Frau
Regina Nüßgen aus Glashütte im Osterzgebirge lebt seit fast 30 Jahren mit einem Spenderorgan. Sie klärt viel übers Thema Organspende auf und wünscht sich, dass das in Deutschland viel intensiver gemacht würde. Bildrechte: MDR/Wiebke Müller

Organspende "Bin ein Kämpfergeist": Seniorin aus Glashütte lebt mit Spenderleber

24. März 2025, 12:00 Uhr

Regina Nüßgen singt im Chor, macht Yoga und pflegt ihren Garten. Die Seniorin lebt seit knapp 30 Jahren mit einem Spenderorgan. Per Hubschrauber war sie 1996 mit einer lebensbedrohlichen Hepatitis in die Klinik gekommen und bekam eine zweite Chance. Nun will sie anderen Patienten Mut machen. Auch für das 2024 eingeführte Organspenderegister des Bundes hat sie Ideen.

Regina Nüßgen empfängt die Reporter von MDR SACHSEN in ihrem gemütlichen Wohnzimmer. Vor ihr liegen Zeitungsberichte über sie. Einer trägt die Überschrift "Das geschenkte Leben". Der Gedanke prägt Regina Nüßgen. Gerührt berichtet sie von der Geburt ihres ersten Enkelkindes. Dass sie die miterlebte, war nicht selbstverständlich. "Wenn kurz vor Silvester 1996 nicht innerhalb von 24 Stunden ein Organ zur Verfügung gestanden hätte, wäre ich mit knapp 46 Jahren gestorben."

Regina Nüßgen in ihrem Wohnzimmer 3 min
Bildrechte: MDR/ Luisa Puig Rodriguez
3 min

Regina Nüßgen erhielt 1996 eine Lebertransplantation. Diese hat ihr das Leben gerettet, sodass sie seit 30 Jahren ein aktives Leben führen kann. Wie sie zu der Spende kam, erzählt sie im Video.

MDR FERNSEHEN Sa 22.03.2025 10:06Uhr 02:43 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Bangen zwischen Leben und Tod

"Ich bin ein Kämpfergeist", betont die frühere Lehrerin für Russisch, Französisch und Geografie. Ihr Ehemann Frieder, mit dem sie bald Platinhochzeit (55 Jahre Ehe) feiert, nickt. Die dramatischen Tage 1996 beschreibt sie mit "zwischen Leben und Tod", "Intensivstation" und "Koma". Zuvor habe sie sich schlapp gefühlt, konnte nichts essen. Dann wurde eine Hepatitis-B-Infektion festgestellt, eine rasant fortschreitende Leberentzündung. Die Transplantation in der Charité in Berlin hat sie gerettet.

Wenn kurz vor Silvester 1996 nicht innerhalb von 24 Stunden ein Organ zur Verfügung gestanden hätte, wäre ich mit knapp 46 Jahren gestorben.

Regina Nüßgen Organspende-Patientin aus Sachsen

Frau, Mann
Ehemann Frieder hat seine Frau Regina während und nach der Transplantation stets unterstützt. Beide sind seit 55 Jahren verheiratet. Bildrechte: MDR/Wiebke Müller

Regina Nüßgen ist dafür dem Spender und ihren Ärzten dankbar. Weniger als ein Jahr nach der Transplantation habe sie wieder als Lehrerin arbeiten können. Mit 60 sei sie in Rente gegangen.

Rentnerin im Unruhestand

Nun pflegt die 75-Jährige ihre Hobbys und radelt in Aktivurlauben - auch wenn sie wie alle Transplantierten einen Schwerbehindertenausweis hat. Die dreifache Großmutter leitet eine Selbsthilfegruppe für Lebertransplantierte. "Ich möchte etwas zurückgeben." Nur ein Drittel der Organspende-Patienten könne aktiv leben. "Durch das vorherige Warten auf ein Spenderorgan verschlechtert sich der Zustand", weiß Nüßlein. Bei ihr hätten die Nieren versagt.

Eine Frau steht in ihrem Garten. Sie lächelt und hält einen Rechen in der Hand.
Ihre Freizeit verbringt Regina Nüßgen gerne und häufig im Garten vor ihrem Haus im Osterzgebirge. Bildrechte: MDR/Wiebke Müller

Thema wird häufig verdrängt

Das 2024 vom Bund eingeführte Organspenderegister findet die Seniorin sehr gut. "Doch der zweite Schritt wurde vor dem ersten getan." Es werde sich nichts ändern. "Die Leute verdrängen das Thema." Viele wüssten zwar, dass man Organe spenden sollte. "Aber bitte nicht ich", heiße es. Es müsse mehr aufgeklärt werden, auch Schulkinder und Jugendliche. Die Seniorin hat viele Ideen: Etwa Flyer beim Arzt im Wartezimmer - "nicht mit Appellen, sondern mit persönlichen Schicksalen". Viele Menschen fehle zudem das Vertrauen in die Kontrolle des Hirntodes.

Die Leute verdrängen das Thema. Viele wissen zwar, das man Organe spenden sollte. 'Aber doch bitte nicht ich', heißt es dann.

Regina Nüßgen Trägerin eines Spenderorgans

Die Frau mit dem geschenkten Leben plädiert für eine Wiederspruchslösung beim Organspenderegister. Viele EU-Länder handhaben das so. In Spanien sei deshalb die Zahl der verfügbaren Organe immens höher als hierzulande. "Es gibt viele EU-Richtlinien, an die man sich halten muss, wie in der Flüchtlingspolitik. Warum kann man das nicht bei dieser Sache machen", fragt sich Nüßgen. Auch ihre Spenderleber kam aus dem EU-Ausland.

Bundesangaben zufolge brauchen bundesweit 8.500 Menschen eine Organspende - es gab aber nur 900 Spenderinnen und Spendern im Jahr 2022.

Eine Person hält ihren Organspendeausweis in den Händen. 2 min
Bildrechte: IMAGO / Fotostand
2 min

Regina Nüßgen äußert sich zu dem neuen Organspenderegister und was ihrer Meinung nach getan werden müsste, damit mehr Leute sich mit dem Thema beschäftigen. Sie selbst hat 1996 nur dank einer Spenderleber überlebt.

MDR FERNSEHEN Sa 22.03.2025 10:57Uhr 02:23 min

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Dankesbrief an die Angehörigen

Ein verunfallter Motorradfahrer sei ihr Spender, habe es damals in der Berliner Charité geheißen. An die Angehörigen des jungen Mannes habe sie anonym einen Dankesbrief geschrieben. "Das will ich nun wiederholen", betont die Rentnerin. Sie hat noch viele Ideen und Pläne zu diesem ihr wichtigen Thema. Aber jetzt müsse sie bald los: "Ich gehe in die Sauna und danach tauche ich in die Malter." (Anmerk. d. Red.: gemeint ist die gleichnamige Talsperre.)

MDR (kk)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Chemnitz | 18. März 2025 | 06:30 Uhr

Mehr aus Dippoldiswalde und Sebnitz

Mehr aus Sachsen

Ein Mädchen sitzt auf einem Fensterbrett und liest ein Harry-Potter-Buch
Nach dem Harry Potter Hype, sind bei Jugendlichen inzwischen "Dark Romance" Bücher beliebt. Die sind gewaltvoll und daher nicht unproblematisch. Daher fordert die MDRfragt-Community Altersgrenzen. Bildrechte: imago images/Thomas Eisenhuth