
Schusswaffengebrauch im Dienst Polizei gibt 2024 besonders viele tödliche Schüsse ab
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29. Oktober 2024, 17:59 Uhr
In diesem Jahr haben Polizistinnen und Polizisten so viele Menschen erschossen wie zuletzt vor 25 Jahren. Seit Januar starben einer Auswertung zufolge 17 Menschen durch Schusswaffengebrauch im Dienst. Die Polizei-Gewerkschaft verweist auf einen Anstieg von Gewaltkriminalität.
- Laut einer DPA-Zählung haben Polizisten in diesem Jahr bundesweit bereits 17 Menschen erschossen, so viele wie seit 25 Jahren nicht mehr.
- Die Polizeigewerkschaft sieht einen Anstieg von Gewaltkriminalität als Auslöser.
- Uli Grötsch, Polizeibeauftragter beim Deutschen Bundestag, fordert Alternativen zur Dienstpistole.
Polizeibeamte haben 2024 im Dienst bereits mehr tödliche Schüsse abgegeben als in den Vorjahren. Nach einer Auswertung von Polizeiberichten durch die Deutsche Presse-Agentur starben seit Januar bundesweit 17 Menschen bei Schusswaffengebrauch durch die Polizei. Einer von ihnen war der 18-jährige Österreicher, der am 5. September auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum in München geschossen hatte, bevor er von der Polizei getötet wurde.
Psychischen Ausnahmesituationen oft Auslöser
In der Mehrheit der Fälle fielen die tödlichen Schüsse aber in Situationen, in denen die Beamten auf Männer oder Frauen trafen, die sich in einer psychischen Ausnahmesituation befanden oder wegen psychischer Erkrankungen bereits in Behandlung waren. Mehrere der Menschen, die bei einem Polizeieinsatz erschossen wurden, führten Messer bei sich.
Polizei-Gewerkschaft: Anstieg von Gewaltkriminalität
Es sei das Abbild einer sich verändernden Gesellschaft, sagt Uli Grötsch, Polizeibeauftragter des Bundes, bei MDR AKTUELL. Die Gewaltschwelle sinke, Angriffe gegen Einsatzkräfte sowie Polizeibeamte würden häufiger.
"Die Gewaltkriminalität in der Gesellschaft hat zugenommen", erklärt auch der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke. Kriminologen sei bekannt, dass sich diese Entwicklung auch negativ auf gewaltsame Angriffe auf polizeiliche Einsatzkräfte auswirke. Vor diesem Hintergrund seien Polizistinnen und Polizisten gezwungen, "in eskalierenden Einsatzsituationen konsequent den Angriff zu unterbinden."
Höchste Zahl an tödlichen Schüssen seit 25 Jahren
Laut einer Statistik der Fachzeitschrift "Bürgerrechte & Polizei" gab es letztmalig 1999 eine so hohe Zahl von Menschen, die von der Polizei erschossen wurden. Damals starben im gesamten Jahr 19 Personen. Im Jahr 2023 gab es demzufolge zehn Tote, nach elf Toten im Jahr 2022 und acht Toten im Jahr 2021.
Für Schlagzeilen sorgte in diesem Jahr unter anderem der Fall einer 31-Jährigen, die in einem Münchner Supermarkt erschossen wurde. Die Polizei teilte später mit, sie sei schon vorher auffällig geworden und dreimal von der Polizei in einer Psychiatrie untergebracht worden. Im hessischen Schwalmstadt starb eine 20-Jährige am vergangenen Donnerstag. Die Frau ohne festen Wohnsitz soll laut Polizei eine Waffe auf Polizeibeamte gerichtet haben.
Alternativen zur Dienstpistole gefordert
Uli Grötsch, Polizeibeauftragter beim Deutschen Bundestag, fordert Alternativen zur Dienstpistole. So müsse die Polizei flächendeckend mit Tasern ausgestattet werde. Wichtig sei auch die fortdauernde Sensibilisierung der Beamten in diesem Bereich.
Wenn es zu einem Schusswaffengebrauch im Dienst komme, sei es zudem auch für die Polizeibeamtinnen und -beamten eine extreme psychische Belastung, sagte Grötsch weiter. "Ich würde sagen, dass es so ziemlich das Schlimmste, was einem Polizeibeamten passieren kann."
dpa, MDR (smk)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 29. Oktober 2024 | 16:15 Uhr