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"Vorsicht! Zecken!" steht auf einem Warnschild im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin. 4 min
Audio: Vor allem im Süden Deutschlands gibt es viele FSME-Risikogebiete. Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jens Kalaene

Viruserkrankung Zeckenexperte: Hausärzte lesen FSME-Risikokarte oft falsch

28. März 2025, 12:33 Uhr

Das FSME-Virus kann von Zecken auf Menschen übertragen werden. Im vergangenen Jahr wurden knapp 700 Infektionen gezählt. Eine Karte des Robert Koch-Instituts zeigt, wo diese Erkrankungen gemeldet werden. Das Nationale Konsiliarlabor für FSME befürchtet jedoch, dass viele Hausärzte die Risikokarte des Robert Koch-Instituts falsch interpretieren. Immer wieder würden Ärzte in Nichtrisikogebieten die Infektion nicht erkennen, da sie davon ausgingen, dass bei ihnen keine FSME-Gefahr besteht.

Stellen Sie sich vor, Sie haben Kopfschmerzen, Fieber und sind schlapp. Sie gehen zur Hausärztin. Die stellt eine Grippe fest und rät Ihnen, sich auszuruhen und viel zu trinken. Jedoch, nach zehn Tagen geht es Ihnen schlechter. Sie gehen nochmal zur Ärztin. Und nochmal. Erst bei der dritten Untersuchung zieht die Medizinerin in Betracht, dass es sich um eine von Zecken ausgelöste FSME, also eine Frühsommer-Gehirnentzündung, handeln könnte. Eine Viruserkrankung, die schwere bleibende Schäden wie Lähmungen oder Gedächtnis- und Bewegungsstörungen hinterlassen kann.

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Eine solche Situation sei in den sogenannten Nichtrisikogebieten in Deutschland nicht ungewöhnlich, sagt der Zeckenexperte Prof. Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors für FSME. "Was ich leider immer wieder erlebe, ist, dass die Diagnose auch in den späteren Stadien von den Ärzten nicht angefordert wird, weil sie sagen, wir sind Nichtrisikogebiet, FSME gibt es bei uns nicht." Das findet Dobler bedenkenswert.

Was ist FSME? FSME steht für Frühsommer-Meningoenzephalitis. Die Erkrankung, die oft mit grippeartigen Symptomen beginnt, ist selten, kann aber einen schweren Verlauf nehmen und endet in etwa einem Prozent der Fälle tödlich. FSME-Erkrankungen steigen ab dem Alter von 40 Jahren deutlich an, Männer sind stärker betroffen als Frauen. Vor FSME schützt eine Impfung, die die Ständige Impfkommission für Menschen in Risikogebieten empfiehlt, zudem für Berufsgruppen wie etwa Forstarbeiter. Die insgesamt drei Impfdosen bieten dem Robert Koch-Institut zufolge Schutz für mindestens drei Jahre. dpa

Einteilung der Risikogebiete kann Diagnose erschweren

In welchem Gebiet ein Risiko besteht, legt das Robert Koch-Institut (RKI) anhand der Zahl der gemeldeten Fälle fest. Die bekommt das RKI über die Gesundheitsämter von den Ärzten. Wenn die jedoch FSME übersehen, melden sie auch weniger Fälle. Das kann zur Folge haben, dass das RKI die Region nicht zum Risikogebiet erklärt. Und so könnten Ärzte wiederum FSME übersehen.

Ein fataler Zirkelschluss, über den nach Aussage von Prof. Gerhard Dobler Ärzte nicht aufgeklärt sind: "Ich mache viele Fortbildungsveranstaltungen, und da treffe ich immer wieder auf großes Erstaunen, wenn ich sage, dass es sich nicht um eine Verbreitungskarte der FSME in Deutschland handelt. Man muss diese Kenntnisse haben, was diese Karte bedeutet, um sie richtig lesen zu können. Es ist keine falsche Karte. Bei den Hausärzten müsste die Information bekannter werden."

Laut RKI-Karte ist der gesamte Süden Deutschlands Risikogebiet, auch der Süden Thüringens und Sachsens, selbst der Südosten Brandenburgs. Umgekehrt werden auf der Karte andere Gebiete zum Nichtrisikogebiet erklärt.

Schnelles Handeln bei FSME wichtig

Ein frühes Erkennen einer FSME ist wichtig. Denn auch wenn es keine Medikamente gegen das Virus gibt, so können Neurologen den betroffenen Patienten doch helfen, sie stabilisieren und Schmerzen lindern.

Anders als Zeckenexperte Gerhard Dobler vertraut Dr. Thomas Lipp den Ärzten. Der Vorsitzende des sächsischen Hartmannbunds findet, Ärzte seien im Regelfall durchaus in der Lage, FSME frühzeitig zu erkennen: "Das sind andere Kopfschmerzen als bei einer Grippe. Die sind viel heftiger und bleiben auch länger. Dann kommen auch neurologische Symptome dazu. Jeder Arzt hat das mit Sicherheit im Gespür, wenn das keine Grippe ist und mehr dahintersteckt."

Dann würden die Ärzte sofort handeln, sagt Thomas Lipp. "Diese Menschen würde ich je nach Schwere, im Extremfall selbst mit Blaulicht, ins Krankenhaus fahren, Notaufnahme. Oder in die Neurologie, dort wo die Patienten hingehören."

Längere Zeckensaison wegen Klimawandel

Übrigens, es gibt keinen Grund zur Panik. Denn: Im vergangenen Jahr zählte das Robert Koch-Institut nur 686 FSME-Infektionen. Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland an FSME zu erkranken, liegt also rein theoretisch bei 0,0008 Prozent.

Hinzu kommt, dass die Erkrankung sehr oft ohne Beschwerden und Schäden verläuft. Jedoch: Die Zahl der Fälle steigt. Schuld ist der Klimawandel, der die Zeckensaison verlängert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 28. März 2025 | 06:54 Uhr

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