
Wissen-News Ur-Mikroben konnten ohne Sauerstoff atmen
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18. März 2025, 16:27 Uhr
Ein internationales Forschungsteam hat einen alten Mechanismus der Zellatmung aufgeklärt, der zeigt, wie früh in der Evolution entstandene Mikroben Energie gewinnen. Die Erkenntnisse sind auch wichtig im Kampf gegen den Klimawandel.
Die Experten der Unis aus Frankfurt, Marburg und Stockholm untersuchten dazu Bakterien, die sich von den Gasen Kohlendioxid und Wasserstoff ernähren und daraus Essigsäure bilden. Dieser Stoffwechselweg ist sehr früh in der Evolution entstanden. Wie die Mikroben mit seiner Hilfe Energie gewinnen, war bislang nicht bekannt. Die Forschenden konnten dieses Rätsel nun lösen.
"Wir konnten zeigen, dass die Produktion von Essigsäure parallel einen ausgeklügelten Mechanismus antreibt, bei dem Natrium-Ionen aus der Bakterienzelle in die Umgebung gepumpt werden", erklärt der Studienautor Volker Müller. "So sinkt die Natriumkonzentration in der Zelle, da die Zellhülle für die Ionen eine Art Damm darstellt. Wird dieser Damm geöffnet, strömen die Natrium-Ionen in die Zelle zurück und treiben dabei eine Art molekulare Turbine an, die ATP erzeugt." Dabei handelt es sich um ein energiereiches Molekül, das die Zellen benötigen, um damit lebenswichtige Reaktionen anzutreiben.
Treibhausgase könnten künftig entfernt
Eine Schlüsselrolle spielt bei diesem Vorgang ein Konglomerat aus verschiedenen Proteinen, der sogenannte Rnf-Komplex. Die Proteine sind zum großen Teil in die Membran eingebettet, die die Bakterienzelle umgibt. "Der Komplex ist so empfindlich, dass wir ihn erst vor wenigen Jahren isolieren konnten", betont Müller. Bei der Reaktion von Kohlendioxid mit Wasserstoff zu Essigsäure werden über verschiedene Zwischenschritte Elektronen vom Wasserstoff auf das Kohlenstoff-Atom übertragen. Der Rnf-Komplex übernimmt dabei eine Mittler-Rolle: Er nimmt die Elektronen auf und reicht sie weiter.
Die Forschenden konnten nun zeigen, was dabei genau passiert. Dazu nutzten die Wissenschaftler eine raffinierte Methode, die Kryo-Elektronenmikroskopie. Bei dem Verfahren wurde der gereinigte Rnf-Komplex des Bakteriums Acetobacterium woodii "schockgefroren" und dann auf eine Trägerplatte getropft. Dabei entsteht ein dünner Eisfilm. Er enthält Millionen von Rnf-Komplexen, die sich mit dem Elektronenmikroskop betrachten lassen. Da sie beim Auftropfen unterschiedlich fallen, sind unter dem Mikroskop verschiedene Seiten von ihnen zu sehen.
Die Ergebnisse der Studie sind auch deshalb von Interesse, weil die Mikroorganismen bei der Herstellung von Essigsäure CO2 aus ihrer Umgebung aufnehmen. Möglicherweise lässt sich das nutzen, um das Treibhausgas beispielsweise aus Industrieabgasen zu entfernen. So ließe sich einerseits der Klimawandel bremsen und gleichzeitig wertvolle Ausgangsstoffe für die chemische Industrie gewinnen. "Wenn wir wissen, auf welche Weise die Bakterien dabei Energie erzeugen, können wir diesen Prozess eventuell so optimieren, dass dabei noch höherwertigere Endprodukte entstehen", hofft Müller. Eventuell ergeben sich aus den Befunden auch Ansatzpunkte für neue Medikamente gegen Krankheitserreger, die über ähnliche Atmungsenzyme verfügen.
Link zur Studie
Die Studie "Molecular principles of redox-coupled sodium pumping of the ancient Rnf machinery" wurde in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht.
pm/cdi
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | 12. Januar 2025 | 14:32 Uhr