Mehrere Fotos des Skeletts und des Unterschenkelknochens.
Die genaue Betrachtung der Knochen zeigte den Forschenden, dass der Verlust des linken Unterschenkels nicht durch einen Unfall oder einen Tierangriff erfolgte. Bildrechte: DOI: 10.1038/s41586-022-05160-8

Menschheitsgeschichte Erfolgreiche chirurgische Amputation vor 31.000 Jahren in Borneo

07. September 2022, 18:22 Uhr

Erfolgreiche chirugische Amputationen erfordern ein hohes Maß an anatomischen Kenntnissen, technischem Geschick und einem gewissen chirurgischen Hygienestandard. Forschende haben nun in Borneo Überreste eines Menschen gefunden, der die Amputation seines Unterschenkels überlebt hat. Dieser Fund zeigt, dass umfassende chirurgische Kenntnisse bei manchen Menschengruppen schon sehr viel früher vorhanden waren als bisher angebnommen.

Damit Amputationen erfolgreich sind, erfordert es umfassende Kenntnisse der menschlichen Anatomie bei der Person, die einen solchen Eingriff durchführt. Darüber hinaus braucht es ein hohes Maß an technischem Geschick und auch die chirurgische Hygiene spielt eine wichtige Rolle. Vor modernen klinischen Entwicklungen wie etwa Antiseptika war ein solcher chirurgischer Eingriff meist auch ein Todesurteil, denn die Mehrzahl der Menschen starb am Blutverlust oder an danach auftretenden Infektionen.

Mit der Sesshaftigkeit kamen die gesundheitlichen Probleme

Nach vorherrschender Meinung war die Entstehung sesshaft werdender Agrargesellschaften vor etwa 10.000 Jahren ein Antriebsmotor für die Entwicklung der Medizin, denn mit der sogenannten neolithischen Revolution, also dem erstmaligen Aufkommen erzeugender Wirtschaftsweisen wie Pflanzenanbau und Viehzucht, kam es auch zu einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen, die vorher nicht bekannt waren. Damit einher ging auch Entwicklungen in der prähistorischen medizinischen Praxis, einschließlich chirurgischer Verfahren.

Bis vor kurzen stammte der älteste Hinweise auf eine "Operation" von einem neolithischen Bauern aus Frankreich, dessen Unterarm vor rund 7.000 Jahren erfolgreich chirurgisch entfernt wurde. Nun haben aber Forschende um Tim Maloney von der Grittith University aus Australien eine weitaus ältere Entdeckung gemacht.

31.000 Jahre alte medizinische Kenntnisse

Die Vorstellungen eines Künstlers. Zeichnung eines Menschen in einer Höhle. Er ist uns mit dem Rücken zugewandt. Mit der rechten Hand stützt er sich an der Felswand ab, mit der linken Hand stützt er sich auf einen langen Stock. Sein linker Unterschenkel fehlt. Er trägt einen Kopfschmuck und eine Art Lendenschurz.
Ein Mensch in Borneo überlebte die chirurgische Amputation seines linken Unterschenkels vor rund 31.000 Jahren. Bildrechte: Jose Garcia (Garciartist) and Griffith University

In der Liang Tebo-Höhle im indonesischen Borneo fanden sie die sorgfältig begrabenen Überreste eines jungen Menschen, dem das untere Drittel seines linken Unterschenkels chirurgisch entfernt wurde. Dieser Eingriff erfolgte sehr wahrscheinlich als Kind und das vor rund 31.000 Jahren. Die Forschenden fanden zudem heraus, dass die Operation erfolgreich war, denn dieser Mensch lebte nach dem Eingriff noch ca. 6-9 Jahre weiter. Es gibt auch keine Hinweise auf eine Infektion der Wunde. Einen Verlust des Unterschenkels durch einen Unfall oder den Angriff eines Tieres können die Forschenden ausschließen. Und die Art und Weise wie die Wunde versorgt und die menschlichen Überreste später bestattet wurden, deuten darauf hin, dass es keine Amputation war, die als Strafe durchgeführt wurde.

Dieser unerwartet frühe Nachweis einer erfolgreichen Amputation legt nahe, dass zumindest einige moderne menschliche Sammlergruppen im tropischen Asien schon lange vor dem Übergang zur neolithischen Landwirtschaft medizinische Kenntnisse und Fähigkeiten erlangt hatten.

JeS

1 Kommentar

Hans Sturm am 08.09.2022

Die Welt steht Kopf, aber der MDR berichtet das vor 31000 Jahren einem Mann ein Bein amputiert wurde.