Kind mit Maske vor abgesperrter Schaukel
Um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen, wurden auch Spielplätze während des Lockdowns abgesperrt. Viele Kinder und Jugendliche leiden noch heute unter den Folgen der Isolation. Bildrechte: IMAGO / Shotshop

Gesundheit Corona-Pandemie: Kinder und Jugendliche kämpfen noch immer mit den Folgen

21. März 2025, 10:36 Uhr

Verwaiste Klassenzimmer, leere Spielplätze, geschlossene Diskotheken - Gut fünf Jahre ist es her, dass in Deutschland und somit auch in Thüringen wegen der Corona-Pandemie das soziale und öffentliche Leben heruntergefahren wurde. Freunde treffen, Sport treiben, Erwachsenwerden - all das ging von jetzt auf gleich nicht mehr wie gewohnt. Unter den Folgen leiden insbesondere Kinder und Jugendliche noch heute.

Fünf Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie kämpfen Kinder und Jugendliche in Thüringen noch immer mit den Auswirkungen. Seitdem haben vor allem psychische Erkrankungen zugenommen. Vor allem sogenannte stille Störungen treten häufiger auf, ergab eine Umfrage von MDR THÜRINGEN unter den sechs Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Freistaat. Dazu zählen Angst- und Essstörungen, Depressionen, aber auch Schlafstörungen.

Zahlreiche Kinder und Jugendliche gehen demnach nicht mehr in die Schule, leiden an Schulabsentismus, trauen sich kaum vor die Haustür, sondern bleiben in ihren Kinderzimmern, sind in sozialen Medien unterwegs und sozial isoliert.

Trauriges kleines Mädchen sitzt allein in der Dunkelheit und benutzt Smartphone
Folgen der Corona-Maßnahmen bei vielen Jugendlichen sind zum Beispiel soziale Isolation und das "Abtauchen" in die sozialen Medien. Bildrechte: IMAGO / HalfPoint Images

"Das ist ein zunehmendes Phänomen und sehr hartnäckig, so dass Patienten auch oft stationär aufgenommen werden müssen", berichtet Dr. Ekkehart Englert, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Helios Klinikum in Erfurt.

In der Klinik seien 95 Prozent der Betten ganzjährig belegt, die Wartelisten sind oft so lang, dass Monate vergehen, immer häufiger gibt es Notfälle, die sofort aufgenommen werden müssen.

Dr. Ekkehart Englert, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie Helios Klinikum in Erfurt
Dr. Ekkehart Englert, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Helios Klinikum in Erfurt Bildrechte: MDR/Helios Klinikum Erfurt

Betroffene warten oft monatelang auf Behandlung

Ein ähnliches Bild zeichnen die anderen Kliniken in Thüringen. Deutschlandweit würden Eltern um eine Aufnahme in die Klinik bitten, heißt es von der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Ökumenischen Hainich-Klinikums in Mühlhausen. Derzeit stünden etwa 200 Kinder auf der Warteliste für den stationären und offenen Behandlungsbereich, erzählt Chefarzt Dr. Fritz Handerer.

Dadurch sind wesentliche Grunderfahrungen verloren gegangen, die teilweise nur unzureichend wieder aufgeholt werden können.

Dr. Fritz Handerer Chefarzt des Ökumenischen Hainich-Klinikums in Mühlhausen

Kinder und Jugendliche hätten unter dem Verlust des persönlichen Umgangs mit anderen Menschen während der Pandemiezeit gelitten. "Dadurch sind wesentliche Grunderfahrungen verloren gegangen, die teilweise nur unzureichend wieder aufgeholt werden können."

Kinderspielplatz in Zeiten der Corona-Pandemie, das Hinweisschild weißt auf die Sperrung der Spielgeräte und Klettergerüste auf dem Spielplatz hin
Gesperrte Spielplätze und Kontaktbeschränkungen - viele Maßnahmen des Corona-Lockdowns haben ihre Spuren bei Kindern und Jugendlichen hinterlassen. Bildrechte: IMAGO / Jörg Halisch

In der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Weimar beobachtet Chefärztin Kristin Kipp immer häufiger auch Fälle des Chronischen Fatigue-Syndroms, auch bedingt durch eine Corona-Infektion. Die Betroffenen sind dauerhaft erschöpft, können sich nur schlecht konzentrieren und sind wenig körperlich belastbar.

Kliniken trotz überdurchschnittlicher Versorgungsstruktur stark belastet

"Die Kombination aus psychischen und postviralen Erkrankungen stellt eine erhebliche Belastung für die Versorgungsstrukturen dar", weiß die Chefärztin. Mit sechs Kliniken in der Kinder- und Jugendpsychiatrie steht Thüringen bundesweit mit am besten da, was die Versorgung angeht. Hier stehen deutschlandweit im Vergleich die zweitmeisten Betten für Behandlungen im psychiatrischen Kinder- und Jugendbereich bereit. So sind es laut dem Thüringer Krankenhausspiegel 286 im vollstationären Bereich und 107 im teilstationären Bereich.

Die Kombination aus psychischen und postviralen Erkrankungen stellt eine erhebliche Belastung für die Versorgungsstrukturen da.

Kristin Kipp Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Weimar

Dennoch reichten die Kapazitäten nicht aus. Vor allem im ambulanten Bereich und insbesondere im ländlichen Raum mangele es an wohnortnaher Versorgung mit Psychotherapie und Psychodiagnostik.

So sei etwa die Vorbereitung von fortführender Hilfe und Unterstützung nach dem Ende des Klinikaufenthalts eine weitere große Herausforderung, heißt es aus dem Asklepios Klinikum in Stadtroda. Das Rückfallrisiko würde so bei den Betroffenen steigen.

Nicht jede psychische und psychosomatische Erkrankung sei allein nur auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Da kommen viele Faktoren zusammen, so die Experten.

Dennoch, so sagt die Copsy-Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, haben die Herausforderungen der Pandemie und die dadurch entstandenen massiven Veränderungen im sozialen Leben die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen erheblich beeinträchtigt.

Mehr zur Copsy-Studie Copsy - das ist die Abkürzung für Corona und Psyche. Die Studie, an der knapp 2.800 Familien teilgenommen haben, führte das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf durch. Sie begann bereits vor der Corona-Pandemie und lässt daher Vergleiche zu. Zuletzt befasste sich die Studie damit, ob sich Kinder und Jugendliche von Corona erholen konnten und wie sie auf die zahlreichen neuen Herausforderungen wie Kriege, Krisen und Sicherheitssorgen reagieren.

Familiärer Zusammenhalt wichtig

Dr. Englert rechnet weiterhin mit einem hohen Bedarf an Therapieplätzen in Thüringen. So seien die Krisensituationen weltweit und in Deutschland sowie die zunehmenden Sorgen um die eigene Sicherheit schuld daran, dass "wir es auch weiterhin mit Ängsten zu tun haben", so Englert.

Er rät allen Familien, nicht aufzuhören, miteinander zu reden, sich der Sorgen und Probleme der Kinder und Jugendlichen anzunehmen und darüber zu sprechen. Auch wenn Kinder und Jugendliche ihren Rückzugsort brauchen, "man dann trotzdem noch Zeiten hat, wo man eine gewisse Kommunikation auch miteinander pflegt, so dass der Faden nicht völlig abreißt. Das ist etwas ganz Wichtiges."

Mehr zu Corona-Folgen bei Kindern

MDR (fno)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 21. März 2025 | 18:00 Uhr

65 Kommentare

DER Beobachter vor 2 Tagen

Diese Erfahrung teile ich - interessanterweise waren die Infektionsraten in unserem "Real"schulbereich (wir haben beides) signifikant höher. Ich erinnere mich auch noch bestens an die vielen Zusatzstunden, die wir wegen der ständig und längerfristig erkrankten einsichtsverweigernden Kollegen schrubben mussten...

DER Beobachter vor 2 Tagen

Dann haben Sie doch wohl hoffentlich eine logische Erklärung für den Fakt, dass es in sämtlichen Staaten mit "lockereren Kinderregeln" (bspw. Israel, GB, Sw) eine deutlich höhere Rate an schweren bis ITS und tödlichen Verläufen und LongCovid auch bei Kindern und Jugendlichen gab als bspw. bei uns ?

wodiho vor 2 Tagen

@Hebamme
>>>Den 2 lockdown hat mein Kind in der Psychiatrie verbracht<<<
Das tut mir leid, für Ihr Kind und auch Sie selbst. Ich hoffe doch, daß sich Ihr Kind wieder gefangen hat?
Ich bin nur froh, daß mir das bei meinen Enkelkindern erspart geblieben ist.

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