Symbolbild Stickstoff
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Klimawandel Forschung aus Jena: Stickstoffemissionen bremsen die Erderwärmung

29. Juli 2024, 10:09 Uhr

Durch menschliche Aktivitäten freigesetzte Stickstoffverbindungen haben in Summe einen kühlenden Effekt auf die globale Durchschnittstemperatur, sagt eine neue Studie unter Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena. Klingt nach einer guten Nachricht, ist es aber nicht, so die Forscher.

Es ist eine Analyse der komplexen Auswirkungen von Stickstoffverbindungen aus der Landwirtschaft und Stickstoffverbindungen (nicht Kohlenstoff) aus der Verbrennung fossiler Energieträger auf die globale Durchschnittstemperatur. Und aus ihr geht hervor: Insgesamt ergibt sich ein kühlender Effekt. Das berichtet eine Forschungsgruppe unter der Leitung von Wissenschaftlern des Jenaer Max-Planck-Instituts für Biogeochemie.

Ohne menschliche Stickstoffeinträge hätte sich das Klima demnach noch etwas mehr aufgeheizt als ohnehin schon. Positiv bewerten die Forscherinnen und Forscher dies aber nicht – angesichts diverser negativer Folgen von Stickstoffemissionen für Mensch und Umwelt. "Das klingt zwar wie eine gute Nachricht", sagt der Jenaer Institutsdirektor Sönke Zaehle. "Aber dabei muss man berücksichtigen, dass die Stickstoffemissionen viele schädliche Wirkungen etwa auf die Gesundheit, die Artenvielfalt und die Ozonschicht haben." Die Ergebnisse seien kein Grund, die Umweltbilanz der Stickstoffeinträge schönzureden oder in zusätzlicher Stickstoffzufuhr gar ein mögliches "Mittel gegen die Erderwärmung" zu sehen.

Stickstoff ist ein natürlich in der Atmosphäre vorkommendes Gas. Aber der Mensch setzt noch zusätzliche Stickstoffverbindungen frei, Quellen sind zum Beispiel Gülle und synthetische Düngemittel in der Landwirtschaft, aber auch bei der Verbrennung fossiler Energieträger wie Erdöl und Kohle entstehen unter anderem Stickoxide, die sich in der Luft verteilen.

Stickstoff hat unterschiedliche Wirkungen aufs Klima

Allerdings unterscheiden sich die direkten und indirekten Klimawirkungen der verschiedenen Stickstoffverbindungen. So wirkt aus gedüngten Böden entweichendes Lachgas nach Angaben der Jenaer Forscher als extrem starkes Treibhausgas. Seine Wirkung ist annähernd 300 Mal stärker als die von Kohlendioxid.

Zugleich lässt der Stickstoffeintrag aber Pflanzen besser wachsen, so dass diese mehr Kohlendioxid binden.

Auch die bei Verbrennung freigesetzten Stickoxide haben "widersprüchliche" Wirkungen. Unter anderem begünstigen sie die Bildung von Schwebepartikeln in der Atmosphäre, die Sonnenlicht abschirmen und deshalb kühlen. Zugleich führen sie allerdings auch zu einer vermehrten Bildung von Ozon, das wiederum ein sehr starkes Treibhausgas ist.

In Summe errechnete die Forschungsgruppe daraus einen Kühleffekt von 0,34 Watt pro Quadratmeter durch menschliche Stickstoffeinträge seit 1850. Zum Vergleich: Laut Weltklimarat IPCC heizte der Mensch zwischen 2011 und 2020 vor allem durch die Emission von Treibhausgasen jeden Quadratmeter im Mittel um 2,7 Watt auf. Daraus resultierte wiederum ein Temperaturanstieg von im Schnitt 1,1 Grad Celsius in diesem Zeitraum.

Eine direkte Umrechnung der kühlenden Wirkung der Stickstoffeinträge auf die globale Durchschnittstemperatur sei allerdings nicht möglich, betonten die Experten aus Jena. Einerseits träten dabei örtliche Effekte auf, zum anderen reagiere das Klimasystem träge und in komplexer Weise auf die Verschiebungen. Zugleich verwiesen die Forscher auf die negativen Umwelt- und Gesundheitsfolgen von Stickstoffverbindungen – etwa in Form der Überdüngung von Gewässern oder durch deren Rolle bei der Bildung von Feinstaub und dem Entstehen von Atemwegserkrankungen. So lautet das Fazit von Institutsdirektor Zaehle trotz des errechneten kühlenden Effekts: "Die Stickstoffemissionen sollten reduziert werden."

(rr,afp)

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Die Illustration zeigt eine junge Frau, die tief Luft holt und deren Haare im Luftzug wehen. Daneben der Schriftzug "Ich will saubere Luft" und der Hinweis, dass es sich um einen Podcast handelt. 33 min
Bildrechte: MDR/Jessica Brautzsch

MDR Fr 12.11.2021 12:00Uhr 33:13 min

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 24. Juli 2024 | 18:00 Uhr

9 Kommentare

Anni22 vor 35 Wochen

@ Daniel Solange brauchen wir eher nicht warten, Meteroiten und ander kosmische Erscheinungen, Yellowstone und andere Supervulkane, Viren, Bakterien, Atomkrieg, wir haben viel Chancen (aus)zusterben. Einmal wird es schon passen ;-)! Dummerweise sterben die Meisten von uns aber vorher am Alter oder an Krankheiten oder Unfällen....

MDR-Team vor 35 Wochen

Seit etwa 4,5 Milliarden Jahren scheint die Sonne, und sie wird das noch mindestens weitere rund fünf Milliarden Jahre tun. Insgesamt hat die Sonne für zehn bis 13 Milliarden Jahre Brennstoff, schätzen die Wissenschaftler.

https://www.planet-wissen.de/natur/weltall/sonne/pwiewirddiesonneewigscheinen100.html

MDR-Team vor 35 Wochen

Hallo @KarlStuelpner,
hier die korrekte Einordnung Ihrer Interpretation der Situation in den Niederlanden:

Die niederländische Regierung will die Stickstoffemissionen bis 2030 um 50 Prozent senken. Dagegen haben Tausende Bauern in Den Haag protestiert. Die geplanten Umweltauflagen könnten das Aus für viele Betriebe bedeuten.
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/niederlande-den-haag-bauernproteste-101.html

In Niedersachsen ist das Grundwasser immens belastet - wegen intensiver Düngung in der Landwirtschaft. Auch die Niederlande haben dieses Problem. Nun wird zu drastischen Maßnahmen gegriffen.
https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Nitrat-im-Grundwasser-Niederlande-will-Hoefe-zur-Not-enteignen,grundwasser206.html

Herzliche Grüße