Pipettieren der Probe in die Schale für den DNA-Test
Wenn Sie die Wahl hätten: Würden Sie sich für das Baby mit den besseren Genen entscheiden? Bildrechte: IMAGO / Westend61

Reproduktionsmedizin Babys nach Wunsch: Embryonenscreening für schlauere Kinder?

13. Februar 2023, 12:37 Uhr

Um ein möglichst intelligentes Kind zu bekommen, würden überraschend viele werdende Eltern in den USA eine polygenetische Begutachtung ihrer Embryonen gutheißen – zumindest hypothetisch. Doch wie realistisch ist dieses Szenario?

Würden Sie im Falle einer künstlichen Befruchtung außerhalb des Mutterleibs (In-vitro-Fertilisation /IVF) einer genetisch begründeten Auswahl von Embryonen zustimmen, damit ein möglichst intelligentes Kind heranwachsen kann? Auf diese Frage antworteten mehr als die Hälfte aller Befragten einer Studie aus den USA mit Ja, zumindest, wenn sie dabei folgenden Rahmenbedingungen genannt bekamen:

Nach einer künstlichen Befruchtung und vor der Implantation in den Mutterleib soll der Embryo durch einen Test auf polygenetische Risiken (PGT-P) untersucht werden – nicht nur im Hinblick auf ausgewählte genetische Erkrankungen, sondern auch auf den Phänotyp, also das spätere Erscheinungsbild und die Fähigkeiten des Babys. Einen Anhaltspunkt dafür bieten bestimmte genetische Ausprägungen. Der Zusammenhang zwischen beidem wird aus Daten großangelegter Erbgutstudien hergeleitet, wie zum Beispiel der UK Biobank. Den Befragten wurde versichert, das Verfahren sei risikolos, kostenfrei und könne die Wahrscheinlichkeit für das Kind, später auf einem der besten Colleges angenommen zu werden, um zwei Prozent erhöhen.

58 Prozent der rund 6.800 Teilnehmer gaben an, keine moralischen Bedenken im Hinblick auf diese Selektion zu haben. Die Bereitschaft dazu stieg sogar noch, wenn sie annahmen, dass 90 Prozent der anderen Probanden zustimmen würden. Besonders hoch war das Einverständnis bei den unter 35jährigen und bei Akademikern, die mindestens einen Bachelorabschluss hatten.

Sind wir doch auf bestem Wege zu "Katalogbabys"?

Prof. Dr. Robert Ranisch, Juniorprofessor für Medizinische Ethik an der Universität Potsdam relativiert die Studienergebnisse: "Dieses hypothetische Szenario hat nichts mit den gegenwärtigen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin zu tun und ist spekulativ." Er sieht darin ein reines Gedankenexperiment, denn ein kostenloses, sicheres und zuverlässiges genetisches Screening hält er derzeit für unrealistisch. Zustimmung erfährt er von Prof. Dr. Hille Haker vom Lehrstuhl für Christliche Ethik an der Loyola University Chicago: "Kinderwunschbehandlungen sind ein lukrativer Markt, der sicher nicht, und schon gar nicht in den USA eine kostengünstige oder gar kostenfreie Nutzung der PGT-P gewährt."

Zu große Erwartungen, zu viel Druck

Selbst wenn eine Auswahl nach polygener Untersuchung effektiv möglich wäre, blieben ethische Bedenken, so Ranisch. Hierzu zählt er insbesondere die überzogene Erwartungshaltung der Eltern gegenüber ihren Nachkommen oder mögliche soziale Ungleichheiten, wenn es um die Finanzierung des Verfahrens geht. Zudem dürfe man nicht vergessen, dass derartige Versprechen der Reproduktionsmedizin einen enormen Druck auf die Wunscheltern und besonders die Frauen ausübe. Je mehr Embryonen "aussortiert" werden, desto weniger bleiben für die Implantation. Die Sorge, dass die wenigen Versuche für eine tatsächliche Schwangerschaft ausreichen, sei dann entsprechend hoch.

Selbstbestimmung bleibt auf der Strecke

Prof. Dr. Guido de Wert, Professor für Ethik in der Reproduktionsmedizin und Genforschung an der Maastricht University/Niederlande, sieht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der zukünftigen Kinder gefährdet. "Da viele PGT-P-Embryonen, die als 'zweiter oder dritter Klasse' eingestuft werden, möglicherweise in einem späteren Zyklus transferiert werden, bedeutet das Verfahren de facto eine Vorauswahl künftiger Kinder im Hinblick auf ihre Anlagen für eventuelle multifaktorielle Störungen und nichtmedizinische Merkmale." Allein der Zeitpunkt der Implantation im Mutterleib gäbe also Auskunft über die genetischen Eigenschaften. "Was ist mit dem Recht künftiger Kinder auf Nichtwissen? Was ist mit den möglichen negativen Auswirkungen, zum Beispiel der Stigmatisierung, die mit einem hohen genetischen Risiko für psychiatrische Störungen verbunden ist?“, fragt de Wert und empfiehlt, die Debatte über PGT-P auszudehnen. Es sei nur ein Schritt auf dem Weg zu einer künftigen Ganzgenomsequenzierung und -analyse von Embryonen, die in vitro gezeugt wurden. Und das kompliziere das Szenario und die damit verbundenen normativen Fragen noch weiter.

Studie liefert keine Vorhersage, aber Impulse zur Diskussion

Prof. Dr. Robert Ranisch kennt zahlreiche Befragungen, die seit Jahrzehnten im Hinblick auf die Einstellungen gegenüber den (zukünftigen) Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin durchgeführt wurden. Sie seien zuweilen von unterschiedlicher Qualität und nicht immer miteinander vergleichbar. Neben länderspezifischen Unterschieden zeigten sich jedoch wesentliche Gemeinsamkeiten: "Wenn es um die Herstellung oder Erhaltung der Gesundheit von Nachkommen geht, sind Zustimmungswerte hoch."

Eingriffe zur Förderung oder Steigerung bestimmter Fähigkeiten werden meist kritischer gesehen, wobei sich jedoch eine wachsende Bereitschaft zur genetischen Optimierung von Nachkommen einstellt.

Porf. Dr. Robert Ranisch, Medizinethiker

Bezüglich der Möglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin sieht Ranisch insgesamt eine wachsende Technologieakzeptanz. "Die vehemente Ablehnung gegenüber den ersten sogenannten Retortenbabys löst heute Unverständnis aus. Etwa 45 Jahre nach der ersten erfolgreichen IVF (In-vitro-Fertilisation) sitzt in jeder größeren Schulklasse ein Kind, das außerhalb des Mutterleibs gezeugt wurde. Niemand nimmt daran mehr Anstoß. Und das ist auch gut so." Daraus ließe sich allerdings nicht ableiten, dass jede technologische Möglichkeit auch irgendwann wünschenswert werde, so Ranisch weiter. "Aber falls Keimbahneingriffe oder die Auswahl von Embryonen nach polygenem Screening einmal zu einer Erfolgsgeschichte werden und zum Familienglück verhelfen, würde sich wohl auch diese Technologie normalisieren. Umso mehr lohnt es sich, vorzeitig über die ethischen Implikationen zu reflektieren."

krm