für ungültig."

Keine Trendumkehr, selbst Naturschutzgebiete nützen zu wenig

Prof. Dr. Gerlind Lehmann, wissenschaftliche Koordinatorin des Forschungsprojekts DINA (“Diversität von Insekten in Naturschutz-Arealen") sagt dazu: "Gäbe es wirklich eine Trendumkehr beim Insektenrückgang seit 2016, wäre das eine echte Erfolgsmeldung. Die Fakten sprechen jedoch eine andere Sprache. Die Zahl an Insekten in deutschen Naturschutzgebieten ist weiterhin historisch niedrig und ohne Tendenz zur Erholung. Entscheidend sind menschliche Einflüsse wie Pestizide und die Zerstörung natürlicher Lebensräume. Wetteranomalien sind hingegen kaum von Bedeutung."

Auf der Entomologentagung 2025 in Geisenheim diskutieren Forschende vom 17. bis 20. März über aktuelle Studienergebnisse und Bedrohungen, nicht nur für Insekten, sondern auch für Gliederfüßer.

Links/Studien

Aktuelle Analyse der Studie: Weather anomalies cannot explain insect decline. Die Studie, die zuerst für Schlagzeilen sorgte: Die Krefelder Insektenstudie. Die Studie, die besagte, es gibt wieder mehr Insekten: Weather explains the decline and rise of insect biomass over 34 years.
Einschränkend ist dabei zu erwähnen, dass im Team der aktuellen Studie Forschende der Humboldt-Universität Berlin, der Radboud-Universität, Nijmegen (Niederlande) und der Entomologischen Gesellschaft Krefeld, aber nicht der Universität Würzburg vertreten waren.

Große Insektenaugen, Nahaufnhame einer Libelle 45 min
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MDR Wissen Sa 05.06.2021 13:15Uhr 44:33 min

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lfw/gp

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 17. März 2025 | 14:10 Uhr

3 Kommentare

MDR-Team vor 16 Stunden

Es stimmt, dass die Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt vielfältig sind. Einige Beispiele von Studien, die unterschiedliche Faktoren untersuchen, finden sich ja auch ebenfalls in diesem Artikel.

Studien zeigen, dass künstliches Licht die natürlichen Verhaltensweisen von Insekten stört, einschließlich ihrer Jagd-, Paarungs- und Navigationsfähigkeiten.

Chemische Verschmutzung durch Agrargifte und andere synthetische Chemikalien ist ein weiterer bedeutender Faktor für den Verlust der Artenvielfalt. Viele dieser Chemikalien sind in Europa und Deutschland verboten, werden jedoch weiterhin weltweit exportiert und eingesetzt.

Der Klimawandel hat ebenfalls weitreichende Auswirkungen auf die Biodiversität. Er verändert Lebensräume und Ökosysteme und führt zu extremen Wetterereignissen, die die Lebensbedingungen vieler Arten verschlechtern56. Temperatur- und Niederschlagsänderungen beeinflussen die Verfügbarkeit von Ressourcen und die Lebenszyklen von Pflanzen und Tieren.

part vor 17 Stunden

Nimmt man die Lichtverschmutzung durch immer mehr Lichtquellen nachts weltweit seit der industriellen Revolution, dann kommt man auf Abertrillionen Insekten, die sich an Laternen tot gezappelt haben und keine Nachkommen mehr zeugen konnten. Nimmt man die führenden Chemieriesen weltweit, die Agrargift exportieren dürfen, das hier in D oder Europa schon längst verboten ist, dann rundet sich das Bild ab von der abnehmenden Artenvielfalt. Aber jetzt wieder mal alles aufs Wetter und Klimawandel abzuwälzen, finde ich sehr einseitig betratet.

randdresdner vor 17 Stunden

Wann begreift der Mensch, dass er mit seinem Handel, den Ast absägt, worauf er sitzt :-(

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