Wirtschaftsforschung Neue Regierung, alte Aufgabe: Wirtschaft fordert Langzeit-Strategie zur Klimaanpassung
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21. März 2025, 10:58 Uhr
Auf der To-do-Liste der neuen Bundesregierung steht schon jetzt eine langfristige Anpassungsstrategie an die Folgen der Klimaerwärmung. Diese Langzeit-Planung fordern Wirtschaftsforschende, da es Unternehmen und Haushalten an Rahmenbedingungen und Anreizen für notwendige Investitionen fehle.
100 Milliarden Euro für den Klimaschutz haben die Grünen der Union und der SPD in den Verhandlungen über das schuldenfinanzierte Milliardenpaket abgerungen. Sie sollen zusätzlich in den Klima- und Transformationsfonds fließen, aus dem bereits Milliardenhilfen für die Gebäudesanierung oder den Umbau der Industrie gezahlt werden. Tatsächlich sind diese 100 Milliarden Euro zusätzlich bedeutsam, was aber nach wie vor fehlt, ist eine langfristige Strategie zur Anpassung an das sich verändernde Klima. Wirtschaftsforschungsinstitute wie das ifo Institut fordern eine solche Anpassungsstrategie.
Und auch beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist der Tenor angesichts der zu erwartenden Klimafolgekosten: Jeder zusätzliche Euro für den Klimaschutz sei sinnvoll investiert. "Damit Energiewirtschaft, Industrie, Fahrzeuge und Heizungen weniger CO2 und andere Treibhausgase ausstoßen, sind in aller Regel zunächst Investitionen notwendig", heißt es vom IW Köln.
Klimafolgen kosten Hunderte Milliarden
In der Wirtschaft ist man sich wohl bewusst, dass auf der einen Seite die Emissionen gesenkt werden müssen, es aber vor allem auch Anpassung an das sich verändernde Klima braucht. Immerhin gehen selbst die optimistischsten Szenarien davon aus, dass der Klimawandel weitergehen bzw. die Folgen teils erhalten bleiben werden. Und das wird teuer – für den Staat, aber auch für Unternehmen und Haushalte. Diese Kosten könnten durch eine umfassende Anpassungsstrategie reduziert werden, so die Hoffnung.
Wie teuer es werden könnte, zeigen Prognosen. Einer Untersuchung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung, Prognos und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung zufolge summieren sich die wirtschaftlichen Folgekosten für Deutschland bis zum Jahr 2050 auf mindestens 280 bis 900 Milliarden Euro – je nachdem wie stark der Klimawandel sich fortsetzt. Dabei steigen die Kosten im Zeitverlauf immer stärker an, so die Forschenden.
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) beziffert den Einkommensverlust der Weltwirtschaft bis 2050 selbst bei drastisch sinkenden Emissionen auf 19 Prozent. Die Schäden seien sechsmal höher als die Vermeidungskosten zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad. "Es kostet uns viel weniger, das Klima zu schützen, als dies nicht zu tun – und zwar selbst dann, wenn man nur rein wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigt und weitere Folgen wie die Verluste von Menschenleben oder der biologischen Vielfalt außen vor lässt", so PIK-Forscherin Leonie Wenz.
Andere Prioritäten ändern nichts an Dringlichkeit
Die Wirtschaftswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler vom ifo Institut schreiben der neuen Bundesregierung also eine Anpassungsstrategie ins Aufgabenbuch – allen anderen Herausforderungen zum Trotz. "Es ist klar, dass sich Prioritäten vor allem jetzt kurzfristig verschieben, das ist auch vernünftig so", sagt ifo-Forscherin Maria Waldinger. "Aber das darf keine Entschuldigung dafür sein, dass man mittel- oder langfristig dieses Thema außer Acht lässt."
Aber was macht das Thema Klimaanpassung so relevant für die Wirtschaft? "Der Klimawandel geht einher mit extremen Wetterereignissen, die konkrete wirtschaftliche Schäden verursachen", so die Forscherin. Und auch sie betont: Die Kosten für diese Investition seien deutlich geringer, als später einen Wiederaufbau finanzieren zu müssen.
Und dann seien da die konkreten Auswirkungen durch extremes Wetter: "Hitzewellen haben einen direkten Einfluss auf die Produktivität von Arbeitern, die körperlich hart arbeiten, und auch von Arbeitern, die kognitiv hart arbeiten", sagt Waldinger. Studien hätten gezeigt, dass auch Menschen, die in klimatisierten Büros arbeiteten, bei extremer Hitze in ihrer Arbeitsleistung beeinträchtigt seien.
Außerdem existiert die deutsche Wirtschaft nicht im luftleeren Raum, ganz im Gegenteil ist vieles global vernetzt. Deshalb seien ganze Lieferketten in Frage gestellt, erklärt Waldinger. "Können Zulieferländer noch liefern, wenn Infrastruktur ausfällt? Funktioniert dann noch die Just-in-time-Produktion?" Die Unternehmen seien sich der globalen Dimension natürlich bewusst.
Anreize und Regulierung durch die Politik
Die deutsche Wirtschaft sieht die Notwendigkeit zur Anpassung, betont Waldinger. Und die werde ja auch zum großen Teil von privaten Akteuren getragen. "Unternehmen spielen dabei eine entscheidende Rolle, weil sie entscheiden müssen: An welcher Stelle lohnt sich für mich die Anpassung an bestimmte klimatische Veränderungen?"
Um diesen Prozess gesamtgesellschaftlich sinnvoll zu steuern, brauche es einen Rahmen und Anreize, sagt die Forscherin und verweist beispielhaft auf die Hochwasserereignisse der letzten Jahre. "Natürlich ist es, wenn sowas zum ersten Mal passiert, wichtig, dass die Politik einspringt, aber das kann kein Langzeitmodell sein." Wenn man etwa alle Häuser wieder an derselben Stelle aufbaue, dann sei die Gefahren auch immer noch genau die gleiche. "Und das sollte die Politik nicht noch fördern." So könnten etwa teurere Versicherungsprämien dazu eingesetzt werden, dass Menschen lieber kein Haus mitten in einem Hochwassergebiet bauten.
Die zweite wichtige Aufgabe der Politik sei die Regulierung. Studien belegten die Beeinträchtigung von Mitarbeitenden in Hitzewellen. Auf dem Bau zum Beispiel gäbe es dann mehr Unfälle, so Waldinger. "Allerdings zeigt diese Studie auch, dass erstaunlich wenig von den Unternehmen gemacht wird, um dem entgegenzuwirken. Da muss ein Lernprozess stattfinden." Die Unternehmen müssten nämlich erst einmal erkennen, dass es in solchen Zeiten hilfreich sei, zum Beispiel Wasser und Schatten zur Verfügung zu stellen. "Und da kann der Staat reingehen und sagen: Bevor sich jedes Unternehmen das einzeln überlegt hat, erlassen wir Regulierungen, um nicht nur unsere Wirtschaft zu schützen, sondern auch die arbeitende Bevölkerung", so die Forscherin.
Und schließlich brauche es den Staat auch für die Bereitstellung öffentlicher Infrastruktur. Städte, Straßen und Brücken müssten angepasst werden, um der Wirtschaft die nötigen Grundlagen zu liefern. Und nicht zuletzt seien auch Informationen essenziell: "Informationsbeschaffung ist für jedes Unternehmen eine teure Angelegenheit und sehr viel Arbeit", sagt ifo-Forscherin Waldinger. Deshalb müsse man Informationen zentral sammeln und teilen. "Der Deutsche Wetterdienst zum Beispiel betreibt schon Hitzewarnsysteme und solche Informationen brauchen die Privathaushalte und Unternehmen, um sich auf Auswirkungen des Klimawandels einzustellen."
Triebfeder Eigeninteresse
Die Wirtschaft dränge also nicht aus ethischen oder moralischen Gründen auf Klimaanpassung, sondern aus Eigeninteresse. Waldinger verweist beispielhaft auf den Finanzsektor: "Hier ist das Interesse, zukünftige Risiken abzuschätzen. Die wollen einfach verstehen, wie ihre Investitionen betroffen sein könnten." Die Unternehmen könnten es sich gar nicht leisten, die Klimakrise zu ignorieren.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 24. März 2025 | 18:20 Uhr
Eulenspiegel1 Gestern
Hallo part
Ohne ihren Freund Putin gäbe in Europa keinen Krieg, hätten wir kein Ukraineflüchtlinge, hätten wir auch kein Syrienflüchtlinge. Und vor allem es gäbe keine Notwendigkeit zusätzlich Geld in die Verteidigung zu stecken.
Ich weiß diese Wahrheiten gehen ihnen quer runter. Trotzdem sind es Wahrheiten.
MDR-Team Gestern
@part
In einer idealen Welt könnte man natürlich auf Waffen und die damit verbundenen Emissionen verzichten. Doch die Welt ist nun mal nicht ideal und gerade aktuell muss Deutschland mehr in die Verteidigung investieren, um den Frieden in Europa langfristig zu sichern.
LG, das MDR-WISSEN-Team
part Gestern
Ich würde vorschlagen, das Herstellen von Waffen und Waffensystemen einzustellen, Politik ausgerichtet auf Frieden zu betreiben und nicht überall Öl ins Feuer zu gießen, dann sinken auch die Emissionen. Wer bedenkt, was so ein Panzer oder Kampfjet an CO² erzeugt und allein schon die Produktion des ganzen Geräts, der sollte sich fragen, ob die Rüstungslobbyisten jetzt noch ungenierter regieren können?