Kyffhäuserkreis 81 Jahre nach dem Absturz: Gedenkkreuz für gefallene britische Bomberbesatzung eingeweiht
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29. März 2025, 17:08 Uhr
Über dem heutigen Bundeswehrübungsplatz Bad Frankenhausen wurde während des Zweiten Weltkriegs ein britischer Bomber abgeschossen. Seit Samstag erinnert ein Gedenkkreuz daran - aufgestellt im Beisein der Familien von damaligen deutschen und englischen Soldaten.
Fast auf den Tag genau vor 81 Jahren stürzte oberhalb von Sachsenburg ein britischer Bomber ab. Vier der sieben Besatzungsmitglieder kamen bei dem Absturz ums Leben. Die letzten Wrackteile der Avro Lancaster wurden im August 2024 geborgen - dabei fand die Vermisstensuche Thüringen auch die sterblichen Überreste eines britischen Fliegers.
Seit Samstag steht ein Gedenkkreuz nahe der Absturzstelle. Zur Einweihung waren auch Angehörige der Besatzung aus Australien und England nach Sachsenburg gereist. Sie trafen hier auf dem Sohn des deutschen Nachtjagdpiloten, der den britischen Bomber damals abgeschossen hatte. Das Gelände oberhalb von Sachsenburg gehört zum Standortübungsplatz der Bundeswehr in Bad Frankenhausen.
Aufwändige Bergung
Mit der Bergung der Lancaster hatte die Bundeswehr die Vermisstensuche Thüringen um Rene Schütz beauftragt. Genehmigt vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie und unterstützt von freiwilligen Helfern und dem Munitionsbergungsdienst wurde das Flugzeug, oder das, was davon übrig war, im August 2024 geborgen.
Die an der Erdoberfläche liegenden Wrackteile hatte ein Bergungskommando der Luftwaffe schon während des Krieges abtransportiert. Jetzt sollten die letzten Reste ausgegraben und fachgerecht beseitigt werden, unter anderem mehrere Hundert Schuss der Bordmunition des Bombers. 650 Patronen zählte der Kampfmittelräumdienst allein am ersten Bergungstag. Überall im Wald, rund um die Absturzstelle verstreut, fanden sich Bombensplitter.
Zwischen den Überesten des Flugzeug-Rumpfs wartete die größte Überraschung auf das Bergungsteam. Erst fanden die Sucher die lederne Kopfhaube eines Fliegers, dann tauchten menschliche Knochen auf. Von da an wurde der Erdaushub sorgfältig gesiebt und genauestens untersucht. Wie sich herausstellte, stammten alle Knochenreste von einer einzelnen Person. Eine Erkennungsmarke fand sich trotz intensiver Suche nicht.
Die sterblichen Überreste will das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie jetzt der Commonwealth War Graves Commission übergeben. Wahrscheinlich wird der Tote später an der Seite seiner Kameraden bestattet - 81 Jahren nachdem sie getrennt wurden.
Letzter Flug: Der Auftrag der Lancaster ND 710
Am Abend des 24. März 1944 starteten in England 811 Bomber der Royal Air Force zum Angriff auf Berlin. Auch die Avro Lancaster ND 710 reihte sich in den Bomberstrom ein. Die Besatzung bestand aus dem Piloten, Flying Officer Gaetan Joseph George de Marigny, Flugingenieur Sergeant Joseph Stanley Wright, Navigator Flight Sergeant Ronald George William Beer, Bombenschütze Sergeant Dennis Holland, Funker Sergeant Stanley George Bentley sowie den Bordschützen Sergeant George William Henson und Sergeant Ernest Alfred Anthony.
Es sollte ihr letzter Flug werden. Der Bomberstrom flog über die Nordsee und Dänemark hinweg und bog dann über der Ostsee in südlicher Richtung nach Berlin ab. Starke Winde führten dazu, dass der Pulk weit auseinandergerissen und bis nach Thüringen hinein abgedrängt wurde. Gegen 23 Uhr konnten Anwohner des Dorfes Oldisleben einen Luftkampf am Nachthimmel beobachten. Ein deutscher Nachtjäger hatte einen Bomber angegriffen und abgeschossen.
Drei Besatzungsmitglieder des Bombers konnten sich noch mit dem Fallschirm retten. Die vier anderen überlebten den Absturz nicht. Allerdings konnte nur der Funker identifiziert werden. Die Überreste der übrigen Besatzungsmitglieder wurden geborgen, zunächst in einem Gemeinschaftsgrab beerdigt und nach dem Krieg auf den britischen Soldatenfriedhof in Berlin umgebettet.
Zum Opfer gefallen ist die Lancaster ND710 mit hoher Wahrscheinlichkeit Hauptmann Paul Zorner vom Nachtjagdgeschwader 3. Zorner hatte angegeben, am 24. März 1944 kurz vor 23 Uhr südlich des Harzes einen britischen Bomber abgeschossen zu haben. In der Nacht waren mehrere davon im Luftraum über Thüringen abgeschossen worden. Dieser letzte große Nachtangriff der RAF auf Berlin ging als "Nacht der starken Winde" in die RAF-Geschichte ein. Die Verluste waren hoch: von den 811 gestarteten Bombern kehrten 72 nicht mehr nach England zurück.
Emotionale Gedenkfeier
Joseph Sauzier, der Großneffe des ursprünglich aus Mauritius stammenden Piloten, ist extra aus Australien nach Sachsenburg gereist. Für seine Familie sei dieser Tag ein Tag der Besinnung und des Stolzes, sagt er in seiner Rede bei der Gedenkfeier. Die Ideale, für die sein Großonkel Gaetan Joseph Georges de Marigny und seine Kameraden damals gekämpft hätten - Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden - seien auch heute wieder bedroht. Er habe sich besonders gefreut, den Sohn des deutschen Piloten zu treffen und ihn mit offenen Armen zu empfangen.
Auch Caroline Golder, Nichte des Heckschützen Ernest Anthony, fühlte sich geehrt, an der Gedenkfeier teilzunehmen. Ihr und ihrer Schwester sei es jedoch nicht leicht gefallen, nach Deutschland zu reisen. Auch für sie war das Treffen mit Hermann Zorner ein ganz besonderer emotionaler Moment und ein Zeichen der Versöhnung.
Welche Bedeutung der Arbeit der Vermisstensuche Thüringen für die Völkerverständigung und die Aussöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern hat, würdigte in seiner Ansprache Mathias Kowalski als Vertreter des Standortältesten der Kyffhäuserkaserne Bad Frankenhausen. Emotionaler Ausdruck dafür war der Händedruck, den sich Hermann Zorner mit dem Großneffen des Piloten und den beiden Nichten des Bordschützen vor dem Gedenkkreuz gaben.
MDR (ost,usb)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 29. März 2025 | 19:00 Uhr