Debatte um Wochenarbeitszeit Wochenarbeitszeit statt Tageslimit: Gewerkschaften warnen vor Risiken
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25. März 2025, 11:08 Uhr
Zwölf Stunden am Stück arbeiten und dann eineinhalb oder zwei Tage freimachen? Union und SPD sind der Ansicht, dass das für manche Arbeitnehmer und so manche Chefin ein attraktives Modell sein könnte. Sie wollen die Regelungen in Deutschland anpassen: Weg vom Tageslimit, das derzeit bei zehn Stunden liegt, und hin zu einer maximalen Wochenarbeitszeit. Viel Sympathie für den Vorschlag gibt es auf der Arbeitgeberseite – von den Gewerkschaften kommt dagegen Kritik.
- Gewerkschaften wollen das Arbeitszeitgesetz lassen, wie es ist.
- Arbeitgeber hingegen freuen sich über Flexibilität.
- In der Pflege hat man bereits Erfahrungen.
- Kritik kommt auch aus der Forschung
Union und SPD müssen in ihren Sondierungen auch nach Lösungen für eine schwächelnde Wirtschaft suchen – dabei aber nur die Arbeitgeberseite in den Blick zu nehmen, das sei zu kurzsichtig und nicht sehr fair, findet Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Sie sagt deshalb: Finger weg vom Arbeitszeitgesetz.
Piel fügt hinzu: "Wir haben gesicherte arbeitswissenschaftliche Ergebnisse, die ganz klar zeigen, dass alles, was über den normalen Achtstundentag hinausgeht, gesundheitsschädigend ist und viele Risiken für die Beschäftigten birgt."
Gesundheitliche und soziale Risiken
Dirk Schulze, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, schließt sich an. In der Industrie seien längere Arbeitstage gar nicht realistisch, weil Tätigkeiten oft körperlich so anstrengend seien, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter sie nicht über viele Stunden ausüben könnten.
Außerdem fallen ihm Betriebe und Konstellationen ein, wo die Regelung missbraucht werden könnte: Wo es keinen Betriebsrat, keine Betriebsvereinbarung über Höchstarbeitszeiten oder über Schichtmodelle gebe, insbesondere in Bereichen wie Gastronomie und Pflege, wo auch ständig Personalbedarf sei.
Genau in diesen Branchen sehen die Arbeitgeber dagegen Vorteile in der Wochenarbeitszeit-Regelung. Sandra Warden, Geschäftsführerin des Gastroverbands DEHOGA und Arbeitsmarktexpertin, sagt, Ihr Verband unterstütze den Vorschlag: "So bekommen Hotels, Restaurants, Caterer und ihre Mitarbeitenden flexiblere Möglichkeiten, die Arbeitszeiten miteinander zu vereinbaren."
Erfahrungen aus der Praxis
In der Pflege habe man damit während Corona schon Erfahrung gesammelt, berichtet Isabell Halletz, Geschäftsführerin beim Arbeitgeberverband Pflege. Damals sei es möglich gewesen, ausnahmsweise von der Höchstarbeitszeit abzuweichen, und das habe positive Effekte fürs Personal gehabt. Hallertz sagt: "Die Mitarbeiter sind tatsächlich sehr verantwortungsvoll mit dem zusätzlichen Gestaltungsspielraum umgegangen. Und sie hatten das Gefühl, die Arbeitszeit selbst und individuell festlegen zu können."
Und René Glaser, Geschäftsführer beim Handelsverband Sachsen, fügt hinzu: "Aktuell haben wir eine sehr starre Regelung zur täglichen Höchstarbeitszeit, die aus unserer Sicht den Anforderungen der digitalisierten und auch der vernetzten Arbeitswelt immer weniger gerecht wird."
Kritik aus der Wissenschaft
Wochenarbeitszeit statt Tagesarbeitszeit – ist das also eine Verbesserung oder eine Verschlechterung? Den Blick von außen auf das Thema hat Professor Daniel Ulber, Arbeitsrechtsexperte von der Universität Trier.
Und der sieht das Vorhaben kritisch. Er sagt: "Verbesserungen gibt es insbesondere für Arbeitgeber, die bislang nicht in der Lage waren, eine funktionsfähige Personalplanung zu betreiben und deswegen damit überfordert gewesen sind, ihre Beschäftigten adäquat in der Woche verteilt einzusetzen."
An die gesetzlichen Ruhezeiten hielten sich Betriebe teils schon jetzt nicht. Das Limit von zehn Stunden am Tag sei eine zweite Schranke – und für viele Menschen greifbar und leicht zu merken.
Wenn diese Schranke falle, bestehe die Gefahr, dass Beschäftigte übermäßig viel arbeiten müssten, so Ulber. Und dass ihr Privatleben leide. Denn schon heute müssten sie oft einen großen Teil des Tages und auch zuhause für dienstliche Mails und Anrufe verfügbar sein.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 25. März 2025 | 06:08 Uhr