Das Marcel-Callo-Haus in Heiligenstadt von außen.
2 min
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Religionen Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche: Ein Opfer aus dem Eichsfeld erinnert sich

22. März 2025, 14:59 Uhr

Sexueller Missbrauch durch Angestellte der katholischen Kirche ist seit Jahren ein Thema. Oft geht um Fälle, die zum Teil Jahrzehnte zurückliegen. Vor vier Jahren hat sich in diesem Zusammenhang eine unabhängige Aufarbeitungskommission des Bistums Erfurt gegründet, die solche Fälle aufklären soll. Dabei geht es auch um Vorkommnisse aus den im Marcel-Callo-Haus in Heiligenstadt. Ein Betroffener erinnert sich an die Vorkommnisse in den 1970er-Jahren.

Michael wurde in den 1970er-Jahren systematisch sexuell missbraucht von einem Referenten der katholischen Kirche im Jugendhaus Marcel Callo in Heiligenstadt. Als junger Erwachsener zog er die Konsequenzen daraus und konvertierte zur evangelischen Kirche. Er verließ das Eichsfeld und lebte und arbeitete lange Jahre in Bayern.

Heute wohnt er wieder in Thüringen. Erst viele Jahre später spricht er mit einem Therapeuten über die damalige Zeit. Im vergangenen Jahr ist er dem Aufruf des Bistums gefolgt und hat sich bei der Aufarbeitungskommission als Betroffener gemeldet.

Wie alles begann

Es war üblich, dass Jungen in den 1970er-Jahren an den Wochenenden das Marcel-Callo-Haus besuchten. Sie wurden dort in der katholischen Glaubenslehre unterrichtet.

Eines Tages, so Michael, bat der damalige Referent für Jugendarbeit einige Jungen, einen Fragebogen auszufüllen. Bei dem Referenten handelt es sich um einen sogenannten Laien, einen Nichtkleriker, der aber im Dienst der katholischen Kirche steht.

Michael: "Dann hat man mich scheinbar ausgeguckt. Das war ein Mann, der hat mich und noch einen Jungen rausgepickt und hat einen dann mit in einem Raum genommen, Büro oder so und hat uns erläutert, wir möchten einen Fragebogen ausfüllen für Medizinstudenten."

Die Fragen seien rein sexueller Natur gewesen, zum Beispiel ob man schon mal ein Mädchen geküsst oder sich schon einmal selbst befriedigt habe. Gleichzeitig forderte der Mann die Jungs auf, ihren Eltern nichts davon zu erzählen. Sie schwiegen.

Systematischer Missbrauch

Nachdem die Jungs den Fragebogen ausgefüllt hatten, soll der Leiter des Jugendtreffs die Jungen nacheinander in einen weiteren Raum gebracht haben, in dem sie "vermessen" worden seien.

Das schlimmste war, er hat uns angefasst und einem Jungen, der das noch nie gemacht hat, gezeigt, wie man es sich selber macht. Das war schlimm. Ab dem Tag war alles anders.

Michael

Zunächst dachte Michael an eine einmalige Angelegenheit, aber nach einigen Wochen passierte es wieder: "Ich war kaum da, stand der Mann wieder vor mir und sagte, er hätte die Liste mit den Abmessungen verloren und dann ging das ganze Drama wieder von vorne los."

Und das immer wieder. Laut Michael hat sich der Mann immer neue Ausreden einfallen lassen. Irgendwann weigerte sich Michael, noch einmal ein Wochenende im Marcel-Callo-Haus zu verbringen.

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Wie der Missbrauch Michaels Leben beeinflusste

Als junger Erwachsener konvertierte Michael zur evangelischen Kirche, von der er nach eigenen Aussagen mit offenen Armen empfangen wurde. Er zog nach Bayern, lebte und arbeitete dort 30 Jahre lang. Heute wohnt Michael wieder in Thüringen, wo genau, will er nicht sagen. Verständnis für das, was er erlebt hat, habe er nie erfahren.

Ich habe da auch keine Unterstützung erfahren von meinem Elternhaus. Für meine Eltern war das Tabu als strenge Katholiken.

Michael

Vor vielen Jahren nahm er Kontakt mit dem Mann auf, der ihm das damals angetan hatte, und wollte ihn zur Rede stellen. Aber statt Reue oder Bedauern habe ihm der Referent nur Vorwürfe gemacht: "Ich würde seine Familie kaputt machen und ihn kaputt machen und dann hat er aufgelegt."

Erst als Michael an einem Burn-out erkrankte und sich psychologische Hilfe holte, gelang es ihm, das erste Mal mit jemanden über all die Erlebnisse zu sprechen. Als er im vergangenen Jahr den Aufruf des Bistums in der Zeitung las, rang er anfänglich mit sich, meldete sich dann aber doch und fasste die Ereignisse von damals protokollarisch zusammen.

Bisher habe er noch nichts weiter von den Mitarbeitern gehört, aber er sei optimistisch, dass sich die Fälle zeitnah aufklären lassen und er irgendwann eine Entschuldigung der katholischen Kirche bekommt.

Aufarbeitung durch das Bistum

2021 hatte sich im Bistum Erfurt die Unabhängige Aufarbeitungskommission gegründet. Sie soll den Fällen nachgehen und wie mit Betroffenen und Beschuldigten von Seiten der Kirche umgegangen wird. Ob es gar Strukturen gibt, die sexuellen Missbrauch ermöglichen, erleichtern oder dessen Aufdeckung erschweren.

Aktuell untersucht sie Akten und Berichte von insgesamt 50 Beschuldigten und geht von weit mehr als 60 Betroffenen im gesamten Bistum Erfurt aus. Gemeldet haben sich den Angaben nach aber erst zehn Betroffene zu den Vorfällen. Fünf davon zu den Ereignissen im Marcel-Callo-Haus in Heiligenstadt. Michael ist einer von ihnen.

MDR (mte/jn)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 22. März 2025 | 18:15 Uhr

22 Kommentare

klaus.kleiner77 vor 7 Stunden

Vor über sechs Monaten hat es bereits z.B in der Thüringer Allgemeinen Artikel zu demselben Thema gegeben, wer will kann die Artikel mit diesem Artikel vergleichen!

MDR-Team vor 9 Stunden

Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie den Großteil erst nach Veröffentlichung des Kommentars mit dem Hinweis auf die restlichen Kommentare geschrieben haben. Des Weiteren besteht weiterhin die Möglichkeit, dass Sie uns hier mitteilen, was Sie konkret zu kritisieren haben.

klaus.kleiner77 vor 9 Stunden

Mit den Übertritt in die evangelische Kirche ist das Missbrauchsopfer von Regen in die Traufe gekommen, denn der Missbrauch in der evangelischen Kirche ist mindestens genauso groß, nur hapert es bei der EKM mit der Aufarbeitung!

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