Zwei balzende Kampfläufer-Männchen: Im Vordergrund ein Independent mit hohem Testosteronspiegel und im Hintergrund ein Satellit mit geringem Testosteronspiegel.
Zwei balzende Kampfläufer-Männchen: Im Vordergrund ein Independent mit hohem Testosteronspiegel und im Hintergrund ein Satellit mit geringem Testosteronspiegel. Bildrechte: Clemens Küpper, Max Planck Institut für Biologische Intelligenz

Vögel Macho oder Softboy? Gen entscheidet über Balzverhalten bei Kampfläufern

29. Januar 2025, 14:29 Uhr

Nicht das Hormon Testosteron allein entscheidet, wie Wattvögel balzen. Ein Enzym hat ebenfalls Einfluss und lässt die Suche nach einer Sexpartnerin für die sehr verschieden balzenden Kampfläufer-Männchen noch komplexer werden.

Hohe Testosteronwerte werden allgemein mit männlicher Dominanz und Aggression in Verbindung gebracht. Doch bei Kampfläufern – einer in Europa und Asien brütenden Wattvogelart – sorgt ein einzelnes Gen dafür, dass aggressive Männchen friedfertig werden. Forschende der Freien Universität Berlin haben zusammen mit einem internationalen Forschungsteam vom Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz herausgefunden, wie dieses Gen ein "Super-Enzym" produziert, das Testosteron effizient abbaut und damit das Balzverhalten der Wattvögel bestimmt. Die Studie unter der Leitung von Clemens Küpper wurde gerade im Fachmagazin "Science" veröffentlicht.

Ein Vogel mit drei Gesichtern

Kampfläufer sind streng geschützte Zugvögel, deren Männchen in drei sehr verschiedenen Erscheinungsformen, sogenannten Morphen, auftreten. Sie unterscheiden sich im Aussehen als auch im Verhalten sehr stark. Die Mehrheit, die sogenannten Independents, zeigt dunkles Gefieder und verteidigt energisch ein kleines Revier in der Balzarena, um Weibchen zu beeindrucken. Die Satelliten, etwas kleineren Männchen mit hellerem Gefieder, werben hingegen friedlich in Zusammenarbeit mit einem Independent.

Getarnt in die Nähe der Weibchen

Die seltenen Faeder-Männchen verfolgen eine clevere Strategie: Sie tarnen sich als Weibchen, um unbemerkt in ihre Nähe zu gelangen. Während für die aggressiven Independents ein hoher Testosteronspiegel vorteilhaft ist, wäre dies für Satelliten und Faeder hinderlich. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass diese beiden Morphen deutlich weniger Testosteron im Blut haben als die Independents.

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Ernst Paul Dörfler machte schon in den 1980er Jahren das Thema Umweltschutz in der DDR öffentlich. Heute lädt er im Drömling regelmäßig zu Vogelwanderungen ein. Bildrechte: MDR/Heiko Kunzmann, honorarfrei

Enzym baut Testosteron ab

Testosteron reguliert jedoch nicht nur die Spermienproduktion, sondern auch Aggression und Balzverhalten. Überraschend zeigen Messungen der neuen Studie, dass Satelliten und Faeder in den Hoden mehr Testosteron produzieren als die Independents. Doch warum sinkt dann ihr Testosteronspiegel im Blut? Hier kommt das "Super-Enzym" ins Spiel. Die Forschenden fanden heraus, dass die drei Morphen sich nur in einer DNA-Region unterscheiden, die etwa 100 Gene umfasst. "Diese Region entstand vor etwa vier Millionen Jahren, als sich ein Chromosomenfragment umkehrte und neu einfügte", erklärt Katja Nowick, Professorin für Humanbiologie an der FU Berlin. Ein bestimmtes Gen innerhalb dieser DNA-Region kodiert ein Enzym, das Testosteron abbaut. Die Genanalysen der Forschungsteams zeigten, während dieses Enzym bei Satelliten und Faedern in großen Mengen produziert wird, es bei den Independents völlig fehlt.

Gen lässt Balzverhalten komplexer werden

Besonders bemerkenswert: Das "Super-Enzym" ist nicht in den Hoden auffindbar, wo Testosteron gebildet wird. Es ist vielmehr in großen Mengen im Blut von Satelliten und Faedern vorhanden. Die Forschenden stellten erhöhte Mengen des "Super-Enzyms" interessanterweise auch im Gehirn der friedfertigen Satelliten und Faeder fest. "Die Studie zeigt, wie ein einzelnes Gen weitreichende Effekte haben und die Evolution komplexer Verhaltensstrategien vorantreiben kann", betont Vladimir Jovanović, Postdoc in Katja Nowicks Arbeitsgruppe. In künftigen Studien möchte das Forschungsteam untersuchen, wie soziale Verhaltensweisen bei Kampfläufern reguliert werden und die Vielfalt innerhalb der Geschlechter weiter erforschen.

Links/Studien

Die Studie mit dem Titel "A single gene orchestrates androgen variation underlying male mating morphs in ruffs" dazu ist gerade im Fachmagazin "Science" erschienen (https://www.science.org/doi/10.1126/science.adp5936).

(idw/Tomi)

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 13. April 2024 | 19:00 Uhr

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