Eine Kaffeemühle
Mhhh, frisch gemahlener Kaffee! Aber würden Sie auch einen Käfer durch die Mühle jagen? Im Experiment konnten Teilnehmende häufig dazu gebracht werden. Bildrechte: IMAGO / Pond5

Wissen-News Psychologie-Experiment: Menschen können durch Aufforderung dazu gebracht werden, einen Käfer zu töten

21. Juli 2023, 15:33 Uhr

In einem Psychologie-Experiment konnten die Versuchspersonen dazu gebracht werden, einen Käfer auf Aufforderung vermeintlich zu schreddern. Die Ergebnisse knüpfen an das Milgram-Experiment aus den 1960er Jahren an, zeigen aber auch einen spannenden Unterschied: Während die Menschen im Originalexperiment wenig Verantwortung für das Befolgen der Aufforderung empfanden, gaben die Testpersonen in der aktuellen Studie an, sich für den Tod des Käfers verantwortlich zu fühlen.

Eine aktuelle Psychologie-Studie von Forschenden der Universitäten Regensburg, Göttingen und Würzburg schließt an eines der berühmtestes sozialpsychologischen Experimente der Geschichte an: Das Milgram-Experiment. In den 1960er-Jahren war im Rahmen des Experiments eine Mehrheit der Teilnehmenden dazu bereit, einer anderen Person Elektroschocks in vermeintlich lebensbedrohlicher Stärke zu verabreichen – so lange sie von einer Autoritätsperson dazu aufgefordert wurden. Dass die Teilnehmenden keinen Widerstand leisteten, war damals ein schockierender Befund.

Milgram-Experiment auf Käfer übertragen

Die Forschenden um Felix Götz replizierten nun die Befunde mit einer Art Milgram-Experiment für Käfer. Die Versuchspersonen wurden aufgefordert, einen Käfer in einer umgebauten elektrischen Kaffeemühle zu zermahlen. Natürlich wurde dem Käfer in der Realität kein Schaden zugefügt, aber die Versuchsteilnehmenden waren in dem festen Glauben, es läge in ihrer Macht, den Käfer tatsächlich zu zermahlen.

Dabei stellten die Versuchsleitenden fest, dass viele Menschen der Aufforderung durchaus Folge leisteten, aber dabei in einen moralischen Konflikt gerieten.

Der menschliche Drang, zu gehorchen

In der Experimentgruppe bekamen die Versuchspersonen die feste Anweisung, den Käfer zu schreddern, während in einer Kontrollgruppe stets betont wurde, dass die Entscheidung über Leben und Tod des Insekts letztlich bei den Versuchspersonen lag. In dieser Kontrollgruppe entschieden sich deutlich weniger Menschen dazu, den Käfer vermeintlich zu töten. Das legt nahe, dass die Menschen in der Experimentgruppe das Tier nur umbrachten, weil sie die feste Anweisung dazu bekommen hatten. Der menschliche Gehorsam spielt in diesem Zusammenhang eine Kernrolle und scheint sich gegenüber kritischem Denken durchzusetzen.

Das Töten des Käfers stresste die Menschen

Spurlos ging das Ausführen der tierfeindlichen Maßnahme aber keineswegs an den Testpersonen vorbei: Die Forschenden nutzten die Hautleitfähigkeit der Testpersonen, um deren Aufgeregtheit zu messen. Hatten die Teilnehmenden gehorcht und den Käfer wie gefordert getötet, zeigten sie hinterher eine hohe Aufgeregtheit. Diejenigen Teilnehmenden, die das Töten des Käfers verweigert (sprich: sich wiedersetzt) hatten, waren nicht so aufgeregt.

Eine Sache ist im Käfer-Milgram-Experiment besonders spannend: Hatten die Versuchspersonen im Originalexperiment noch keine Verantwortung für das Ausführen der Elektroschocks übernehmen wollen, bekannten sie die Versuchspersonen in der aktuellen Studie durchaus als verantwortlich für den Tod des Käfers.

Ein Mann trinkt aus einer Getränkebüchse. 35 min
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Links/Studien

Die aktuelle Studie mit dem Namen Conflict experience and resolution underlying obedience to authority ist bei scientific reports erschienen und kann hier nachgelesen werden.

iz

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