Donnerstag, 13.10.2022: Glauben und Lachen

Dürfen Christen eigentlich lachen? Bis zum Mittelalter war das vielerorts verpönt und verboten. Lachlust galt als sündhaft und unvernünftig, und dies war in Demut und Gehorsam zu überwinden. Bevor man sich totlacht oder aus dem Lachen nicht mehr herauskommt, kam man besser erst gar nicht hinein.

Wenn man sich in manchen unserer Kirchgemeinden heute so umschaut, scheint diese Zeit noch anzudauern. Wann gab’s denn im Gottesdienst zuletzt etwas zu lachen? Und dass das mit dem Christenglauben eine ernste Sache ist, zeigen allein schon die Bilder in der Sakristei, dem Vorbereitungsraum für Gottesdienste. Dort nämlich grüßen die ehemaligen örtlichen Oberhirten allesamt männlich, schwarz/weiß und derart würdig und recht von der kalkgrauen Wand, dass man glauben mag, wer glaubt, hat nichts zu lachen. Da kann die Organistin noch so impulsiv beim "O du fröhliche" auf die Tasten hauen, in die Pedalen treten und den Zimbelstern bemühen - dass das Herze fröhlich springen soll, muss dort erst einmal ankommen.

Nun leben wir in einer Zeit, die nicht immer zum Schenkelklopfen einlädt. So passt eine protestantisch-puristische, calvinistisch-karge oder lutherisch-lustarme Lebenshaltung ganz gut in die gegenwärtige Welt, in der auch kabarettistische Klamaukgrenzen eng gefasst werden.

Dabei ist doch gerade in der evangelischen Kirche viel Platz für Heiterkeit, auch über sich selbst. Ob es die szeneoriginellen Bezeichnungen der Gemeindekreise von "Kunterbunter Christen-Lehre" bis zum "Männergesprächskreis Wortkarg" sind, das "moderne" Singen mit Holzgitarre im Gottesdienst oder manche Verlautbarung von oben herab - es darf geschmunzelt werden. Und wenn beim Treffen der letzten deutschen Universalgelehrten in den Kirchenvorständen der faire Kaffee unfair in homöopathischen Dosen aus Früchteteekannen ausgeschenkt wird, und wenn es so schmeckt, wie‘s im Gemeinderaum riecht, ist das ein liebevolles Lächeln wert.

Ich hoffe und glaube, Jesus sieht uns dabei wohlwollend zu. Ob er selbst gelacht hat, ist nicht überliefert. Auf ihn aber geht die frohe Botschaft zurück. Das darf auch gern dem Gesicht gesagt sein.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiografie Diakon Tobias Petzoldt

Diakon Tobias Petzoldt

Gemeindepädagoge und Religionslehrer in Leipzig | Jugendbildungsreferent für die Evangelische Jugend in Sachsen und als Dozent/Institutsleiter am Diakonenhaus Moritzburg | seit 1.9.2021 Geschäftsführer des "Verbandes Evangelischer Diakonen-, Diakoninnen- und Diakonatsgemeinschaften in Deutschland" (VEDD) | als Autor, Lyriker und Kleinkünstler aktiv | lebt in Dresden

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.